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15. Wahlperiode
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   30. Sitzung

   Berlin, Freitag, den 31. März 2006

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Die Sitzung ist eröffnet.

   Ich begrüße Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag und uns weiterhin gute Beratungen.

   Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Sie gerne von einer Stellungnahme des Ältestenrates unterrichten, der sich gestern mit der seit zwei Wochen andauernden Berichterstattung einer großen Zeitung über die Vorbereitung des gesetzlich vom Präsidenten geforderten Berichts über die Anpassung der Diäten beschäftigt hat. Er hat eine von allen Fraktionen gemeinsam getragene Stellungnahme verabschiedet, die unter anderem deutlich macht, dass der Ältestenrat die öffentliche Auseinandersetzung und Begleitung der Debatte über verschiedene Lösungsmöglichkeiten ausdrücklich für erwünscht hält. Die Stellungnahme beginnt mit dem Satz:

Der Ältestenrat weist gegen den Präsidenten des Deutschen Bundestages in der Frage der Diätenanpassung öffentlich geführte Angriffe zurück.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie sind im Ton verletzend und sachlich unbegründet.

   Da die betroffene Zeitung heute aus dieser Stellungnahme des Ältestenrates die Mitteilung macht, der Ältestenrat begrüße die öffentliche Debatte, dachte ich, es wäre sowohl zur Information der Öffentlichkeit wie zur Urteilsbildung des Hauses angemessen, auf den vollständigen Zusammenhang hinzuweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir nun die Beratungen wieder aufnehmen, haben wir einen Geschäftsordnungsantrag zu behandeln. Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hat fristgerecht beantragt, die heutige Tagesordnung um die Beratung ihrer Anträge zur Kontrolle der Geheimdienste auf Drucksache 16/843 und zur Befragung von Gefolterten auf Drucksache 16/836 zu erweitern. Die Anträge sollen verbunden mit Tagesordnungspunkt 2 - Einsetzung eines Untersuchungsausschusses - beraten werden.

   Zu diesem Geschäftsordnungsantrag erteile ich das Wort dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen, Volker Beck.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben im Dezember letzten Jahres und Januar dieses Jahres eine relativ beispielslose Aufklärungsoffensive erlebt und wir meinen, dass zusätzlich zu den vielen Punkten, die schon aufgeklärt sind, eine Debatte über weitere Aufklärung und über die Konsequenzen aus den Vorgängen, über die wir im Dezember und Januar diskutiert haben, geführt werden muss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb beantragen wir, einen Antrag zum Thema „Befragung von Gefolterten und Nutzung von Foltererkenntnissen ausschließen“ und einen Antrag zum Thema „Für eine wirksamere Kontrolle der Geheimdienste“ aufzusetzen.

   Die Vernehmung von Gefangenen im Ausland im Rahmen des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus, die Aktivitäten von BND-Mitarbeitern in Bagdad und die Entführung eines deutschen Staatsbürgers durch die Amerikaner haben wir im Dezember und Januar aufzuklären versucht. Wir wären zufrieden, wenn das vollständig gelungen wäre. Aber bei einigen Fragen hat die Regierung gemauert. Deshalb haben wir gesagt, dass wir einen Untersuchungsausschuss brauchen. Auch wenn bereits 80 bis 90 Prozent der Fragen geklärt sind, müssen die 10 bis 20 Prozent offenen Fragen ebenfalls aufgeklärt werden. Hier dürfen keine Fragen offen bleiben, die zu klären sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Die Konsequenzen hieraus für eine rechtsstaatliche Bekämpfung des internationalen Terrorismus müssen jetzt gezogen werden.

   Wir wissen, dass Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des Bundesnachrichtendienstes und des Bundeskriminalamtes Zamar in einem Foltergefängnis in Syrien vernommen haben. Wir wissen, dass der so genannte Bremer Taliban von Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes im Gefangenenlager in Guantanamo, das wir alle angeblich ablehnen, verhört wurde. Wir wissen, dass das BKA im Libanon Menschen vernommen hat, die aufgrund eines Hinweises deutscher Stellen festgenommen worden waren und später angaben, dort im Gefängnis gefoltert worden zu sein. Wir wissen, dass der Bundestag von bestimmten Vorgängen nicht von der Bundesregierung, sondern aus der Presse erfahren hat. Wir wissen, dass die Kontrolle der Geheimdienste durch die Gremien unseres Parlaments unzureichend ist.

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Fragen Sie doch mal Ihren Fraktionskollegen Fischer! Der kann Ihnen das alles ganz genau erzählen!)

   Sollen wir etwa erst Monate oder - manche wünschen sich das - vielleicht sogar Jahre, nachdem der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses vorliegt, die Konsequenzen ziehen? Wir sagen: Nein. Wir wollen, dass der Bundestag parallel zur Einsetzung des Ausschusses mit der Debatte darüber beginnt, welche Konsequenzen wir aus den Vorgängen zu ziehen haben. Wir wollen die rechtstaatliche Bekämpfung des internationalen Terrorismus heute auf die Tagesordnung setzen. Denn wenn es um Rechtstaatlichkeit geht, darf es keinen Kompromiss geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Was gilt eigentlich für die Beamten? Der Bundesinnenminister, der gerade nicht anwesend ist, sagt: Bei der Zusammenarbeit der Geheimdienste und bei der Erkenntnisgewinnung müssen wir alle Informationen, die wir bekommen können - selbst durch Verhöre in Guantanamo -, nutzen und sie uns besorgen.

(Jörg van Essen (FDP): Herr Präsident, meinen Sie wirklich, das betrifft noch die Geschäftsordnung? Das tut es nicht!)

Die Bundesjustizministerin sagt: Wir wollen ein Beweisverwertungs- und Beweiserhebungsverbot, wenn der Verdacht besteht, dass Informationen durch Folter gewonnen wurden. Diese Meinung teilen wir.

   Aber was gilt? Die Frage, welche Auffassung für die internationale Geheimdienstzusammenarbeit gilt, müssen wir klären.

(Jörg van Essen (FDP): Das ist doch nun wirklich nicht zur Geschäftsordnung! - Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Sie sind sehr großzügig, Herr Präsident!)

   Wir Grüne sagen Ja zur internationalen Zusammenarbeit der Geheimdienste. Wir sagen aber ganz klar Nein zu einem Überschreiten der roten Linie. Es darf kein augenzwinkerndes Akzeptieren von Folter und menschenrechtsverletzenden Vorgängen geben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Kollege Beck, denken Sie gelegentlich daran, dass Sie einen Geschäftsordnungsantrag begründen wollten.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Deshalb meinen wir, dass wir darüber in der Debatte über den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sprechen müssen. Denn es muss beides geschehen: sowohl Aufklärung als auch die Diskussion über die Konsequenzen und die Verantwortlichkeiten. Damit können wir heute beginnen.

   Vielen Dank, Herr Präsident.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat der Kollege Jörg van Essen für die FDP-Fraktion.

Jörg van Essen (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss Sie leider korrigieren, Herr Präsident: Ich rede für alle anderen Fraktionen dieses Hauses und beantrage in ihrem Namen, dem Geschäftsordnungsantrag der Grünen nicht zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD - Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Auch alle anderen Fraktionen halten die Fragen, die in den letzten Wochen und Monaten aufgetaucht sind - beispielsweise zu den Vernehmungen in Guantanamo oder Syrien -, für diskussionswürdig. Aber wir sind der Auffassung, dass über diese Fragen parallel und nicht in der heutigen Debatte über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses diskutiert werden muss. Für diesen Tagesordnungspunkt sind heute Nachmittag 45 Minuten angesetzt.

   Jeder weiß, dass es unterschiedliche Auffassungen dazu gibt, wie der Auftrag des Untersuchungsausschusses im Einzelnen formuliert werden soll. Deshalb muss heute genau dieses Thema im Mittelpunkt stehen.

   Im Übrigen steht im Auftrag des Untersuchungsausschusses auch, dass wir aus den Geschehnissen Lehren für die Zukunft ziehen sollen. All das, was Sie, Herr Beck, angemahnt haben, soll auch nach dem ausdrücklichen Willen aller anderen Fraktionen geschehen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Deshalb besteht zu den Klagen, die Sie geführt haben, überhaupt kein Anlass.

   Wie schwach Ihre Argumente in dieser Geschäftsordnungsdebatte waren, zeigte sich auch daran, dass Sie kaum etwas zur Geschäftsordnung gesagt haben.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Richtig!)

Sie haben eine inhaltliche Debatte geführt. Diese inhaltliche Debatte, die wir gar nicht verhindern wollen, wird heute Nachmittag stattfinden. Daran wird deutlich, dass der Antrag, den Sie eingebracht haben, ausschließlich ein Showantrag ist.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

   Die Peinlichkeit Ihrer Vorwürfe zeigt sich auch darin, dass Sie die Punkte, die Sie angesprochen haben, jederzeit eigenständig auf die Tagesordnung hätten setzen können - das ist das Recht jeder Fraktion -,

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Ganz genau! So ist es!)

wenn Sie daran interessiert sind, sofort mit der Diskussion zu beginnen. Das haben Sie aber nicht getan.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben das für diese Woche durchsetzen wollen!)

Deswegen können Sie nicht erwarten, dass die anderen Fraktionen des Deutschen Bundestages Ihrem Antrag zustimmen.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für den Aufsetzungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Zweite war ganz offenkundig die Mehrheit. Damit ist der Aufsetzungsantrag abgelehnt.

   Wir setzen nun die Haushaltsberatungen - Tagesordnungspunkt 1 - fort:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2006
(Haushaltsgesetz 2006)

- Drucksache 16/750 -

Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Finanzplan des Bundes 2005 bis 2009

- Drucksache 16/751 -

Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

   Ich darf daran erinnern, dass wir am Dienstag für die heutige Aussprache eine Debattenzeit von insgesamt vier Stunden vereinbart haben.

   Wir beginnen die heutigen Haushaltsberatungen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Einzelplan 09.

   Es wäre schön, wenn diejenigen, die nicht an dieser Debatte teilnehmen können, bitte zügig den Plenarsaal verlassen würden.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Bei der Wirtschaftsdebatte gehen die Grünen!)

   Für die Bundesregierung hat das Wort der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Michael Glos.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie tragen wir dazu bei, die Zukunft unseres Landes zu sichern. Dieser Haushalt hat in diesem Jahr - bereinigt, um die Rückübertragung des Bereichs Arbeit - ein um 1,1 Milliarden Euro größeres Volumen, und das in erster Linie deswegen, um Forschung und Technologie stärker zu fördern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

   Für uns sind wichtige Kernbereiche die Förderung der innovativen Kräfte im Mittelstand, die Innovationsförderung bei der Industrie und vor allen Dingen der Ausbau der Energieförderung. Das halte ich in der Zukunft für ganz besonders wichtig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

   Wir haben das Ziel, dass die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis zum Jahr 2010 mindestens 3 Prozent unseres Bruttosozialproduktes ausmachen. Dazu brauchen wir die Mithilfe der Wirtschaft. Um das Ziel zu erreichen, muss 1 Euro aus den öffentlichen Kassen zusätzlich 2 Euro aus privaten Kassen mobilisieren.

   Ich war kürzlich zusammen mit Kolleginnen und Kollegen in Japan, um zu lernen, was andere Länder tun. Die Japaner haben ihre Rezession nicht zuletzt dadurch überwunden, dass sie sehr viel in neue Technologien und vor allen Dingen in Forschung investiert haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn wir international mithalten wollen, dann müssen wir diesen Wettlauf aufnehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ziel ist dabei, die gesamte Innovationskette von der Forschung über die Anwendungsreife bis hin zur Markteinführung sinnvoll in eine Hightechstrategie einzugliedern.

   Voraussetzung dafür ist aber, dass wir eine zukunftsgerichtete und sichere Energieversorgung haben; denn Energie ist der Lebenssaft der Wirtschaft. Frau Bundeskanzlerin, ich bin sehr dankbar, dass am Montag ein Energiegipfel stattfinden wird. Auf ihm werden alle Probleme auf den Tisch gelegt. Er ist eine erste wichtige Diskussionsrunde.

   Gestern wurde eine McKinsey-Studie veröffentlicht. In dieser wird uns empfohlen, die Energieversorgung in Deutschland und in Europa auf eine breitere Basis zu stellen und aufzupassen, dass wir nicht immer stärker abhängig werden, zum Beispiel von der Erdgasversorgung aus Russland. Wir wissen ja, mit Erdgas aus Russland lässt sich viel Geld verdienen. Nicht nur die betreffende Industrie verdient so ihr Geld, sondern auch andere verdienen ein paar Euro hinzu. Ich bin kein Neidhammel.

(Ute Kumpf (SPD): Ein bisschen neidisch sind Sie schon!)

