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Berlin: (hib/pst) Der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann hat vor dem 2. Untersuchungsausschuss die Aussage verweigert. Er begründete dies mit einem Ermittlungsverfahren gegen ihn. In der Sitzung am Donnerstag unter Leitung von Eva Högl (SPD) hatte zuvor ein weiterer Zeuge Hartmann belastet. Christian Noll, Anwalt des wegen Kinderporno-Verdachts angeklagten ehemaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy, lieferte den Abgeordneten Anhaltspunkte dafür, dass die von seinem Mandanten dem Ausschuss vorgetragene Darstellung der Geschehnisse zutrifft und nicht die Hartmanns.
Am 18. Dezember hatte Edathy dem Ausschuss erklärt, er sei im November 2013 durch Hartmann vor Kinderporno-Ermittlungen gewarnt und dann mehrfach über den Fortgang des Verfahrens unterrichtet worden. Als seinen Informanten habe Hartmann den Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, genannt. Hartmann hatte anschließend dies und weitere Einzelheiten aus Edathys Aussage entschieden zurückgewiesen. Er habe zwar in der fraglichen Zeit oft mit Edathy gesprochen, aber allein aus Sorge über dessen gesundheitlichen und psychischen Zustand. Informationen über ein Ermittlungsverfahren habe er nicht weitergegeben und auch gar nicht gehabt. An diesem Donnerstag sollte Hartmann nun erneut aussagen.
Zwischenzeitlich haben mehrere Zeugen aus Edathys beruflichem und privatem Umfeld ausgesagt, schon Ende 2013 habe Edathy ihnen vieles von dem gesagt, was er dann auch vor dem Untersuchungsausschuss ausführte. Dies passte schlecht zu Hartmanns Anschuldigung, Edathy habe sich all das nachträglich ausgedacht. Auch Edathys Anwalt Christian Noll stützte nun dessen Aussage. Edathy hatte ihn von seiner Schweigepflicht befreit, sofern es den Untersuchungsgegenstand des Ausschusses und nicht das Ende Februar anstehende Strafverfahren gegen ihn betrifft.
Noll sagte aus, Edathy habe ihm bei der ersten Begegnung am 27. November 2013 mitgeteilt, er habe vor Jahren bei einer kanadischen Firma, die mittlerweile Gegenstand von Kinderporno-Ermittlungen sei, Filme bestellt. Dabei habe es sich um „rechtlich nicht zu beanstandendes“ Material gehandelt. Sein Fraktionskollegen Michael Hartmann habe ihn aber informiert, dass das Bundeskriminalamt eine Akte über ihn angelegt habe, die über die fachlich zuständige Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft in Gießen an die örtlich zuständige Generalstaatsanwaltschaft in Celle weitergeleitet worden sei. Edathy habe ihm weiterhin gesagt, dass Hartmann diese Informationen aus der BKA-Spitze habe und eine „ganze Reihe von Personen“ Bescheid wisse, darunter führende SPD-Politiker.
Noll stellte daraufhin Erkundigungen bei Ermittlungsbehörden in Niedersachsen und Berlin an. Dies war auch schon Thema im Innenausschusses im ersten Halbjahr 2014 sowie danach im Untersuchungsausschuss gewesen, wobei zeitliche Zusammenhänge zwischen einzelnen dieser Anfragen und Daten, zu denen das Bundeskriminalamt bestimmte Informationen erhalten hatte, aufgefallen waren. Dass es hier auch einen sachlichen Zusammenhang gibt, konnte Noll allerdings nicht bestätigten.
Verwundert zeigte sich Noll darüber, dass die Staatsanwaltschaft Hannover noch im Dezember jede Kenntnis eines Vorgangs Edathy geleugnet habe, obwohl sie, wie man inzwischen weiß, bereits seit 5. November im Besitz der Akte war. Am 17. Dezember habe ihm Edathy berichtet, dass Hartmann BKA-Chef Ziercke als seine Quelle genannt habe.
