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Berlin: (hib/pst) Der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Klaus-Dieter Fritsche hat SPD-Chef Sigmar Gabriel als vertrauenswürdige Person bezeichnet. Vor dem 2. Untersuchungsausschuss verteidigte er damit am Donnerstag indirekt seinen früheren Vorgesetzten Hans-Peter Friedrich (CSU). Dieser hatte am 17. Oktober 2013 am Rande der gerade laufenden Koalitionsverhandlungen Gabriel über den Kinderporno-Verdacht gegen den damaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy informiert. Friedrich hatte tags zuvor durch Fritsche davon erfahren. Er war damals Bundesinnenminister und Fritsche sein beamteter Staatssekretär.
Im Februar 2014 war Friedrich deshalb wegen Geheimnisverrats angeklagt worden und daraufhin von seinem neuen Amt als Bundesagrarminister zurückgetreten. Später wurde er wegen geringer Schuld freigesprochen. Eine Darstellung von Friedrichs Anwalt im damaligen Verfahren, Fritsche habe Friedrich geraten, Gabriel zu informieren, wies der Staatssekretär vor dem Ausschuss zurück. Nach seiner Erinnerung habe er Friedrich keinen solchen Rat gegeben. Vielmehr habe Friedrich ihn erst nachträglich angerufen und ihm mitgeteilt, er habe „Gabriel kurz und vertraulich unterrichtet“.
Er selbst habe nichts dazu gesagt und sich auch weiter keine Gedanken darüber gemacht, erklärte Fritsche auf Nachfrage. Er führte aber aus, dass zwar nach dem Wortlaut des Gesetzes Dienstgeheimnisse nur an dienstlich zuständige Personen weitergegeben werden dürften, die juristische Literatur aber auch die Weitergabe an vertrauenswürdige Personen als durch das Gesetz gedeckt ansehe. Die Tatsache, dass Gabriel die Information über den Verdacht gegen Edathy umgehend an weitere Personen der SPD-Spitze weitergegeben hatte, wollte Fritsche nicht bewerten. Dass er mit Friedrich nicht weiter über die Sache gesprochen habe, führte Fritsche darauf zurück, dass dieser damals wegen der Koalitionsverhandlungen kaum im Haus gewesen sei. Außerdem sei „für mich als Innen-Staatssekretär die Sache damit erledigt“ gewesen, dass er seinen Chef informiert hatte. Sobald das seinem Haus unterstehende Bundeskriminalamt den Fall abgegeben hatte, sei die weitere Ermittlung Sache der Landes-Justizbehörden gewesen.
Fritsche gab an, am 16. Oktober 2013 durch einen Anruf des damaligen Präsidenten des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, vom Verdacht gegen Edathy erfahren zu haben. Dies deckt sich mit der Aussage Zierckes vor dem Untersuchungsausschuss. Er habe die Information umgehend seinem Minister weitergemeldet. Tags zuvor hatte im Rahmen der Identitätsprüfung zahlreicher Verdächtiger in einem Kinderporno-Großverfahren ein Polizist im niedersächsischen Nienburg bemerkt, dass es sich bei einem Sebastian Edathy auf der Liste um den örtlichen Bundestagsabgeordneten handelte. Außer mit Friedrich habe er nur mit seinem Büroleiter sowie mit dem Leiter des Leitungsstabs im Ministerbüro über den Fall gesprochen. Ein weiterer Mitarbeiter habe im Dezember beim Packen für seinen Umzug ins Kanzleramt ein Schriftstück über den Vorgang gesehen. Ansonsten habe er nur einmal im Dezember mit dem dem damaligen BKA-Vizepräsidenten Jürgen Stock über die Sache Edathy gesprochen, sagte Fritsche aus.