Ich gönne das den anderen. Ich will damit nur sagen, wir müssen zusehen, dass der Anteil von Öl und Gas an der gesamten Energiekette nicht ständig steigt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen werden wir einen breiten Energiemix diskutieren. Dazu gehören selbstverständlich - Herr Kuhn, da müssen Sie gar nicht so skeptisch schauen - die erneuerbaren Energien.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ich bin der Meinung, dass in der Diskussion die gesamte Bandbreite einer sicheren Energieversorgung zur Sprache kommen muss. Wenn wir das nicht tun würden, dann würde das von der Wirtschaft kommen. Ich finde, wir sollten nicht gegenseitig irgendwelche ideologischen Barrieren aufbauen,

(Beifall des Abg. Jörg Tauss (SPD) - Ulrike Flach (FDP): Sehr richtig! Ich glaube, das war jetzt intern gemeint!)

nämlich hinsichtlich der Anwendung und des Ausbaus bestimmter Energieformen, vor allem jener, die CO2-frei sind, sondern das tun, was auch andere große Industrieländer tun.

(Dr. Rainer Wend (SPD): Das Wort „Kernenergie“ ist noch nicht gefallen!)

- Dieses Wort ist noch nicht gefallen. Deswegen bin ich dankbar für den Zwischenruf, mit dem die SPD das Wort „Kernenergie“ in die Debatte eingeführt hat.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich finde, die Dinge liegen auf dem Tisch.

   Jetzt einmal ganz ernsthaft. Im Hinblick auf die Energiepreise sind die Grenzen der Belastbarkeit zum Teil überschritten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die energieintensive Industrie wandert zum Teil ab.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Machen Sie mehr Wettbewerb!)

Wenn im Nachbarland etwas produziert und die Energie dort nicht so umweltfreundlich wie bei uns erzeugt wird, dann belastet das die Umwelt noch sehr viel stärker.

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann müssen Sie mal für Effizienzsteigerungen sorgen!)

   Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir reden und erwarten viel vom Anspringen des privaten Konsums. Nun gibt es verschiedene Ursachen, warum das so war.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie wollen die Mehrwertsteuer erhöhen!)

Es gab viel Kaufkraftzurückhaltung. Man hat sich natürlich unter anderem gefragt, wie es mit der Altersversorgung weitergeht, wie es einmal mit der Gesundheitsversorgung aussieht und wie es in unserem Land mit der Arbeitslosigkeit weitergeht. Es kam sicherlich zu einem Angstsparen; aber es gibt natürlich auch breite Verbraucherschichten, denen es an der Kaufkraft fehlt.

   Das Geld, das man für Öl und Gas bzw. für die Heizung und den Strom ausgeben muss, kann man nicht anderweitig in den privaten Konsum geben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Deswegen müssen wir auch aufpassen, dass wir den Wirtschaftsaufschwung nicht dadurch behindern, dass wir zuschauen, wenn die Preise immer stärker steigen.

   Ich bin der Meinung, dass dazu natürlich mehr Angebot gehört. Deswegen fordere ich vor allen Dingen die großen Stromerzeuger auf, endlich mit den angekündigten Investitionen in den Kraftwerkspark zu beginnen. Das haben sie bereits meinem Vorgänger Herrn Clement schriftlich versprochen. Die ersten neuen großen Kraftwerke könnten sich schon im Bau befinden. Ein Markt entspannt sich nur, wenn mehr Angebot in den Markt kommt.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Sehr richtig!)

Deswegen brauchen wir mehr Stromerzeugung in Deutschland. Das ist meiner Ansicht nach die wirksamste Form, um den Strommarkt wieder liquider zu machen und dadurch zu niedrigeren Preisen zu kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

   Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen natürlich auch die Strukturen verändern, wenn wir wollen, dass der Aufschwung auch in das etwas schwierigere Jahr 2007 hineingetragen wird.

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Wasserkraft!)

Wir haben uns ja bekanntlich vorgenommen, die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte 2007 noch stärker anzugehen, als das im Jahr 2006 der Fall ist.

   Herr Kuhn, wir müssen natürlich die hohen Lohnzusatzkosten begrenzen. Erste Schritte werden durch die Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung getan. Es kommt auch dem Mittelstand zugute, wenn die Lohnzusatzkosten nicht ständig weiter steigen.

   Auch bei der Gesundheitsreform müssen wir natürlich schauen, dass es zu einer Begrenzung der Lohnnebenkosten kommt. Das geht nur durch mehr Wirtschaftlichkeit im gesamten System der Gesundheitsversorgung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Ich meine, die Anreize zur Kosteneinsparung müssen wettbewerbsorientiert sein. Wir wollen den Wachstumsprozess auch dadurch beschleunigen, dass wir zum 1. Januar 2008 eine Unternehmensteuerreform in Kraft setzen, durch die vor allen Dingen eine Rechtsformneutralität bei der Besteuerung der mittelständischen Personenunternehmen, der inhabergeführten Unternehmen und der Kapitalgesellschaften erreicht wird.

(Beifall des Abg. Hartmut Koschyk (CDU/CSU) sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Wir wollen, dass der Mittelstand profitiert.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD - Gudrun Kopp (FDP): Warum erst 2008?)

Dazu gehört auch, dass wir die Erbschaftsteuer- und die Schenkungsteuerlast im gewerblichen Bereich verringern.

Es macht keinen Sinn, wenn wegen der Erbschaftsteuer Unternehmen verkauft werden müssen, wo es doch manchen Käufern nur um die Marktzugangskanäle und das Know-how geht. Bei mittelständischen Familienunternehmen, überhaupt bei familiengeführten Unternehmen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es bei uns im Land bleibt, sehr viel höher.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Deswegen hat sich die Koalition entschlossen, diesem Punkt in ihrem Programm Rechnung zu tragen. Das ist keine Begünstigung von Reichen; denn das geht in der Art und Weise vor sich, dass für jedes Jahr, in dem das Unternehmen weitergeführt wird, die zu zahlende Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer um 10 Prozent reduziert wird. Wenn Betriebsvermögen ins Privatvermögen übertragen wird, dann muss dies ohnedies versteuert werden. Daher sollten wir diese Dinge zügig angehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Ich möchte diese Debatte als Gelegenheit nutzen, mich ganz herzlich insbesondere bei den kleineren Unternehmen zu bedanken. Vor allen Dingen das Handwerk stellt 80 Prozent der Ausbildungsplätze zur Verfügung. Der Ausbildungspakt ist im letzten Jahr ein Erfolg gewesen. Wir möchten, dass er auch in diesem Jahr Erfolge zeigt. Das sind wir den jungen Menschen schuldig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Die Zahl der Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen, wird eher noch ansteigen. In diesem Jahr wird mit einer Zahl von über 600 000 gerechnet. Wer heute nicht ausgebildet wird, steht morgen nicht als qualifizierte Arbeitskraft zur Verfügung. Wir wissen, dass sich diese Zahlen wieder ändern werden. Eine gute Ausbildung ist der beste Schutz gegen einen Fachkräftemangel in der Zukunft.

   Unsere Exportwirtschaft ist gut aufgestellt. Die Unternehmen haben Marktanteile hinzugewonnen. Ich finde es eine große Leistung, dass die deutsche Wirtschaft in diesem internationalen Konzert so gut mitspielt, obwohl so dynamische Konkurrenten wie China und Indien als große Player hinzugekommen sind. Deutschland hat seinen Anteil am Welthandel halten können.

   Diese Erfolge sind nicht selbstverständlich, sondern müssen immer wieder neu errungen werden. Deswegen möchten wir - dazu sind im Haushalt des Ministeriums für Wirtschaft und Technologie einige Instrumente vorgesehen - den mittelständischen Firmen bei der Eroberung neuer Märkte helfen. Außenhandelskammern, Auslandsmessen, Hermesdeckungen und Investitionsgarantien sind in diesem Zusammenhang die Stichworte. Unsere Außenwirtschaft sichert auch in Deutschland Arbeitsplätze. Allein die Hermesdeckungen für Exporte in Höhe von fast 20 Milliarden Euro sichern bei uns im Inland circa 200 000 Arbeitsplätze.

   Weil wir wollen, dass der freie Welthandel funktioniert und weil wir zu den Ländern gehören, die davon ganz stark profitieren, müssen wir erneut Anstrengungen unternehmen, damit die Doha-Runde der WTO-Konferenz zu einem Erfolg wird. Ein Scheitern muss verhindert werden. Wir sind natürlich sehr viel stärker für multilaterale als für bilaterale Vereinbarungen. Das ist auch bei meinem Besuch in Asien deutlich geworden. Länder wie Singapur fordern uns als Europäische Union aber auf, bilaterale Vereinbarungen zu treffen, weil sie Angst haben, dass die Verhandlungen nicht vorankommen.

   Ich werde deswegen in der kommenden Woche noch einmal in die USA fliegen, um dort zu versuchen - die USA sind der Schlüssel zu den großen Schwellenländern -, neue Impulse in den Prozess hineinzubringen. Es wäre schlecht, wenn diese Verhandlungsrunde scheitern würde. Aber wir können es derzeit nicht ausschließen. Ich möchte nochmals sagen - da bin ich mir der Unterstützung dieses Hauses sicher -, dass Deutschland alles tut, um ein Scheitern zu verhindern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Die Stimmung bei allen am Wirtschaftskreislauf Beteiligten - das sind nicht nur die Unternehmen - ist sehr viel besser geworden. Der Ifo-Geschäftsklimaindex zeigt ein Hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr. Das hängt damit zusammen, dass einerseits verschiedene Zyklen auslaufen und andererseits das Vertrauen zurückkehrt. Es gibt jedoch keinen Grund, sich deswegen auf den vermeintlichen Lorbeeren auszuruhen. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen.

   Eine Aufgabe, die ich für besonders wichtig halte, ist der Kampf gegen die Bürokratie.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Beim Bürokratieabbau muss etwas geschehen. Das kann aber nicht allein durch die Ministerien geleistet werden.

   Ich habe unlängst über das Präsidium des BDI die Wirtschaft aufgefordert, Vorschläge vorzulegen, was im Unternehmensbereich konkret zu tun ist. Denn manchmal werden unsere Vorhaben von Unternehmensverbänden konterkariert, die dann beispielsweise darauf hinweisen, dass eine bestimmte Statistik unverzichtbar ist. Deswegen müssen wir es miteinander angehen, um erfolgreich zu sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

   Mein Ziel ist die Stärkung der Wachstumskräfte in unserem Land. Ohne Wachstum lassen sich die Probleme nicht lösen. Nur mit einem stärkeren Wirtschaftswachstum können wir erreichen, dass wieder mehr Menschen Arbeit haben. Das ist das vordringlichste Ziel. Darüber sind wir uns einig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nur mit mehr Wachstum können wir die öffentlichen Haushalte konsolidieren. Nur damit können wir den demografischen Herausforderungen in unseren Sozialsystemen begegnen.

   In der Diskussion habe ich noch etwas gelernt: Japan hat ähnliche demografische Probleme, wie sie sich bei uns abzeichnen. Es macht keinen Sinn, das Problem nur aus wirtschaftlicher Sicht zu bejammern. Ich will an dieser Stelle nicht auf neue familienpolitische Initiativen eingehen,

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wäre auch eine Drohung!)

aber der Bevölkerungsaufbau ist nun einmal problematisch.

   Sie haben den so genannten Silver Market angesprochen. Wir müssen den Markt so entwickeln, dass die kaufkräftigen älteren Menschen am Wirtschaftskreislauf beteiligt werden. Daraus ergeben sich ebenfalls Wachstumschancen. Auch mit diesem Thema sollte sich unsere Wirtschaft befassen.

   Jede Krise - auch jede vermeintliche Krise - birgt Chancen. Diese zu nutzen, ist unsere Aufgabe.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Die Zahlen sind bekannt. Wir rechnen mit einem Wachstum von 1,5 Prozent. Wenn die Zahl der Feiertage in diesem Jahr niedriger wäre, dann wäre es möglicherweise noch höher. Die Institute sind teilweise optimistischer. Die Zahlen des ersten Quartals sind witterungsbedingt nicht sehr gut. Aber eines ist besonders erfreulich: Die Zahl der Arbeitslosen ist - auch wenn sie insgesamt immer noch viel zu hoch ist - bedeutend niedriger als im letzten Jahr um diese Zeit.

   Ich meine, wir haben große Chancen in der Koalition. Lassen Sie uns diese Chancen nutzen!

   Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Rainer Brüderle für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP - Ludwig Stiegler (SPD): Mainz-Süd!)

Rainer Brüderle (FDP):

Mainz-Mitte!

   Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute Morgen hat sich wieder einmal das Sprichwort „Reisen bildet“ bestätigt.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Reisen Sie mal! Sollen wir Herrn Brüderle einen Reisegutschein schenken?)

