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Zu viele Anstellungsverhältnisse in der Wissenschaft sind befristet. Darüber waren sich die Fraktionen in der Debatte zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz am Freitag, 6. Juni 2014, im Wesentlichen einig. In der Debatte, die auf Antrag der Grünen und auf Grundlage ihres Gesetzentwurfs (18/1463) stattfand, wurde deutlich, mit welch prekären Beschäftigungsverhältnissen sich Wissenschaftler über Jahre hinweg begnügen müssten, selbst nachdem sie eine Promotion bereits abgeschlossen haben.
Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen) warf der Regierung vor, nicht genug für die junge Generation und vor allem den wissenschaftlichen Nachwuchs zu tun. „Die Zögerlichkeit schadet dem wissenschaftlichen Nachwuchs“, sagte Gehring. Der Nachwuchs sorge mit seinem Wissen und Können für dringend benötigte Innovationen.
Wenn es um verlässliche Perspektiven für Wissenschaftler, Hochschulen und Forschungseinrichtungen ginge, zeige sich die Koalition erschreckend ideen- und tatenlos. „So darf es nicht bleiben“, sagte Gehring. Hochschulen und Forschungseinrichtungen seien Herzstücke des Wissenschaftssystems. Sie müssten attraktive Arbeitgeber mit guten und zukunftsfähigen Arbeitsbedingungen sein.
Beinahe neun von zehn Wissenschaftlern an deutschen Hochschulen seien befristet beschäftigt, untermauerte Gehring das Problem. Das gelte auch für die Phase nach der Promotion. 51 Prozent der Verträge an den Hochschulen und 44 Prozent der Verträge an den Forschungseinrichtungen hätten eine Laufzeit von unter einem Jahr. „Das sind Zustände, die sich kein Unternehmen leistet, das genauso wie der Wissenschaftsbetrieb auf Spitzenpersonal angewiesen ist. Hier ist etwas aus dem Lot geraten, und das müssen wir ändern.“
Gehring machte auch deutlich, dass dieses Problem nicht nur junge Wissenschaftler betrifft, sondern auch Menschen, die schon weit über 40 oder gar 50 Jahre alt seien. „So schafft man Frustration und riskiert das Abwandern dieser klugen Köpfe in die Wirtschaft oder ins Ausland.“
Gehring forderte unter anderem Mindestvertragslaufzeiten für Wissenschaftler nach dem erfolgreichen Abschluss der Promotion. Diese Wissenschaftler sollen nur noch in begründeten Ausnahmefällen eine Vertragslaufzeit von unter zwei Jahren erhalten.
Außerdem soll nach Ansicht der Grünen für Mitarbeiter in allen Qualifizierungsphasen gelten, dass die Laufzeit der Verträge, die auf befristeten Mitteln von Dritten beruhen, mindestens der Laufzeit der Finanzierungsbewilligung des Gebers dieser Drittmittel entspricht.
Alexandra Dinges-Dierig (CDU/CSU) stimmte grundsätzlich zu, dass es bei der Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes Handlungsbedarf gebe. „Da gebe ich Ihnen zu hundert Prozent recht“, sagt Dinges-Dierig.
Dennoch kritisierte sie an dem Gesetzentwurf, den schon fast wortgleich die rot-grün regierten Länder im Frühjahr 2013 in den Bundesrat eingebracht hatten, dass die seitdem geführten Debatten dort nicht eingearbeitet worden seien. Dabei nannte sie die Stärkung der Forschung und die Schaffung verlässlicher Karrierewege. Der vorgelegte Entwurf biete keine Lösung, sondern führe zu Starrheit und neuer Ungerechtigkeit.
Ralph Lenkert (Die Linke) begrüßte grundsätzlich den Gesetzentwurf der Grünen. „Eine Novelle ist überfällig“, sagte er und kritisierte die Große Koalition: „Sie kündigen an, aber dann handeln Sie nicht.“ Der Bundestagsabgeordnete veranschaulichte in seiner Rede, wie sich Wissenschaftler, die sich fast ein Leben lang von einer Stelle zur anderen hangeln müssen, auf Dauer fühlen müssten: „Ausgebeutet und missbraucht. Und deshalb ist es höchste Zeit dieses Gesetz zu hinterfragen.“
Auch die Familienplanung leide darunter. Da sei es kein Wunder, wenn Absolventen die erste Chance ergreifen würden, um in die Industrie oder ins Ausland zu wechseln. Mehr Geld, mehr Anerkennung und eine planbare Zukunft seien starke Argumente. Lenkert forderte Mindestvertragslaufzeiten von wenigstens zwölf Monaten.
Dr.-Ing. Simone Raatz (SPD) machte deutlich, dass ihre Fraktion nicht dem Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen zustimmen werde, obwohl er dem SPD-Entwurf aus dem Frühjahr 2013 gleiche. „Die Zeit ist darüber hinweg gegangen, und wir wollen den Antrag weiter qualifizieren“, so die Bundestagsabgeordnete.
Gleichwohl sieht auch Raatz Handlungsbedarf. 83 Prozent der hauptberuflichen wissenschaftlichen Mitarbeiter an Hochschulen seien befristet angestellt. Und auch an einigen außeruniversitären Forschungseinrichtungen gebe es eine Befristungsquote von 80 bis 90 Prozent. „Da muss dringend etwas geändert werden“, so die Bundestagsabgeordnete, die mit ihren Mindestlaufzeiten über die Forderungen der Linken hinausging und im Kern 24 Monate forderte.
Außerdem verglich sie die Bedingungen von Wissenschaftlern mit anderen Ländern. In den USA seien lediglich 14 Prozent der Stellen befristet, in England läge die Befristungsquote bei 28 Prozent. Daran müsse sich Deutschland orientieren und messen lassen. (rol/06.06.2014)