Am 20. Dezember habe dann der zuständige Oberstaatsanwalt Thomas Klinge die Existenz einer Akte Edathy eingeräumt. Sie liege in seinem Zimmer, und da er in Urlaub gehe, werde „erst mal nichts passieren“. Sie hätten ein Treffen am 22. Januar in Hannover vereinbart, sagte Noll aus. Bei diesem Termin sei Klinge aber zurückgerudert und habe erklärt, er kenne die Akte nicht. Das Treffen sei „ein Schauspiel erster Güte“ gewesen. Noll begründete die Versuche der Kontaktaufnahme mit Ermittlungsbehörden damit, Edathy habe eine Bearbeitung der Vorwürfe ohne öffentliches Aufsehen angestrebt und eine umfangreiche Kooperation mit den Ermittlern angeboten. Diese seien aber darauf nicht eingegangen.
Am 29. oder 30. Januar 2014 habe er dann im Spanienurlaub eine SMS von Edathy erhalten, derzufolge Hartmann von Ziercke den Hinweis erhalten habe, dass es nun ernst werde. Am 28. Januar hatte die Staatsanwaltschaft Hannover offiziell ein Verfahren gegen Edathy registriert. Noll sagte aus, er habe aufgrund der SMS Edathy angerufen und dieser habe ausgeführt, die Ermittler wollten der Information zufolge „alle Register ziehen“, also seine Abgeordneten-Immunität aufheben lassen und Durchsuchungen anordnen. Wenig später habe sich Edathy zum Mandatsverzicht entschieden, in der Hoffnung, so öffentliches Aufsehen zu vermeiden.
Für Verwunderung im Ausschuss sorgte die Aussage Nolls, Edathy habe von Hartmann erfahren, dass im gleichen Verfahren auch ein Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes in Verdacht geraten sei. Diese Tatsache dürfte zu diesem Zeitpunkt nur Wenigen bekannt gewesen sein und wird von manchen als Bestätigung dafür gesehen, dass die Informationen aus dem BKA stammten. Der fragliche Mitarbeiter spielte später in der parlamentarischen Aufarbeitung als „Beamter X“ eine Rolle.
Kurz vor Ende der Vernehmung Nolls erhielt der Untersuchungsausschuss ein Fax des Rechtsanwalts von Michael Hartmann, wonach dieser von einem Recht auf umfassende Auskunftsverweigerung Gebrauch machen werde. Er begründete dies mit zwei Schreiben der Staatsanwaltschaften Berlin und Hannover, in denen die Eröffnung eines Strafverfahrens wegen „Strafvereitelung zugunsten des Angeklagten Sebastian Edathy“ mitgeteilt wird. Der Anwalt begründet Hartmanns Entscheidung aber auch damit, dass „tragende Mitglieder dieses Ausschusses“ an der Sachaufklärung und Wahrheitsfindung „gänzlich uninteressiert“ seien. „Aus erkennbar politischen Motiven wird der Mandant als Lügner gebrandmarkt“, heißt es in dem Fax.
Auf Beschluss des Ausschusses musste Hartmann trotzdem erscheinen. Da er sich aber weigerte, die gestellten Fragen zu beantworten, teilte ihm die Ausschussvorsitzende Eva Högl mit, dass seine Aussage nach Ablauf der vorgeschriebenen zweiwöchigen Frist für abgeschlossen erklärt werde. Er habe dann auch keine Möglichkeit mehr, mögliche Falschaussagen vom 18. Dezember zu heilen. Hartmanns Aussage werde dann, zusammen mit den Aussagen Edathys und der seitdem gehörten Zeugen, der Staatsanwaltschaft zur Überprüfung auf eventuelle uneidliche Falschaussagen übergeben.
Anschließend beschloss der 2. Untersuchungsausschuss in nichtöffentlicher Sitzung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, bei der Zeugenvernehmung dort fortzufahren, wo sie wegen der Einlassungen Edathys und Hartmanns vor Weihnachten unterbrochen worden waren. Ende Februar sollen deshalb drei Beamte des Bundeskriminalamtes vernommen werden, die mit dem Fall des „Beamten X“ befasst waren. Der Antrag der Oppositionsvertreter, mit Zeugen aus der politischen Führungsebene fortzufahren, fand keine Mehrheit.
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