Michael Glos - das ist der deutsche Wirtschaftsminister - erwartet, dass sich die Konjunktur belebt. Sein Ministerium begründet das mit den außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Herr Glos hat Recht: Es ist immer die Weltwirtschaft, die das geringe Wachstum in Deutschland treibt.

   Aber auch bei 5 Millionen Arbeitslosen - in Wahrheit, wenn sie ehrlich berechnet würden, sind es 6 Millionen bis 7 Millionen - besteht kein Grund, einen verfassungswidrigen Haushalt vorzulegen. Ich darf Herrn Glos aus der letzten Haushaltsdebatte zitieren. Er sagte an die alte Bundesregierung gerichtet wörtlich:

Sie sind ja nicht einmal mehr bereit, unsere Verfassung zu beachten, obwohl Ihnen Ihr Amtseid das vorschreibt.
(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das stimmt doch gar nicht!)

   Herr Glos hat weiter festgestellt:

Die Bundesregierung verspielt unser aller Zukunft.
(Lachen bei der SPD)

   Die Arbeitsmarktsituation erfordert eine zielstrebige Wirtschaftspolitik. Diese ist aber nicht erkennbar.

(Beifall bei der FDP - Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Das Letztere ist falsch!)

Mit Förderprogrammen wie Inno-Watt, Inno-Net, NEMO und Pro Inno können die Unternehmen, die den Verwaltungsaufwand nicht scheuen, etwas Geld mitnehmen; aber es bringt nicht die erforderliche Wende.

(Beifall bei der FDP)

   Vielleicht sollten Sie die Steinkohlesubventionen unter Inno-Strom firmieren lassen und das damit begründen, dass dies ein Stück weit Innovation und Mittelstandsförderung ist. Das Festhalten an den Steinkohlesubventionen führt zu keiner Konjunkturbelebung. Das Gleiche gilt auch für das so genannte Wachstumspaket. Es ist ja nett, dass ein Teil der Handwerkerrechnung und Kinderbetreuungskosten steuerlich abgesetzt werden können.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sie sind zynisch, Herr Brüderle!)

- Nein. Zynisch ist, bei 6 Millionen Arbeitslosen nichts zu tun. Sie sollten einmal in Ihren alten Haushaltsreden nachlesen, was Sie früher erklärt haben. Nun argumentieren Sie genau anders herum.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

   Diese Regierung der vereinigten Sozialdemokraten, rot und schwarz angestrichen, steht nur kraftvoll auf der Stelle, anstatt die Veränderungen vorzunehmen, die Sie früher gefordert haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

Mit Gebäudesanierungsprogrammen lösen Sie die Standortprobleme nicht.

(Zuruf des Abg. Hans Michelbach (CDU/CSU))

- Gut, ihr habt in Rheinland-Pfalz mehr als wir erreicht. Aber Helmut Kohl hatte 57 Prozent. Nun seid ihr gerade einmal über 30 Prozent. Eine solche Halbierung könnten wir uns nicht leisten.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP - Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Stimmt, dann seid ihr weg!)

   Unserer Wirtschaft, vor allem dem Mittelstand, auf den ständig Lobreden gehalten werden - so auch heute -, wenn man Ausbildungsplätze braucht, helfen Sie am besten, wenn Sie auf die geplante Mehrwertsteuererhöhung verzichten.

(Beifall bei der FDP)

Hilfreich wäre auch ein Bürokratieabbau, auf den Sie heute zu Recht hingewiesen haben. Es gibt ja keine Rede, in der dieser Abbau nicht propagiert wird. Aber es geschieht nichts. Noch nicht einmal die Novellierung des Gaststättengesetzes - die haben Sie angekündigt - wird angepackt; noch nicht einmal das „Frikadellenabitur“ schaffen Sie ab. Nichts tut sich, außer Ankündigungen. Das kennen wir schon von Herrn Clement. Er hat jede Woche einen bunten Luftballon durch den Bundestag getragen, aber am Schluss kam nichts heraus. Sie setzen offenbar die rot-grüne Politik konsequent fort.

(Beifall bei der FDP - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Herr Präsident, da vorne steht ein Dampfplauderer!)

   Man kann der Bundesregierung nur zurufen: Fürchtet euch nicht! Wir Liberale sind bei euch, wenn ihr etwas Vernünftiges macht. Also, nun mal ran!

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP - Lachen bei der CDU/CSU)

Aber das Gegenteil geschieht. Die Unternehmen müssen in diesem Jahr in einem komplizierten Verfahren dreizehnmal Sozialabgaben entrichten, was einen erheblichen Mehraufwand bedeutet. 20 Milliarden Euro Liquiditätsentzug in diesem Jahr und ein Konjunkturprogrämmchen mit einem Volumen von 5 Milliarden bis 6 Milliarden Euro, von Wärmedämmplatten bis Elterngeld. Das ist wahrlich eine Förderung des deutschen Mittelstands!

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Hurrapopulismus!)

   Herr Michelbach, Sie haben früher, als Sie noch Mittelstandssprecher der Union waren, tolle Äußerungen gemacht. Sie haben in Ihrer letzten Haushaltsrede gefordert, die Unternehmen müssten von Steuern entlastet werden; der Arbeitsmarkt müsse flexibilisiert werden; der Anstieg der Energiepreise müsse gestoppt und überflüssige Bürokratie abgebaut werden. Das alles haben Sie im letzten Jahr erklärt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie machen es nur nicht, Herr Michelbach. Ich glaube, Ihr Nachfolger wird es auch nicht machen.

(Beifall bei der FDP)

   Die Sozialabgaben für die Minijobs sollen um 20 Prozent erhöht werden. Das ist ganz offensichtlich ein Beitrag zur Senkung der Lohnnebenkosten. Es ist heutzutage ungeheuer kompliziert, eine Gehaltsabrechnung zu machen. Herr Glos, ich lade Sie zu einem Gehaltsabrechnungsnachmittag in Mainz ein. Dann schauen wir uns in einem Betrieb einmal an, was dort alles geleistet werden muss, um mit der Bürokratie klarzukommen. Hier besteht wirklich Reformbedarf. Aber ich sage Ihnen voraus: Sie werden wieder nur Trippelschrittchen gehen. Die Diskussion fängt ja schon wieder sehr verhalten an.

   Das Prinzip „Abwarten, bis sich die Wirtschaft erholt“, also Wartezimmer mit Schlafraum, wird nicht weiterhelfen. Die Konjunkturdaten werden missbraucht, um sich vor einer Reform zu drücken. Vor den vier Wahlen haben Sie nichts gemacht. Jetzt kommt vielleicht ein bisschen Gesundheitsreform. Aber hohe Erwartungen habe ich nicht. Ob Kündigungsschutz, betriebliche Bündnisse oder eine wettbewerbsfähige Unternehmensverfassung, nirgendwo erfolgt eine Reform. Sie beklagen zu Recht die hohen Energiepreise. Aber wer Eon noch mehr Marktmacht gibt, darf anschließend nicht klagen. Bei fast 90 Prozent Marktanteil müssen die Preise ja hoch sein.

(Beifall bei der FDP - Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Was denn jetzt? Sie sagen auf der einen Seite Privatisierung und auf der anderen Seite Regulierung!)

- Hören Sie zu, sonst verstehen Sie es nicht. Sie sehen nie etwas. Das liegt an Ihnen. Dagegen hilft auch keine Brille.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das ist eine Büttenrede, die Sie hier vortragen! - Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Ohne Inhalt! - Volker Kauder (CDU/CSU): Dabei ist Fastenzeit!)

   Sie sollten den Kündigungsschutz nicht Herrn Müntefering und den Atomausstieg nicht Herrn Gabriel überlassen. Das ist dieses Kartell von 70 Prozent, das nun Grau als Modefarbe und Unbeweglichkeit als Dynamik deklariert. Das zeigt einen erschreckend schnellen Prozess der Sozialdemokratisierung der Union.

Herr Westerwelle hat die gemeinsame Erklärung von CDU, CSU und FDP dargestellt. Alles, was Sie vor der Wahl erklärt haben,

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Kommen Sie einmal zu den Inhalten!)

haben Sie vergessen, nur damit Sie jetzt wieder einen Dienstwagen haben. Das kann die Lösung nicht sein.

(Beifall bei der FDP - Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Sie säßen auch gern im Dienstwagen! - Volker Kauder (CDU/CSU): In der Fastenzeit bitte mehr Ernsthaftigkeit!)

   Die beeindruckenden Exporterfolge muss man sich näher betrachten; das sage ich auch dem früheren mittelstandspolitischen Sprecher der Union. Der Schwerpunkt liegt beim Warenverkehr. Sie müssen aber sehen, dass wir bei den Dienstleistungen und der Hochtechnologie dramatisch an Stellenwert verlieren. Beim Dienstleistungsexport ist Deutschland nach den OECD-Zahlen Schlusslicht. Das ist kein Weg in die Zukunftsmärkte. Deshalb müssen hier andere Rahmenbedingungen gesetzt werden. Sie müssen den Mut haben, die Strukturen anzugehen und sie zu ändern. Mit kleinen Trippelschritten werden Sie es nicht hinbekommen.

   Sie müssen den Energiesektor angehen. Es ist doch ganz klar: Bei monopolistischen Strukturen im Energiesektor bekommen Sie dort auch monopolistische Preise. Das ist doch die Kernursache für die hohen Preise.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie müssten wieder einmal bei Ludwig Erhard und bei Walter Eucken nachlesen, was die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft sind. Wo sind denn Ihre Ansätze zur Unternehmensteuerreform?

   Bisher hat Herr Glos mit Ludwig Erhard nur gemein, dass beide aus Franken kommen. Aber vom Wirtschaftswunder ist noch nichts erkennbar, auch im weitesten Sinne nicht. Rühmen Sie sich auch nicht, Sie hätten den ersten Gang schon eingelegt. Sie stehen mit beiden Füßen auf der Bremse.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Ganz klar eine Büttenrede!)

Sie müssen endlich die Strukturen verändern. Unser Produktionspotenzial ist zu schwach; das kann man auch nicht durch ein bisschen Konjunkturprogramm ändern.

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Kommen Sie einmal zu den Inhalten!)

   Sie müssen eine Steuerreform machen, Sie müssen die Bürokratie wirklich abbauen, Sie müssen die Pflegeversicherung in Ordnung bringen, Sie müssen den Arbeitsmarkt zum Markt machen - damit die, die draußen stehen, auch eine Chance haben, hereinzukommen -, Sie müssen die Rente in Ordnung bringen. Alles das steht aus. Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag keine entsprechenden Regelungen aufgenommen - nicht, weil Sie keine Zeit hatten, sondern deshalb, weil Sie sich nicht einig sind. Das ist das Schlimme.

   Draußen in der Gesellschaft sehen Sie die Allergiereaktion: Verdi mit der Strategie rückwärts, Kampf um frühere Positionen. Statt moderner Tarifpolitik mit Erfolgsbeteiligung und Flexibilität gibt es eine Rückwärtsrolle, weil die Weichen politisch nicht gestellt werden. Wenn Sie mir nicht glauben, zitiere ich zum Schluss aus dem Konjunkturbericht des Bundesverbands der deutschen Banken von gestern, nach deren Ansicht die Bundesregierung diesen kleinen Aufschwung nur mit klaren Reformen ins kommende Jahr retten kann. Fangen Sie endlich an! Nehmen Sie die Füße von der Bremse. Bewegen Sie sich!

(Beifall bei der FDP - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Alaaf! Alaaf!)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Nächster Redner ist der Kollege Ludwig Stiegler für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Ludwig Stiegler (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Brüderle, das war kein leises Servus für Ihren Abschied von der Macht in Mainz. Ich mache mir große Sorgen um Sie. Sie verrennen sich, Sie versinken immer tiefer. Es nützt nichts, die Kassandra zu spielen. Das passt nicht zu Ihnen. Wer einmal Weinköniginnen geküsst hat, der kann nicht so depressiv werden, wie Sie hier geredet haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Herr Brüderle, ich würde mir einfach den Ifo-Konjunkturindex hinlegen und das Zimmer damit tapezieren lassen; dann wird jeder Morgen schon ein Aufschwungmorgen.

(Beifall des Abg. Klaus Uwe Benneter (SPD))

Oder wenn Sie es literarisch mögen: Ich würde mir den Emanuel Geibel besorgen - der passt gerade in diesen Monaten -:

Und dräut der Winter noch so sehr
Mit trotzigen Gebärden,
Und streut er Eis und Schnee umher,
Es muss doch Frühling werden.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir fahren jetzt einen Zug Optimismus. Eines der besten Dinge: Der Wirtschaftsminister spart bei der internationalen Werbung für unseren Standort unglaublich viel Geld, weil jetzt nicht mehr erst die eine Gruppe kommt und das Land schlecht macht und dann die andere Gruppe kommen muss, um das Image des Landes wieder aufzubauen. Gegen 80 Prozent Wohlmeinende haben Sie mit Pessimismus keine Chance.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Meine Damen und Herren, wir haben eine ganze Menge positive Dinge.