Zuvor war es im 2. Untersuchungsausschuss bei der Vernehmung von zwei Staatsanwälten aus Hannover vor allem um die Frage gegangen, warum es vom ersten Verdacht am 15. Oktober 2013 bis zur Hausdurchsuchung am 10. Februar 2014 so lange gedauert hatte. Oberstaatsanwalt Thomas Klinge und sein Vorgesetzter, Leitender Oberstaatsanwalt Jörg Fröhlich, gaben übereinstimmend an, erst am 5. November 2013 von der Generalstaatsanwaltschaft in Celle die Akte Edathy erhalten zu haben, die vom BKA und der bundesweit koordinierenden Staatsanwaltschaft für Internet-Kriminalität im hessischen Gießen angelegt worden war.
Nach einer ersten Auswertung hätten sie dann am 8. November in Celle mit Generalstaatsanwalt Frank Lüttig und zwei weiteren Mitarbeitern der Generalstaatsanwaltschaft das weitere Vorgehen beraten. Dabei sei kontrovers darüber diskutiert worden, ob überhaupt ein Anfangsverdacht gegen Edathy vorliegt. Denn in dem Großverfahren gegen Kunden eines kanadischen Kinderporno-Anbieters war das BKA zu dem Ergebnis gekommen, dass das Bildmaterial, das Edathy dort Jahre zuvor bestellt hatte, nicht als strafbar einzustufen sei. Die kriminalistische Erfahrung, dass jemand, der solche Bilder bestellt, auch strafbares Material hat, sei dieser Runde nicht als ausreichend für die Feststellung eines Anfangsverdachts erschienen, berichteten Klinge und Fröhlich. Es sei festgestellt worden, dass verschiedene Staatsanwaltschaften in Deutschland diese Frage unterschiedlich bewerteten. Um eine bessere Entscheidungsgrundlage zu haben, habe man sich entschieden, die Akten zu allen niedersächsischen Fällen in dem Großverfahren anzufordern. Diese seien aber erst nach mehrfacher Aufforderung am 20. Dezember eingetroffen.
Wegen eines anschließenden Urlaubs habe er diese Akten erst ab Mitte Januar auswerten können, gab Klinge an. In der Zwischenzeit habe der Anwalt Edathys, Christian Noll, mehrfach gefragt, ob gegen seinen Mandanten ermittelt wird. Aus der Art dieser Anfragen habe sich immer mehr der Eindruck ergeben, dass Edathy etwas weiß. Man habe deshalb den Anfangsverdacht noch sorgfältiger begründen müssen, um nicht Vorwürfen ausgesetzt zu sein, falls sich bei einer Durchsuchung nichts Belastendes mehr finden lässt. Bei einer weiteren Besprechung in Celle am 28. Januar sei man dann zu der Einschätzung gelangt, man habe genügend Argumente, um die Aufhebung der Abgeordneten-Immunität zu beantragen und Durchsuchungen durchzuführen. Der Antrag sei am 6. Februar an den Bundestagspräsidenten abgeschickt worden. Doch noch vor einer Antwort sei der Mandatsverzicht Edathys bekannt geworden. Daraufhin habe man umgehend am 10. Februar seine Wohn- und Büroräume durchsucht.
Fröhlich beklagte sich vor dem Ausschuss, die Ermittler in Hannover hätten sich „künstlich dumm gehalten“ gefühlt. Niemand habe sie informiert, welch großer Personenkreis in Behörden und Politik schon zu dem Zeitpunkt, als sie die Akten erhalten hatten, schon von dem Verdacht gegen Edathy gewusst habe. Klinge und er hätten ohne „Informationen über die äußeren Rahmenbedingungen“ Entscheidungen treffen müssen.
Ursprünglich sollte in derselben Sitzung auch Generalstaatsanwalt Frank Lüttig aus Celle vernommen werden, der sich aber krankgemeldet hat. Lüttig soll nun in der nächsten Sitzungswoche am 11. Juni aussagen, zusammen mit der niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz, der 1. Parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion Christine Lambrecht und dem Büroleiter des SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann, Heiner Staschen. Bereits tags zuvor, am 10. Juni, will der 2. Untersuchungsausschuss Bundesinnenminister Thomas de Maizière vernehmen.
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