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Berlin: (hib/AW) Sachverständige sind uneinig, ob sich die Lohnunterschiede von Frauen und Männern in Deutschland durch das von der SPD-Fraktion geforderte Entgeltgleichheitsgesetz in der Praxis minimieren lassen. Der Familien- und der Arbeitsausschuss hatte am Montagnachmittag zwölf Sachverständige zu einer gemeinsamen öffentlichen Anhörung zu dem entsprechenden Gesetzentwurf der Sozialdemokraten (17/9781) eingeladen. Nach dem Willen der SPD soll in Unternehmen verbindliche Prüfungen zur Entlohnung eingeführt werden, um Diskriminierungen von Frauen aufzudecken und zu beseitigen. Die Sachverständigen wurden zudem zu einem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/8897) gehört. Auch die Grünen sprechen sich für Überprüfungsmechanismen zur Beseitigung von Entgeltunterschieden aus.
Weitgehende Einigkeit herrschte zwischen den Sachverständigen über die Fakten, die Martin Beck vom Statistischen Bundesamt in seiner schriftlichen und mündlichen Stellungnahme präsentierte. So verdienen Frauen in Deutschland durchschnittlich 22 Prozent weniger als Männer. Dieser Wert, der sogenannte „Gender Pay Gap“, habe sich seit 1995 im wesentlichen nicht verändert und liege deutlich über dem Durchschnitt von 16,2 Prozent in der Europäischen Union. Die Gründe für die Verdienstunterschiede seien vielfältig. Zum einen ergriffen Frauen häufiger schlechter bezahlte Berufe, stiegen auf der Karriereleiter nicht so weit nach oben, seien häufiger teilzeitbeschäftigt oder im Niedriglohnsektor tätig und seien vor allem häufiger von Karriereunterbrechungen - beispielsweise durch Schwangerschaft und Elternzeit - betroffen als Männer. Rechne man diese Faktoren heraus, so ergebe sich noch ein Gehaltsunterschied von acht Prozent.
Gegen den Gesetzentwurf der SPD und den Antrag der Grünen sprachen sich Christina Ramb für die Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Oliver Stettes vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, Christina Boll vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI), Sandra Hartig vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Rechtswissenschaftler Martin Franzen von der Universität München aus. Sie bemängelten einen zu hohen bürokratischen Aufwand und die damit verbundenen zusätzlichen Kosten, die durch die Einrichtungen von betriebsinternen Überprüfungen entstehen würde. Sie kritisierten zudem, dass ein solches Gesetz einen Eingriff in die Tarifautonomie darstellen würden. Sinnvoller wäre es, die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen zu verändern, um Karriereunterbrechungen für Frauen möglichst kurz zu halten. Dazu gehöre etwa die Bereitstellung von mehr und besseren Betreuungsmöglichkeiten von Kindern. Zudem müssten flexiblere Arbeitszeitmodelle entwickelt werden. Ablehnend zeigte sich auch Christian M. Böhnke von der Personaldienstberatung „Hunting/Her“. Er betonte, dass Frauen sich bei Gehaltsverhandlungen zu oft „unter Wert verkaufen“. Dies betreffe vor allem Führungspositionen.
Anja Weusthoff vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), die Rechtswissenschaftlerin Heide Pfarr, die Wissenschaftlerin Karin Tondorf und Gisela Ludewig vom Deutschen Juristinnenbund unterstützten hingegen die Gesetzesinitiative der SPD und den Antrag der Grünen. Sie argumentierten, dass trotz aller Zusagen der Wirtschaft die Entgeltunterschiede seit Jahrzehnten unverändert hoch seien. Es sei deshalb an der Zeit, gesetzliche Schritte einzuleiten. Das Gesetz ändere nichts materiell an bestehenden Gesetzen, die eine Lohndiskriminierung von Frauen verbiete, sagte Pfarr. Das Entgeltgleichheitsgesetz könne jedoch zum einen dazu beitragen, diesen Grundsatz mehr Durchsetzungsmöglichkeiten zu verschaffen. Zum anderen könne es auch das gesellschaftliche und betriebliche Klima ändern, wenn über das Problem öffentlich gesprochen werde. Weusthoff, Tondorf und Pfarr sprachen sich zwar auch für verbesserte Rahmenbedingungen für Frauen in der Arbeitswelt aus. Dies sei jedoch kein Argument gegen weitere gesetzliche Vorgaben. Es müsse beides umgesetzt werden. Die Wissenschaftlerin Mari Teigen vom Institut für Sozialforschung der Universität Oslo verwies auf entsprechende positive Entwicklungen in Norwegen in den letzten Jahrzehnten.
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