   Wenn man sich die Arbeitsmarktzahlen anschaut, dann kann man sagen: Wir sind noch nicht zufrieden. Das sind wir auch nicht. Der Horizont ist aber sichtbar. Die Arbeitsgemeinschaften und die kommunalen Träger sind handlungsfähig, die Arbeitsmarktpolitik ist da, das Programm für Handel und Handwerk funktioniert. Herr Brüderle, seit langer Zeit wirbt das deutsche Handwerk für ein Programm seiner Regierung und sagt, Leute, das ist eine Chance für uns. Also machen wir das doch nicht schlecht, sondern freuen wir uns, dass wir mit Handwerk und Mittelstand an die Lösung der Probleme gehen können!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Das heißt nicht, dass wir uns nicht auch mit den Managern auseinander setzen müssen. Peter Struck hat gestern einen gewissen Patriotismus der Manager eingefordert. Darüber haben sich manche aufgeregt. Ich sage es einmal juristischer: Dieser Patriotismus ist im Grunde der Gehorsam gegenüber dem Grundgesetz. Wer immer in Deutschland ein wirtschaftliches Eigentum erwirbt, erwirbt es mit der Hypothek der sozialen Verpflichtung des Eigentums, das auch dem Gemeinwohl zugute kommen soll.

(Beifall bei der SPD)

Das muss man den Managern sagen. Reiner Shareholdervalue steht nicht auf dem Boden des Grundgesetzes. Auch das muss man deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Mittelstand weiß das längst; er hat schon immer nach dem Motto „Leben und leben lassen“ und im Interesse der Mitarbeiter und der jeweiligen Region gehandelt. Wir müssen das auch denen sagen, die meinen, sie könnten als Finanzinvestoren aus der deutschen Wirtschaft einen Esel-streck-Dich machen. Das kann und wird so nicht sein.

   Herr Brüderle, da stehen uns große Aufgaben bevor. Ich nenne das Stichwort „50 plus“. Das, was Michael Glos zu den Älteren gesagt hat, also die Älteren als Chance zu begreifen, ist ein ganz wichtiger neuer Ansatz. Es ist doch verrückt: Seit Hunderten von Jahren kämpft die Menschheit dafür, dass sie älter wird; kaum wird sie älter, sagt sie, das ist ein Problem. Wir sollten jubeln und uns freuen, dass wir endlich erreicht haben, dass wir in den Himmel kommen, aber nicht so bald, wie ein bayerischer Landpfarrer immer gebetet hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Deswegen lasst uns hier bitte diese Chance nutzen und unsere Arbeits- und Geschäftsprozesse so neu strukturieren, dass wir bei einem längeren Leben auch länger mitwirken können. Ich bin ein Einödhofkind. Da war es immer klar, dass die Menschen in allen Lebensphasen mit dem, was sie konnten, ins Arbeitsleben integriert waren. Ich denke, so etwas kann diese Gesellschaft auch machen. Das gibt ja auch Sinnerfüllung. Es gibt viele, die fallen in ein tiefes Loch, wenn man sie aus dem Erwerbsleben entlässt. Der Ruhestand ist nicht für alle das Reich der Freiheit, wie viele denken. Es ist auch ein Stück Reichtum, eingegliedert zu sein. Lasst uns das angehen und nicht jammern! “50 plus“ ist eine riesige Aufgabe, mit der Franz Müntefering begonnen hat.

   Lasst uns auch das Thema Jugendliche unter 25 Jahren angehen! Ich bin inzwischen dafür, dass wir den Kultusministern der Länder einen Eingliederungszuschuss abverlangen für jeden jungen Menschen, den sie uns ohne Hauptschulabschluss vor die Tür stellen.

(Beifall bei der SPD)

Es kann doch nicht sein, dass 10 Prozent eines Jahrganges vor die Tür der Wirtschaft gestellt werden, ohne ausreichend lesen und schreiben zu können, nur weil die Länder mit ihren Aufgaben nicht fertig werden. Die Reform der Bildungskette ist hier das Entscheidende.

   Lassen Sie uns auch gemeinsam die Diskussion um die Arbeits- und Beteiligungsgesellschaft angehen! Ich lese insbesondere in Veröffentlichungen aus kirchlichen Bereichen, dass die Menschen sagen: Lasst uns resignieren, die Vollbeschäftigung ist nicht mehr möglich; der Lebenssinn ist auch woanders. Ich denke, das wäre der verkehrte Ansatz. Wenn wir in einer älter werdenden Gesellschaft unseren Wohlstand halten wollen, müssen wir uns mit allen Kräften, die wir haben, auf eine Arbeits- und Beteiligungsgesellschaft einrichten, damit dieses Land der Welt von Morgen mit dem Weltwirtschaftsmittelpunkt Asien das Notwendige gibt und wir unseren Wohlstand gemeinsam erhalten können. Das ist die Aufgabe für die nächsten Jahre.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Dazu gehört auch die Kultur der Selbstständigkeit. Es ist eine der wichtigen Entscheidungen der großen Koalition, dass wir die Selbstständigkeit fördern wollen und dass der Haushalt des Wirtschaftsministers auf die Förderung der Selbstständigkeit ausgerichtet ist. Wir brauchen mehr Menschen, die für sich und andere, die das nicht können oder wollen, einen Arbeitsplatz schaffen.

Also müssen wir die Finanzierungsvoraussetzungen schaffen, damit aus guten Ideen am Ende gute Werke und Arbeitsplätze werden können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

   Das neue Bundeswirtschaftsministerium steht im Zentrum dieser Bemühungen. Das, was heute in völlig neuer Gestalt vor uns steht, ist schon eine interessante Veranstaltung: Es handelt sich nicht mehr um ein Arbeitsministerium mit angeschlossener Grundsatzabteilung, sondern um ein neues Ministerium.

   Lieber Peter Ramsauer, das ist keine Voliere für den armen Michael Glos, in der seine Flügel gestutzt werden. Ich gebe zu: Für einen Mondialpolitiker, der in einer Staatskanzlei groß geworden ist, wäre dieses Gehäuse vielleicht etwas eng gewesen. Aber ein fränkischer Rechen kommt damit zurecht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Ich rate diesem Franken auch: Hör auf, dir immer wieder ein zusätzliches Gehäuse für die Kernenergie bauen zu wollen! Es gibt so viel Freilandgehege für die erneuerbaren Energien. Da kann man scharren und die Zukunft vorbereiten. Man muss nicht an die verbotenen Gitter herangehen; denn dabei holt man sich nur einen Schlag.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen bei Abgeordneten der FDP)

   Dieses Ministerium hat einen spannenden Zuschnitt. Der Wirtschaftsminister ist von der Aufgabe der passiven Arbeitsmarktpolitik - der arme Franz Müntefering muss sie schultern - befreit. Er kümmert sich um die Innovation und kann dazu beitragen, Müntefering das Geschäft leichter zu machen.

   Wir müssen unsere Hausaufgaben in der Ordnungspolitik machen, zum Beispiel bei der Anreizregulierung der Energie. Herr Brüderle, wir sind uns einig im Hinblick auf die Befassung der Energieagentur mit der Anreizregulierung, damit die Durchleitungsgebühren sinken und damit die Wettbewerbsfähigkeit gefördert wird.

   Wir müssen auch darauf dringen, dass die Manager der Energiewirtschaft aufhören, pausenlos Versprechungen zu machen. Was haben sie uns während der Beratungen alles versprochen: 20 Milliarden Euro! Jetzt lassen Sie sich schon feiern, wenn sie 10 Milliarden Euro versprechen. Diese Manager erinnern mich an etwas, was früher in Bayern stattfand: Arme Leute haben den Kindern in der Weihnachtszeit das alte Spielzeug weggenommen, es neu angestrichen und auf den Gabentisch gelegt. So darf es die Energiewirtschaft nicht machen. Wir werden uns das Verhalten dieser Manager nicht gefallen lassen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Wir müssen dabei helfen, dass neue Ideen in neue Produkte umgesetzt werden. Michael Glos muss seine Hebammendienste leisten, damit aus Ideen dank Forschung und Entwicklung wirklich gesunde Unternehmen geboren werden.

   Das neue Ministerium ist auch für Europa zuständig. Aufgrund des Drängens der SPD-Fraktion ist bei der Dienstleistungsrichtlinie manches bewegt worden. Es war schon eindrucksvoll, als der Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums für seinen Vortrag mehr Beifall als ein früherer Wirtschaftsminister bekommen hat. Da zeigt sich, dass Sie vom Irrtum zur Wahrheit gereist sind. Menschen, die das tun, sind bekanntlich die Weisen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Lassen Sie uns also diese Arbeit machen! Die KMU-Förderung steht im Mittelpunkt: Dabei geht es - das ist ganz neu - um die Finanzierung der kleineren und mittleren Unternehmen durch Kredite und Kapitalbeteiligungen. Es kann nicht so bleiben, dass amerikanische Pensionsfonds die Einzigen sind, die Bereitschaft zum Risiko zeigen, und dass wir uns hinterher beklagen, dass die Gewinne der Unternehmen woanders investiert werden und nicht den Wohlstand unseres Landes mehren. Wir müssen miteinander die Risikobereitschaft in unserem eigenen Land fördern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

   Der Hightech-Gründerfonds ist dabei eine wichtige Sache. Mir ist aufgefallen, dass einer der Hightech-Gründerfonds nach luxemburgischem Recht gegründet worden ist. Wenn die deutsche Bundesregierung zur Förderung von Hightech-Gründerfonds in Deutschland auf ausländisches Recht zurückgreifen muss, dann ist das kein Kompliment für unser gegenwärtiges Recht. Lassen Sie es uns also miteinander überarbeiten, damit wir international wettbewerbsfähig werden!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

   Der Haushalt 2006 ist ein Haushalt zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung. Herr Brüderle, ich habe viel Kraft darauf verwendet - auch während der Koalitionsverhandlungen -, zu erreichen, dass mit dem diesjährigen Haushalt Gas gegeben wird, damit im nächsten Jahr Belastungen getragen werden können. Es ist einfach unredlich, zu sagen, das sei verfassungswidrig. Lesen Sie den Art. 115 oder auch den Art. 109 Grundgesetz!

(Abg. Rainer Brüderle (FDP) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Herr Präsident, wenn Herr Brüderle eine Zwischenfrage stellen will, dann gestatte ich das; das verlängert die Redezeit. Das ist aber nicht verabredet.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Der Kollege Brüderle ist ein anständiger Kerl, sodass er Ihre Freundlichkeit zu Beginn jetzt durch Verlängerung Ihrer Redezeit zum Ausgleich bringt.

   Bitte schön, Herr Kollege Brüderle.

Rainer Brüderle (FDP):

Ich finde die Reden vom Kollegen Stiegler unabhängig vom Inhalt immer interessant.

   Herr Kollege Stiegler, die Möglichkeit, bei einem Ungleichgewicht der Wirtschaft mehr Investitionen und damit mehr Ausgaben zu tätigen, als durch Einnahmen gedeckt sind, erfordert meines Erachtens zwingend - das stellt man fest, wenn man die Kommentare zu Art. 115 Grundgesetz und zum Stabilitäts- und Wachstumsgesetz nachliest -, dass auch die Haushaltsstruktur der Situation gemäß ausgerichtet wird. Das tun Sie eben nicht.

   Der Haushalt wird nicht der Situation gemäß ausgerichtet. Das Motiv ist - wie in den vergangenen Jahren bei der Vorgängerregierung auch -, sich der Mühe des Sparens zu entledigen und die Ausgabenseite im Haushalt eben nicht in Ordnung zu bringen. Der Haushalt müsste wie bei jedem Privatmenschen auch - wenn ich mehr ausgebe, als ich einnehme, dann muss ich mich nach der Decke strecken - von der Ausgabenseite her in Ordnung gebracht werden. Sie missbrauchen dieses Konzept der Ausnahmeregelung, um Ihre Schwäche beim Haushaltsausgleich zu übertünchen.

(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Frage!)

   Es ist eine Spielerstrategie: In diesem Jahr lasse ich es laufen, fast 40 Milliarden Euro Defizit, mehr Schulden. Das ist die Nostalgiestrategie der beiden Fraktionen: mehr Schulden, mehr Staat, mehr Steuern, mehr Bürokratie. Aber so kommen wir in Deutschland nicht voran.

Ludwig Stiegler (SPD):

Herr Präsident, ich hoffe, dass ich für die Antwort zumindest so viel Redezeit erhalte, wie für die so genannte Frage gebraucht wurde.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

   Herr Brüderle, wenn Sie jetzt ein juristisches Staatsexamen machen müssten, würden Sie glatt durchfallen. Die Regelung des Art. 115 Grundgesetz ist eben nicht an den Investitionsbegriff gekoppelt, sondern hat den Zweck, eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abzuwehren. Wer wie Sie unter Einrechnung der stillen Reserve sagt, wir haben in Wahrheit 7 oder 9 Millionen Arbeitslose, und dann noch behauptet, unsere Wirtschaft sei im Gleichgewicht, der tut der Sprache Gewalt an. Das geht an den Tatsachen wirklich vorbei.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Der Unterschied zu früher, Herr Brüderle, ist der: Früher hat man unter dem Druck der Verhältnisse mit den so genannten eingebauten Stabilisatoren gearbeitet. Man hat am Anfang des Jahres gute Einnahmen gehabt und am Ende des Jahres Verluste hingenommen.

(Zustimmung des Abg. Dr. Michael Meister (CDU/CSU))

Das habe ich immer kritisiert, auch bei uns intern; dafür gibt es sogar Zeugen. Jetzt sagen wir: Am Anfang des Jahres handeln wir, damit wir am Ende des Jahres nicht Verluste hinnehmen müssen, sondern wirtschaftliche Erfolge ernten können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Deshalb sind wir hier so klanghell im Einklang mit dem Grundgesetz, dass Ihnen die Ohren klingen müssten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Was mich in dem Zusammenhang ärgert und worüber wir reden müssen, ist die vorläufige Haushaltsführung. Es kann nicht sein, dass eine Vorschrift - hier der Art. 111 Grundgesetz -, die dazu dient, dass das Parlament nicht überrumpelt wird, dasselbe Parlament hindert, schon im Frühjahr Akzente zu setzen. Ich danke deshalb den Haushältern dafür, dass sie in teleologischer Reduktion der Vorschrift bei der Auslegung wirklich bis an die Grenzen des Denkbaren gehen, um Schwung in die Wirtschaft zu bringen. Herzlichen Dank an unsere Haushälter!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Neben dem Schwerpunkt Mittelstand gibt es den Schwerpunkt Tourismus. Wir haben wieder einen beachtlichen Teil der Mittel für den Tourismus vorgesehen. Wir sind eines der beliebtesten Urlaubsländer. Wir können in diesem Jahr viele Gäste aus dem Ausland begrüßen, die wir nicht abzocken, sondern verwöhnen wollen, damit sie mit Kind und Kegel wiederkommen. Wir sind Reiseweltmeister geworden, knapp vor den USA. Das ist eine Branche, die Dienstleistungsarbeitsplätze schaffen kann. Unsere Tourismuspolitiker - ich denke etwa an Brunhilde Irber, die gerade zu mir herüberlacht -

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Ernst Hinsken!)

weisen mit Recht darauf hin, dass 2,8 Millionen Menschen direkt oder indirekt vom Tourismus betroffen sind, dass entsprechend ausgebildet wird und dass die Deutsche Zentrale für Tourismus die Leute nach Deutschland holt.

Es war gut, dass in diesem Jahr kein Kampf um die Tourismusförderung stattgefunden hat, sondern dass wir uns von vornherein auf Qualität und Incomingtourismus verständigt haben. Herzlichen Dank an die, die das vorbereitet haben!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Meine Damen und Herren, wir werden die Gründerförderung weiter betreiben. Forschung und Entwicklung wird Ute Berg ansprechen. Der Ritter gegen Bürokratie und Behinderung ist Rainer Wend; er wird diese Themen hier ansprechen.

   Wir begrüßen neue Titel im Haushalt, zum Beispiel Luft- und Raumfahrt. Ich habe mich mit einigen Kollegen kürzlich bei der DLR umgesehen. Es ist einfach toll, was die alles miteinander bewerkstelligen. Wir begrüßen, dass die Energie- und Rohstoffeffizienz vorangebracht wird. Wir müssen die deutsche Wirtschaft dazu bringen, dass nicht Entlassungsproduktivität zählt, sondern Energie- und Rohstoffeffizienzproduktivität. Das muss die strategische Ausrichtung der deutschen Wirtschaft werden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

   Die Bundeskanzlerin singt immer das neue Freiheitslied.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Richtig gut!)

Wir stimmen gerne ein, wenn sie die Strophe anfügt: Freiheit durch soziale Sicherheit. Das gehört für uns unverzichtbar dazu. Freiheit ist nicht, wenn Arme und Reiche in gleicher Weise nicht unter Brücken schlafen oder Brot stehlen dürfen. Freiheit durch soziale Sicherheit ist,

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Vor allem Gerechtigkeit! - Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Mehr Eigenverantwortung!)

wenn wir uns nicht nur in der nebulösen neuen Gerechtigkeit verlieren, sondern wenn Gerechtigkeit im Sinne von Aristoteles nach Bedarf auch die Justitia distributiva in Bewegung setzt.

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Ich habe es schon immer gewusst: Der Stiegler ist ein Philosoph!)

Wenn Freiheit durch soziale Sicherheit und Integration aller in das Wirtschaftsleben existiert, dann singen wir einen Kanon miteinander und dann geht es auch wieder aufwärts.

   Glück auf!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Da der Kollege Stiegler die weitere Rednerliste nicht vollständig vorgetragen hat, weise ich darauf hin, dass nun das Wort an die Kollegin Ulla Lötzer für die Fraktion Die Linke geht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ulla Lötzer (DIE LINKE):

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Herr Glos, Herr Stiegler, dieser Haushalt ist kein Haushalt für Wachstum und Beschäftigung. Er ist ein Haushalt zur Förderung der Arbeitslosigkeit.

   Ja, ein Exportrekord jagt den anderen. Aktuell ist ein Überschuss von 92,2 Milliarden Euro zu verzeichnen; 1998 waren es 28,8 Milliarden Euro. Aber das gibt keinen Anlass zu Freudenfeiern. Noch weniger kann man darauf die wirtschaftliche Zukunft aufbauen, wie Sie es mit diesem Haushalt weiterhin tun.

(Beifall bei der LINKEN)

   Es sind die großen Exportunternehmen mit einer Außenhandelsabhängigkeit von mehr als 40 Prozent, die den größten Beschäftigungsabbau betrieben haben. Herr Stiegler, auch wir können kein Verständnis aufbringen, wenn diese Unternehmen, wie Telekom, SNE und AEG, trotz sprudelnder Gewinne Massenentlassungen vornehmen oder Standorte schließen. Erst recht haben wir kein Verständnis dafür, wenn die schwarz-rote Koalition in einer solchen Situation die Lockerung des Kündigungsschutzes, egal in welcher Variante, betreibt, statt Mitbestimmungsrechte zur Beschäftigungssicherung zu stärken.

(Beifall bei der LINKEN)

   Es sind diese Unternehmen, die im Namen der Wettbewerbsfähigkeit Druck in Richtung Lohnzurückhaltung ausüben. In keinem anderen europäischen Land gibt es eine so schlechte Lohnentwicklung wie hier. Die Kehrseite dieser Entwicklung ist eine Konsumflaute historischen Ausmaßes. Vier von fünf Arbeitsstellen hängen am heimischen Markt. Unbezahlte Mehrarbeit, Lohnzurückhaltung und auch eine Senkung der Lohnnebenkosten würden den Leidensweg der deutschen Wirtschaft nur weiter verlängern, statt endlich die Wende herbeizuführen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Bruch der Gewerkschaften mit dieser Verzichtslogik ist nicht nur sozial gerecht, sondern auch wirtschaftlich notwendig. Deshalb unterstützen wir ihre Streiks.

(Beifall bei der LINKEN)

   Wir fordern aber auch von Ihnen endlich einen Bruch mit der Verzichtslogik. Geben Sie Ihre Ablehnung gegen einen gesetzlichen Mindestlohn auf, Herr Glos!

Treffen Sie Maßnahmen zur Stärkung der Tarifautonomie! Fordern Sie mit uns die Landesminister endlich zu fairen Tarifverhandlungen mit Verdi auf!

(Beifall bei der LINKEN)

Das zarte Flämmchen der Erholung der Binnennachfrage werden Sie mit der beschlossenen Mehrwertsteuererhöhung und den sozialen Kürzungen wieder ersticken.

   Wie stellen Sie sich denn da eine Verbesserung der Binnennachfrage vor? Sie sagen, die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen solle die Wende bringen, unterstützt durch eine Verbesserung der Abschreibungsbedingungen, durch die gestiegenen Unternehmensgewinne, durch die rückläufigen Lohnstückkosten und - nicht zu vergessen - durch die geplante Erbschaftsteuer- und Unternehmensteuerreform zur Verbesserung des Standorts.

   Wie kann man nur so verbohrt an nachweislich seit Jahrzehnten untauglichen Mitteln festhalten? Ob unter Schwarz-Gelb oder Rot-Grün, damit wurde die Reduzierung der Besteuerung von Gewinnen und Vermögen begründet. Parallel mit diesen Steuererleichterungen ist die Investitionsquote auf einen historischen Tiefstand gefallen. Die Steuererleichterung ist in die Gewinne geflossen, die an die Aktionäre ausgeschüttet worden sind. Auch die Manager konnten jubeln.

   Die weltweiten Direktinvestitionen sind im letzten Jahr um 29 Prozent gestiegen. Gewonnen hat dabei aber vor allem das Geschäft mit Übernahmen und Fusionen. Es gab weltweit 23 200 Übernahmeaktivitäten mit einem Volumen von eindreiviertel Billionen Euro. Ein Analyst der West-LB fragte kürzlich angesichts der Übernahmeschlachten der Energiekonzerne: Nutzen sie die Kriegskasse für Zukäufe in Europa oder geben sie den Aktionären etwas zurück? Ferner hieß es, der Eon-Konzern sei wegen seiner hohen Barreserven unter Handlungsdruck geraten. Mit einem Übernahmeangebot werden sie die jetzt los, indem sie für 29 Milliarden Euro Endesa kaufen wollen. Auch Bayer kann die Übernahme Scherings fast allein aus der Portokasse finanzieren.

   Diese Wirtschafts- und Steuerpolitik bewirkt keine Stärkung der Binnennachfrage durch Investitionen. Sie fördert Arbeitslosigkeit, Umverteilung sowie die Macht großer transnationaler Konzerne, die längst zu einer gewaltigen Gefahr für die Demokratie geworden sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Maßnahmen gegen diese Konzentration sind nötig, nicht ihre Förderung durch Steuerpolitik.

   Diese Steuereinnahmen, die Sie den Unternehmen geschenkt haben und die diese für Aktionäre und für Übernahmen ausgeben, fehlen an anderer Stelle. Sie fehlen für Bildung, Kultur, Forschung und Infrastrukturmaßnahmen. 1970 wurden noch 4,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für öffentliche Investitionen ausgegeben. Rot-Grün hat diese Quote auf 1,3 Prozent gesenkt. In einem der wirtschaftsstärksten Länder der Erde bedeutet das: Einsturzgefahr bei Brücken und Gebäuden, Schlaglöcher in den Straßen, ein Kanalsystem, in dem es bald nicht einmal mehr die Ratten aushalten

(Heiterkeit bei der LINKEN)

und das das Grundwasser gefährdet, Kinder aus armen Familien, die in Suppenküchen essen

(Dr. Rainer Wend (SPD): Das übertrifft jetzt sogar den Brüderle mit seiner Schwarzmalerei!)

und keine Chance auf Bildung haben, sowie vieles andere mehr.

   Erneut preisen Sie Ihr Zukunftsinvestitionsprogramm mit einem Volumen von 25 Milliarden Euro für die nächsten vier Jahre. Aber das ist zu wenig. Verteilt auf vier Jahre sind es jährlich nur circa 6 Milliarden Euro. Zieht man aber Bilanz in Ihrem Finanzplan, bleibt noch nicht einmal das übrig. Gegenüber 2005 steigen die Investitionen gerade einmal um 0,5 Milliarden Euro. Im Zeitraum bis 2009 bleiben nur genau 2,4 Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionen übrig. Der Anteil am Haushalt sinkt sogar auf 8,5 Prozent.

   Etikettenschwindel, mehr ist Ihr Zukunftsinvestitionsprogramm nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Menschen erwarten aber zu Recht, dass ein handlungsfähiger Staat Infrastruktur finanziert, Daseinsvorsorge betreibt, Chancengleichheit in Bildung herstellt, in Forschung, Kultur und, Herr Glos, in erneuerbare Energien - und nicht in Kernenergie - investiert.

   Wir brauchen ein Zukunftsinvestitionsprogramm, das diesen Namen verdient, mit dem der sozial-ökologische Umbau vorangebracht wird, Handwerkern Aufträge verschafft werden und Arbeitslosen Arbeitsmöglichkeiten geboten werden.

(Beifall bei der LINKEN)

   Herr Steinbrück forderte, dass die Menschen neue Ideen entwickeln. Wir werden Ihnen noch in diesem Jahr gemeinsam mit Gewerkschaften und Verbänden ein Zukunftsinvestitionsprogramm vorlegen, das diesen Namen auch verdient.

Wir werden jetzt Sofortmaßnahmen für kommunale Investitionen, den Ausbau der Infrastruktur, die Gebäudesanierung sowie für die Förderung der Bildung und der Kinderbetreuung in die Haushaltsdebatte einbringen.

   Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort erhält nun der Kollege Matthias Berninger, Bündnis 90/Die Grünen.

Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Michael Glos, hat wieder da Platz genommen, wo er am liebsten dauernd sitzen würde: auf dem Stuhl des Chefs der CSU-Landesgruppe.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Dann würde er auf diesem Platz hier sitzen! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

- Immerhin sitzt er bei Ihnen in der ersten Reihe. - Dann würde er uns in den Haushaltsdebatten mehr unterhalten, als er das in seiner Rede als Wirtschaftsminister gemacht hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Herr Glos, die ersten 100 Tage sind vorbei. Sie erwecken zum einen nun wirklich den Eindruck, als ob Ihnen der Job keinen Spaß macht.

(Michael Glos (CDU/CSU): Haben Sie diesen Eindruck gehabt? Das ist ja unglaublich! - Hans Michelbach (CDU/CSU): Das ist ja Realitätsverlust!)

Es wird aber in Deutschland keiner gezwungen, Wirtschaftsminister zu werden. Sie würden diesem Land und dem wirtschaftlichen Aufschwung bzw. der wirtschaftlichen Erholung einen guten Dienst erweisen, wenn Sie sich immer auf diesen Platz setzen und nicht in Ihr Ministerium zurückkehren würden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Michael Glos (CDU/CSU): Sie lesen die falschen Zeitungen! - Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Wenn Ihnen nicht mehr einfällt! - Hans Michelbach (CDU/CSU): Herr Berninger, kommen Sie zur Sache!)

   Zum anderen ist es so, dass das Bundesministerium zu Beginn der Legislaturperiode seinen Namen von BMWA zu BMWi geändert hat. Es bleibt aber das BMWA. Sie sind der Bundesminister für Wirtschaft und Atomtechnologie. Ansonsten haben Sie zur Debatte überhaupt nichts beigetragen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Hans Michelbach (CDU/CSU): Werden Sie mal locker!)

   Das ist eines der Schlüsselprobleme. Es gibt keinen mittelständischen Betreiber von Atomkraftwerken. Es gibt aber einen Boom, einen neuen Markt im Bereich der erneuerbaren Energien, der komplett von mittelständischen Unternehmen getragen wird. Die warten darauf, dass ihr Wirtschaftsminister sie auch vertritt und ihnen nicht die Märkte der Zukunft zerstört, indem er hinter der Atomtechnologie hinterherrennt. Nichts anderes haben Sie bisher in Ihrer Regierungszeit getan.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Nun ist es so, dass Sie nach ein paar Tagen im Amt festgestellt haben: Es gibt ja bei den Exporten ganz gute Zahlen. Sie haben in Ihrer Rede heute gesagt, die Zahl der Exporte hätten wir gehalten und das sei eine große Leistung. Es ist aber anders - darauf hat Frau Lötzer hingewiesen, wobei ich sagen muss: Ich komme zu einem anderen Schluss -: Es gibt genug Probleme im Land; wir müssen nicht auch noch die Exporterfolge zu einem Problem ummünzen. Seit 1998 ist der Export in Deutschland dynamisch gewachsen. Wir sind ähnlich wie China eines der Länder, die Weltmarktanteile hinzugewonnen haben. Das ist ein Zeichen dafür, dass ein relevanter Teil unserer Wirtschaft wettbewerbsfähig ist und die Wirtschaft insofern nicht generell in ein Klagelied einstimmen muss. Das ist ein Erfolg, der in der Tat mit der rot-grünen Regierungspolitik zu tun hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Der Bundesminister hat dann gesagt, Ziel der Bundesregierung sei es, die hohen Lohnzusatzkosten deutlich zu begrenzen. Zu Beginn der Legislaturperiode hörte sich das noch völlig anders an. Da war das Ziel der Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung die Senkung der Lohnnebenkosten. Jetzt ist die Regierung an dem Punkt, dass sie die Steigerungen begrenzen will. Dazu passt die Äußerung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die gesagt hat, die Gesundheitsreform werde wahrscheinlich so durchgeführt, dass die Menschen mehr zahlen müssten. Ich prophezeie Ihnen: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden mehr zahlen müssen, weil die große Koalition eben nicht die Kraft hat, für mehr Wettbewerb zu sorgen und Pfründe von Ärzten, Apothekern oder Krankenkassen einzudämmen. Stattdessen werden die Beschäftigten die Dummen sein. Das sollte uns allen Sorgen machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wenn wir schon über Bürokratieabbau reden, dann hätte ich mir vom Bundeswirtschaftsminister gewünscht, dass er einmal darauf hinweist, wo der Bürokratieabbau bereits erfolgreich war. Es gab eine Großdemo der Union im Paul-Löbe-Haus gegen die Novelle zur Handwerksordnung. Wir alle erinnern uns daran: Es war ein Dienstag. Der Saal war gefüllt. Die damalige Fraktionsvorsitzende hat eine Brandrede dagegen gehalten.

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Und wie viele Ausbildungsplätze sind weggefallen? - Ernst Hinsken (CDU/CSU): Wir haben das aber gut gemacht!)

- Der Tourismusbeauftragte interessiert sich auch für das Handwerk. Lassen Sie mich einmal ausreden, Herr Hinsken, oder stellen Sie mir eine Zwischenfrage!

   Was ist bei dieser Großdemo herausgekommen? Die CDU/CSU war gegen die Novelle zur Handwerksordnung.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Was ist auf der Website des Wirtschaftsministeriums veröffentlicht worden? Die Zahl der Unternehmen im Handwerksbereich hat sich erhöht. In diesem Bereich ist Dynamik. Hier hat Bürokratieabbau dazu geführt, dass mehr Menschen eine Jobperspektive haben. Das wollten Sie nicht wahrhaben. Auch das Bundesverfassungsgericht hat diesen Kurs der rot-grünen Bundesregierung im Nachhinein unterstützt.

(Lachen des Abg. Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU))

   Ich wünschte mir, dass die Wirtschaft bereit wäre, auch an anderen Stellen über Bürokratieabbau zu reden. Ich freue mich, dass die FDP jetzt darüber nachdenkt.

(Ulrike Flach (FDP): Wir denken schon lange nach!)

Ich nenne das Stichwort der Pflichtmitgliedschaften in den Handwerkskammern. Die ganze Struktur, die wir dort haben und die auf Zwang statt auf Wettbewerb ausgerichtet ist, muss sich genauso ändern, wie es auch an anderen Stellen zu einem Abbau staatlicher Regulierung kommen sollte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Ihr Antidiskriminierungsgesetz war ein Beitrag zum Bürokratieabbau!)

Dazu wünsche ich mir ebenfalls Initiativen seitens dieser Bundesregierung, wenn sie es denn mit dem Bürokratieabbau ernst meint und dies nicht an einen Normenkontrollrat oder sonstige räterepublikanische Strukturen delegiert.

   Wir müssen, was die Forschungsausgaben angeht, mit anderen Teilen der Welt mithalten. In der Tat muss hier auch der staatliche Bereich erheblich zulegen. Ich freue mich daher, dass die Forschungsausgaben in diesem Haushalt höher angesetzt sind und ein Teil davon im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ankommt. Ich möchte aber auf eines hinweisen - das ist eine Erfahrung aus den letzten sieben Jahren Rot-Grün -: Die Strukturen im Forschungsbereich können nicht so bleiben. Sie müssen sich weiter verändern. Je mehr Geld wir hineinstecken, desto eher ist dies eine Einladung, dass sich diese Strukturen nicht ändern. Ich glaube, dass man den Mut haben muss, gerade im Forschungsbereich an vielen Stellen etwas zu verändern. Denn wir stecken eine Menge Geld in Technologiebereiche, die für die Zukunft unseres Landes keine gute Anlagemöglichkeit sind.

   Wir müssen aber auch über die Wirtschaft reden. Reisen bildet bekanntermaßen. Der Bundeswirtschaftsminister war nach Überquerung des Weißwurstäquators bei Toyota in Japan. Toyota gibt allein für Forschung etwa die Hälfte dessen aus, was die gesamte deutsche Automobilindustrie, einschließlich der Zulieferer, in diesen Bereich investiert. Ich will damit sagen: Die deutsche Wirtschaft, die sich in einer relativ guten Gewinnsituation befindet, muss stärker als bisher in Forschung investieren. Das muss ihr ein Wirtschaftsminister ins Stammbuch schreiben. Von Michael Glos haben wir diesbezüglich bisher überhaupt nichts gehört.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Haben Sie geschlafen? Das hat er vorhin gesagt! - Ludwig Stiegler (SPD): Das hat er nun wirklich gesagt! Von 2 Euro auf 1 Euro!)

- Herr Rossmanith, ich habe nicht geschlafen. Das ist ein Thema, über das wir später reden können.

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Lesen Sie das nach!)

Es wäre aber ein guter Zeitpunkt zum Schlafen gewesen; da stimme ich Ihnen völlig zu. Die Rede von Michael Glos hat dazu viel Anlass gegeben.

(Zurufe von der CDU/CSU)

   Die Wirtschaft in Deutschland wächst. Auf ein Problem ist heute Morgen aber noch nicht hingewiesen worden: Es gibt ein Wachstum in den alten Bundesländern, aber in den neuen Bundesländern gibt es - mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt - kein Wachstum.

(Zuruf von der FDP: Das ist falsch!)

Das Grundproblem, dass die Wirtschaft in den neuen Bundesländern langsamer wächst als in den alten Bundesländern - -

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Da, wo Rot-Rot regiert!)

- Wo eine rot-rote Regierung ist? Dann hat Herr Brüderle also Recht. Er hat von Sachsen gesprochen, wo die rot-rote Regierung an der Macht ist.

(Ludwig Stiegler (SPD): In Sachsen! Die heißt immer noch: Schwarz-Rot!)

In Sachsen haben wir eine große Koalition. Herr Brüderle hat gesagt, das seien beides Sozialdemokraten, also regiert Rot-Rot. Ich habe versucht, dazuzulernen.

   Entscheidend ist für mich etwas anderes. Wir können die neuen Bundesländer nicht links liegen lassen. Angesichts dessen, dass die EU-Kommission die Investitionszulage gestern als ineffizient kritisiert hat, diese aber ein zentrales Instrument der Wirtschaftsförderung in den neuen Bundesländern ist, hätte ich mir schon gewünscht - zumal der Herr Wirtschaftsminister auch für Europa zuständig ist -, dass er dazu ein Wort verliert. Nichts aber haben wir gehört. Ich sage Ihnen: Wir werden in Deutschland weder die Haushalte in den Griff bekommen noch die Wirtschaft befördern, wenn wir die neuen Bundesländer - nach dem Motto: schlechte Situation dort - systematisch ausblenden und sie von unserem Radarschirm nehmen, wie es der Bundeswirtschaftsminister heute Morgen gemacht hat.

(Beifall der Abg. Cornelia Pieper (FDP))

Das können wir uns nicht leisten. Das wird in den neuen Bundesländern noch mehr Arbeitslosigkeit produzieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Lassen Sie mich zum Abschluss etwas zur WTO-Runde sagen. Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie müssen nicht nach Amerika reisen, um zu einem Abschluss der WTO-Handelsrunde zu kommen. Wenn Sie mit den Schwellenländern, mit Indien, Brasilien und Thailand, auf einen gemeinsamen Nenner kommen wollen, dann müssen Sie dorthin reisen und nach Frankreich, nach Paris. Wir werden als Exportweltmeister in Sachen WTO keine Fortschritte erzielen, solange wir in der Agrarpolitik an überkommenen Subventionen festhalten. Nichts anderes aber haben Sie und Herr Seehofer bei Ihrer ersten Reise nach Hongkong gemacht. Wenn wir diese Handelsrunde zum Erfolg führen wollen, dann müssen wir uns in Agrarfragen bewegen, statt in Washington um Gespräche zu bitten. Auch das ist eine Einsicht, die dieser Bundesregierung bisher fehlt.

   Ich wünsche mir, dass in den nächsten Monaten in der wirtschaftspolitischen Diskussion eine ganze Reihe von Themen stärker in den Blick genommen wird. Auf eines muss in jeder Rede hingewiesen werden: Der Aufschwung, den wir jetzt haben, wird Ende des Jahres durch bewusstes Handeln der Regierung, nämlich durch eine Mehrwertsteuererhöhung, deren Einnahmen nicht in Strukturänderungen, sondern in den Haushalt fließen, zerstört. Ich glaube, dass wir es uns nicht leisten können, das zarte Pflänzchen Wachstum in dieser Art und Weise kaputtzutreten.

   Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat nun der Kollege Laurenz Meyer für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   

Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Berninger, ich schätze Sie und Ihre Beiträge im Ausschuss eigentlich sehr, was Sie aber heute Morgen, insbesondere was Herrn Glos angeht, abgeliefert haben, war einfach unter aller Sau. Das muss man einfach so sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war unter dem Stammtisch, nicht einmal drüber!)

Was Michael Glos heute hier vorgetragen hat - das darf ich sicher auch im Namen der SPD-Fraktion sagen -, das hat sich - im Gegensatz zu manch anderem Beitrag, den wir heute gehört haben - durch eine klare Position ausgezeichnet. Er hat wiedergegeben, was die Koalitionsfraktionen wollen: Schwerpunkt auf Forschung und Entwicklung, klares Bekenntnis zum Mittelstand und ein klares Grundkonzept, auch im Außenhandel.

   Herr Berninger, wenn es bei der WTO überhaupt irgendwo eine Einigung gab, dann in der Landwirtschaft. Hier sind wir auf einem guten Weg. Die WTO braucht eine klare Struktur, auch bezogen auf Dienstleistungen oder Industrie. Das müssen die Schwellenländer lernen. Wir müssen zu Kompromissen kommen. Die Vertreter dieser Länder - zum Beispiel Brasilien - dürfen bei der WTO nicht nur ihre eigenen, zum Teil ganz spezifischen Interessen - das muss man einfach sehen - vertreten. Wir werden hoffentlich zu Kompromissen kommen. Ich bin dem Wirtschaftsminister in diesem Zusammenhang sehr dankbar, dass er darauf hingewiesen hat, dass wir zur Not auch bereit sein müssen, mit einzelnen Regionen und Ländern bilaterale Abkommen zu treffen, damit der Welthandel, auch zum Vorteil der Entwicklungs- und Schwellenländer, gefördert wird.

   Die Ausgangssituation ist wirklich ernst genug. Denken Sie nur an das Wachstum des Bruttosozialprodukts im letzten Jahr, an die Arbeitslosigkeit und die Investitionstätigkeit in Deutschland. Wir sollten uns gemeinsam darüber freuen, dass Boden gutgemacht wird, dass wir wieder Anschluss finden und sich die Stimmungslage in der Bevölkerung ändert.

   Von der Kollegin Pawelski habe ich neue Zahlen aus Hannover erhalten. Dort geht die Jugendarbeitslosigkeit zurück. Das zeigt, dass sich am Arbeitsmarkt etwas tut. Das dürfen wir mit Freude zur Kenntnis nehmen.

   Im Hintergrund dieser Entwicklung am Arbeitsmarkt zeigt sich aber - das habe ich gestern mit Sorge festgestellt; dazu hat sich in der heutigen Debatte, insbesondere von den Oppositionsparteien, noch niemand geäußert -, dass zwar diejenigen, die kurzzeitig arbeitslos sind, die Arbeitslosengeld I empfangen, schneller wieder einen Job finden, aber die Anzahl derer, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, stark ansteigt. Das dürfen wir nicht hinnehmen. Dagegen müssen wir etwas tun. Deswegen stellen wir die Überlegungen zum Kombilohn an. Das wollen wir in diesem Sommer vorantreiben. Die Menschen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, sollen in unserer Gesellschaft so wieder eine Chance erhalten. Sie sollen merken, dass wir sie mit ihren Problemen nicht allein lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

   Der Bundeswirtschaftsminister hat einen Schwerpunkt auf Forschung und Entwicklung gelegt. Das entspricht der gemeinsamen Zielrichtung dieser Koalition. Das Thema Bildung müssen wir ganz sicher hinzufügen. Ich will das gar nicht weiter vertiefen, weil es vom Kollegen Stiegler bereits in völlig richtiger Art und Weise angesprochen wurde. Voraussetzung dafür, dass unser Land langfristig erfolgreich ist, ist, dass wir bei Forschung, Technologie, Entwicklung und vor allem bei der Umsetzung von Forschungsergebnissen Fortschritte erzielen und das Bildungsniveau unserer jungen Leute steigt. Die mangelnde Bildung junger Leute wird immer wieder, vor allem von ausbildenden Betrieben, beklagt.

   Zu der Meldung vom gestrigen Tage und der Diskussion über die Situation an den Schulen, zum Beispiel in Berlin, kann ich nur sagen: Das sollte uns alle wirklich aufrütteln. Wir müssen uns endlich damit beschäftigen. Die Zustände, die an manchen Schulen herrschen, dürfen kein Tabuthema sein. Wir müssen die Motivation der Jugendlichen stärken. Vor allen Dingen müssen wir den jungen Menschen aber eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bieten. Wer keinen vernünftigen Schulabschluss und keinen Berufsabschluss hat, der rennt zurzeit, wie auf Schienen, auf unsere Sozialsysteme zu. Das können wir nicht hinnehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

   Die Situation in den neuen Ländern ist gerade angesprochen worden. Ich will ein Projekt ansprechen, das wir uns für dieses Jahr vorgenommen haben: die Neuorganisation der Wirtschaftsförderung in Deutschland. XXXXX

Wir müssen weg von dieser Betrachtung „Auf der einen Seite ist der Osten und auf der anderen Seite der Westen“ und hin zu einer Struktur der regionalen Wirtschaftsförderung kommen, die sich an einheitlichen Kriterien wie Einkommensindex und Arbeitslosigkeit orientiert,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

damit alle Regionen in Deutschland nach ihren Schwierigkeiten oder Chancen beurteilt werden können, damit aber auch - das sage ich ganz deutlich - die Diskussion endlich aufhört und nicht mehr mit scheelem Blick auf die Situation im Osten Deutschlands, in den neuen Ländern geschaut wird.

   Wir müssen feststellen, dass hier immer noch erheblich mehr Schwierigkeiten bestehen als in großen Teilen Westdeutschlands und dass wir den Weg an die Spitze nur schaffen werden, wenn wir in Ostdeutschland zu Wachstums- und Beschäftigungsraten kommen, die mit denen im Westen und in anderen Teilen Europas vergleichbar sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Herr Brüderle hat hier eine Rede gehalten, die zeigte, dass er offensichtlich nicht so genau weiß, wo er in Zukunft hin will. Dabei ist ein Strategieproblem sichtbar geworden; Herr Stiegler hat das schon teilweise angesprochen. Herr Brüderle hat gesagt, dass wir mit beiden Füßen auf der Bremse stehen. Herr Brüderle, wenn Sie Gas gegeben haben und jemals solche Zahlen hätten vorzeigen können wie die große Koalition, die nach Ihren Worten ja auf der Bremse steht, dann hätten Sie wirklich froh sein können. Das muss ich Ihnen einmal sagen.

(Rainer Brüderle (FDP): Sollen wir uns bei Schröder bedanken? - Ulrike Flach (FDP): Ich dachte, das sind Stimmungszahlen!)

- Diese Zahlen? Es sind Stimmungszahlen, die sich dadurch ergeben haben, dass sich die große Koalition bei allen Meinungsunterschieden durch eines auszeichnet, was für die Lösung von Problemen sehr wichtig ist - ich glaube, ich kann das zumindest für unseren Bereich behaupten -: 70 Prozent in einer solchen Koalition hängt davon ab, ob man sich untereinander versteht und ob man vernünftig miteinander umgeht,

(Ulrike Flach (FDP): Na ja!)

und 30 Prozent von der Schnittmenge der programmatischen Aussagen. Wenn man dieses Verhältnis zueinander findet, wenn man etwas fürs Land tun will, dann schafft man das auch und kommt zu vernünftigen Lösungen. Das ist bisher mein Eindruck von der großen Koalition.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Meyer, die Kollegin Pieper würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):

Ja, das ist gut, gerne.

(Rainer Brüderle (FDP): Nach dem Zungenkuss von Stiegler kein Wunder! - Weiterer Zuruf)

Cornelia Pieper (FDP):

War das jetzt irgendetwas unter der Gürtellinie? Darauf werde ich nicht reagieren. Das zeigt nur, dass Sie in dieser sehr wichtigen Debatte zur Wirtschaftspolitik nicht sattelfest sind. Kollege Brüderle sagte es bereits.

   Kollege Meyer, Sie haben in Ihrer Rede zu Recht darauf hingewiesen, dass die Situation in den neuen Ländern prekär ist und wir mit den Methoden, die wir richtig angewandt haben, sicher nicht weiterkommen werden. Es gibt zu wenig Unternehmen. Es gibt große Eigenkapitalprobleme. Das wissen Sie alles. Werden Sie, wird die Union und wird die Regierungskoalition sich dafür stark machen - so, wie es Ministerpräsident Böhmer angekündigt hat -, es den neuen Ländern zu ermöglichen, Modellregionen für Deregulierung und Bürokratieabbau zu werden? Das heißt, dass Bundesrecht befristet für fünf Jahre außer Kraft gesetzt wird, um neue Anreize für Investitionen und Unternehmensgründungen zu geben.

Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):

Frau Kollegin, ich bin für die Frage dankbar. Das ist einer der Punkte, die in der Koalitionsvereinbarung stehen. Die Antwort lautet Ja. Aber wir wollen nicht, dass Bundesrecht außer Kraft gesetzt wird; wir wollen vielmehr, dass die neuen Länder für begrenzte Zeit vom Bundesrecht abweichen können, wenn sie damit den Prozess beschleunigen können. Dahinter steht die Einsicht, dass auch in Westdeutschland das Wirtschaftswunder nach dem Krieg nie zustande gekommen wäre, wenn wir schon damals eine solche Bürokratie gehabt hätten wie heute.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Andrea Wicklein (SPD))

Das ist eine klare Antwort. Das steht in der Koalitionsvereinbarung; sie können das nachlesen. Wir werden uns nach Kräften dafür einsetzen, dass das gemacht wird. Das ist eine wichtige Voraussetzung.

   Ich nenne: Entbürokratisierung, Gesundheitsreform, für die die Stichworte sind: mehr Wettbewerb und weniger Anbindung an die Arbeitskosten. Ich bin der festen Überzeugung - das kann man in der Wirtschaftspolitik lernen -, dass wir im Gesundheitsbereich vom grünen Tisch in Berlin aus die Angebotsseite, Ärzte, Apotheken, Pharmaindustrie usw., nie werden regulieren können. Nur wenn wir mehr Wettbewerb unter den Versicherungen bekommen, werden wir es schaffen, dass sie selber Einfluss auf die Angebotsseite nehmen. Das ist eine der wichtigen Voraussetzungen, mit denen wir uns beschäftigen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Die zweite Schlüsselfrage neben der Langzeitarbeitslosigkeit ist: Wie können wir es schaffen - wir sind auf einem guten Weg; das wird klar, wenn man sich die Stimmungszahlen ansieht -, dass die Menschen, die heute Arbeit haben, die Angst verlieren, dass sie ihren Arbeitsplatz nicht mehr halten können? XXXXX

Diese Angst wirkt als die größte Bremse dafür, dass jemand Geld ausgibt. Wer Angst hat, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, wird jeden Euro, der ihm noch bleibt, sparen.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Meyer, nun möchte die Frau Kollegin Zimmermann Ihre Redezeit verlängern.

Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):

Bitte.

Sabine Zimmermann (DIE LINKE):

Herr Kollege Meyer, wir kennen uns ja aus dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Was, die kennen sich? Ist ja unglaublich! - Ludwig Stiegler (SPD): Herr Kauder, Sie passen nicht auf, was sich da tut!)

Ich möchte Sie fragen: Was soll ich einem Langzeitarbeitslosen sagen, der weinend vor mir steht und nicht mehr weiter weiß? Soll ich ihm etwa sagen, dass die Regierung ihn nicht alleine lässt? Denn vorhin haben Sie gesagt, dass Sie die Arbeitslosen nicht im Stich lassen. Sind Sie nicht wie ich der Meinung, dass die Empfänger des Arbeitslosengeldes I deshalb schneller eine neue Stelle bekommen, weil sie zum größten Teil durch Eingliederungszuschüsse gefördert werden?

(Volker Kauder (CDU/CSU): Nein!)

Ulrike Flach (FDP):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Meyer, mit Ihrem Kuschelkurs scheint es nicht weit her zu sein. Beim Thema Kernenergie muss ich angesichts der verschiedenen Bemerkungen hierzu vermuten, dass Sie sich noch über etwa 30 Prozent streiten.

(Ludwig Stiegler (SPD): Das ist die einzige Stelle, wo die Decke kratzt! - Volker Kauder (CDU/CSU): Wir kuscheln privat und nicht öffentlich!)

Wir wären sehr froh, wenn Sie sich endlich zu einer Einigung durchringen würden. Das Bild, das wir so nach außen abgeben, ist sehr dürftig.

(Beifall bei der FDP)

   Minister Glos ist jetzt auch für den sehr schönen Bereich der Technologie zuständig. Deswegen ist es interessant - ich blicke zum Kollegen Riesenhuber, der das sicherlich auch mit großem Interesse verfolgt -, wie der betreffende Etat hierzu in diesem Jahr aufgestellt ist. Das Wort „Hightechstrategie“ zieht sich wie ein roter Faden durch den Etat. Man sollte also erwarten, dass das Wirtschaftsministerium neben dem BMBF als Motor oder Spielmacher bei der Umsetzung dieser Strategie eine wichtige Rolle spielt.

   Wenn man sich den Etat aber genauer ansieht, dann stellt man fest, dass alles sehr wolkig beschrieben ist. Das, was wir im Haushalt des Wirtschaftsministeriums vorfinden, ist nach wie vor der alte Gemischtwarenladen und weiß Gott nicht die geballte Hightechoffensive, wie Sie uns jeden Tag über die Medien mitteilen.

(Beifall bei der FDP)

   Ich sehe ein, dass es für dieses Haus nicht leicht ist, sich in seine neue Rolle einzufinden. Große Teile wurden ans Arbeitsministerium abgegeben, einiges kam aus dem Finanzministerium hinzu, ganze Abteilungen mit insgesamt 42 Stellen wurden aus dem Forschungsministerium übernommen. Mit der Neuorganisation scheinen Sie Ihre Probleme zu haben. Sie können sicher sein: Wir als Haushälter von der FDP werden sehr genau hinsehen, wo es Überschneidungen zu den anderen Ministerien gibt, wo sich Doppelungen ergeben haben, welche Bereiche sozusagen als Folge der Koalitionsverhandlungen Ihres Freundes Edmund Stoiber zu Ihrem Ministerium gekommen sind, die dort aber keinen Sinn machen.

   Wenn es um das hoch gesetzte Ziel der Innovationsförderung geht, richtet sich der Blick eines jeden Forschungs- und Technologiepolitikers zwangsweise auf den neuen Teil Ihres Ministeriums, den Sie vom BMBF übernommen haben. Ich muss deutlich sagen - das haben auch die Berichterstattergespräche gezeigt -: Von einer gelungenen Integration ist weiß Gott nicht zu sprechen. Sie haben etwas zusammengefügt, was offensichtlich nicht zusammen passt.

   Sie, Herr Glos, haben eben ganz stolz über das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt gesprochen. Herr Stiegler hat - das hat mich gewundert, ist aber sehr lobenswert - das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt offensichtlich zum ersten Mal in seinem langen Parlamentarierleben besichtigt. Das spricht doch Bände! Hier treffen zwei Kulturen aufeinander, die ganz offensichtlich nichts miteinander zu tun haben. Dann kommt es natürlich zu Reibungen, was wir aus forschungspolitischer und aus innovationspolitischer Sicht als verheerend empfinden müssen.

(Beifall bei der FDP)

   Das DLR ist eine Forschungsorganisation, die zur Helmholtz-Gemeinschaft gehört. Dort ist man nicht gewohnt, dass von oben befohlen wird, worüber geforscht werden soll. So sieht man das aber offensichtlich im BMWT. Das ist ein Drama! Frau Bulmahn, Sie lächeln freundlich, aber Sie sehen das doch bestimmt genauso.

   Wir haben uns alle zusammen, über alle Fraktionen hinweg, entschlossen, die Helmholtz-Gemeinschaft so aufzustellen, dass die Forscher die Freiheit haben, zu forschen.

(Beifall bei der FDP)

Das war unser Ziel. Ich sage Ihnen, Herr Glos - das ist in diesem Fall wirklich eine Drohung -: Wehe, diese Freiheit der Forscher geht in Ihrem Ministerium über die Wupper! Wir werden genau prüfen, wo Sie vom Ministerium per Detailsteuerung vorgehen. Beim DLR haben Sie einen Fehlstart hingelegt. Wir werden in den nächsten Tagen noch etliche Gespräche zu diesem Thema zu führen haben.

   Das Ganze wird nicht dadurch leichter, Herr Glos, dass Sie bis zum heutigen Tage das wichtige Thema Luft- und Raumfahrt nicht mit dem Koordinator bedacht haben, den dieser Bereich eigentlich braucht. Drei Ministerien beschäftigen sich mit diesem Bereich. Mit Ihrer ersten Personalentscheidung sind Sie kläglich gescheitert. Wir müssen jetzt überlegen, wie dieser Bereich in den verschiedenen Ministerien koordiniert werden soll.

   Wie sieht es mit den nackten Zahlen aus und mit Ihrer Aussage, wir machen ernst mit der Umschichtung der Mittel zugunsten der Investitionen in Zukunftstechnologien? Sehr geehrter Minister, Sie schichten nicht um, Sie stocken einfach überall ein bisschen auf. Sie geben etwas mehr für Mobilität aus, etwas mehr für Schifffahrt, etwas sehr wenig für Energieforschung, das heißt, Sie versuchen, überall in großer Hast ein paar Millionen draufzusetzen, allerdings ohne dass man an irgendeiner Stelle erkennt, dass wir es mit einer Hightechstrategie zu tun haben, die das Ganze nach vorne bringen würde. XXXXX

Herr Glos, Ihnen fehlt ganz offensichtlich der rote Faden, um eine Strategie nach vorne zu bringen, die Sie ja immer einfordern.

(Beifall bei der FDP - Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schwarzer Faden!)

   Hinzu kommt: Als Haushälterin bin ich schon sehr erstaunt, was wir im Augenblick in den Zeitungen dazu lesen. Gemäß Haushaltsgesetz stehen Ihnen im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung maximal 45 Prozent der Mittel zur Fortsetzung bereits angefangener Projekte zur Verfügung. Gerade eben klang auch wieder durch, wie schön es doch ist, dass man versucht, diese Gelder loszuwerden. Diese Gelder stecken aber nach wie vor fest, und zwar nicht zuletzt auch deshalb, weil Herr Steinbrück natürlich auch versucht, seinen Weg zu gehen. Die Gelder kommen nicht an. Wir haben vom Ministerium sehr deutlich gehört, dass das offensichtlich zu einem Projektstau führt. Somit müssen wir davon ausgehen, dass wir ungefähr bis Mitte des Jahres warten müssen, bis die hoch gelobte Strategie ihren Gang nimmt.

   Herr Glos, genauso wie ich kennen auch Sie das Schreiben der beiden Staatssekretäre, die Ihnen das ins Stammbuch geschrieben haben. Sie haben deutlich davon geredet, dass die Gefahr eines technologischen Fadenrisses und internationaler Wettbewerbsnachteile besteht, wenn die Gelder nicht freigegeben werden. Ich frage mich natürlich: Wie passt das denn zu der Rede, die Sie eben hier gehalten haben? Hier scheint doch irgendetwas abzulaufen, das von Ihnen nicht ganz nachzuvollziehen ist.

   Herr Minister, falls es entgegen der Aussage dieser beiden Staatssekretäre hinter dem Rücken der Haushälter trotzdem zu einer Freigabe von Geldern kommen sollte, dann - das kann ich Ihnen schon jetzt sagen - bekommen Sie sehr viel Freude mit den Haushältern der FDP im Ausschuss; denn das wäre wirklich ein Bruch geltenden Rechts.

(Beifall bei der FDP)

Wir werden sehr genau darauf schauen, ob hier etwas passiert oder nicht.

   Sie haben eben noch einmal darauf hingewiesen, welch schöne und Erfolg versprechende Projekte Sie auf der Schiene der Hightechstrategie angegangen sind.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin.

Ulrike Flach (FDP):

Leider meldet sich jetzt der Präsident.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Na, Gott sei Dank; denn Ihre Redezeit droht zu Ende zu gehen und der Kollege Rossmanith wollte Ihnen behilflich sein, sie noch ein bisschen zu verlängern.

Ulrike Flach (FDP):

Oh, das ist schön. Ich wollte gerade noch etwas zu diesen Projekten sagen, damit Sie einen tieferen Einblick bekommen, aber vielleicht fragt mich Kollege Rossmanith ja danach.

Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Frau Kollegin Flach, vermutlich ist Ihnen aufgrund der Vorbereitung auf diese Rede heute entgangen, dass wir gestern die Vorlage bezüglich der von Ihnen gerade im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung gewünschten Freistellung von 45 Prozent der Mittel erhalten haben, über die wir am kommenden Donnerstag im Haushaltsausschuss unter Tagesordnungspunkt 24 zu beschließen haben. Da Sie das ja mit einfordern, werden Sie der Vorlage zustimmen. Damit werden wir keine Probleme haben.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Dazu braucht man nur Ja zu sagen!)

Ulrike Flach (FDP):

Lieber Kollege Rossmanith, wie Sie wissen, sind wir beide uns bei dem hehren Plan, Innovationen in Deutschland anzustoßen, immer einig.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Was ist das für eine Koalition?)

Deswegen wird die FDP selbstverständlich zustimmen, wenn diese Mittel freigegeben werden sollen.

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Vorlage lesen!)

Ich sprach aber vom jetzigen Zeitpunkt. Wir befinden uns jetzt im Monat März. In der nächsten Woche nähern wir uns sozusagen schon dem April.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Diese Woche! - Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Dann sind wir schon im April!)

- Wir werden es nächste Woche im Ausschuss besprechen. Vorher können wir es ja nicht. Im Hintergrund des Ausschusses könnt ihr ja viel vor euch hindebattieren, der Ausschuss muss die Mittel aber freigeben. Um das einmal ganz klar zu sagen: Das wird nächste Woche sein.

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): 6. April!)

   Das Ministerium selbst hat uns erklärt - bleiben Sie ruhig stehen; ich bin noch bei der Beantwortung -, dass nicht nur 1 000 Einzelvorhaben in der Warteschleife sind - allein 700 davon im Rahmen des schönen Programms Pro Inno -,

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Das Brüderle kritisiert hat!)

sondern dass wir auch davon ausgehen müssen, dass ungefähr drei Monate für die Bearbeitung gebraucht werden.

   Ich sage den Kollegen und Kolleginnen dieses Hauses ganz ruhig: Wir befinden uns dann in der Mitte dieses Jahres. Lieber Kollege Rossmanith, wir nähern uns dann im Sauseschritt der Erhöhung der Mehrwertsteuer.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Wollen Sie eigentlich die Verfassung brechen?)

Wann soll denn eigentlich der Push erfolgen und wie soll die Strategie greifen, sodass es in diesem Lande zu Innovationen kommt?

(Beifall bei der FDP - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das ist echt der Knaller hier!)

   Das sind also wolkige Versprechungen. Die damit verbundenen Erwartungen werden durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die diese Projekte übrigens auch betrifft, endgültig wieder gedämpft. XXXXX

- War es richtig, dass sich der Kollege jetzt wieder gesetzt hat?

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ja; denn auch Zwischenfragen sind kein Anlass zur Abgabe von Regierungserklärungen,

(Heiterkeit)

sondern die Möglichkeit, eine kurze Frage zu stellen und darauf eine kurze Antwort zu erhalten.

Ulrike Flach (FDP):

Ich freue mich, Herr Präsident, dass Sie der Meinung sind, wir hätten auch Regierungserklärungen abgeben können. Ich kann mich deswegen kurz fassen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Minister Glos - ich wäre froh, wenn Sie nicht hinten bei der FDP säßen, sodass man Sie leichter ansprechen könnte -, ich wünsche Ihnen, dass Sie das tun, was Sie uns immer versprechen,

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Daran haben wir keine Zweifel!)

und wirklich Innovationen anstoßen. Sie können auf jeden Fall sicher sein, dass wir Sie bei der Umsetzung dieses Teils des Haushalts unterstützen werden. Aber wir werden mit sehr großer Akribie darauf schauen, ob es haushaltsgerecht und transparent abläuft und wirklich dem Sinn des Ganzen dient.

(Beifall bei der FDP)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Nächster Redner ist der Kollege Rainer Wend für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Kauder (CDU/CSU))

Dr. Rainer Wend (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst, Herr Bundesminister Glos, möchte ich ein Wort an Sie richten. Ich möchte Ihnen für die SPD-Fraktion unsere Unterstützung zusichern, wenn es darum geht, im Bereich Wirtschaft die Koalitionsvereinbarungen umzusetzen.

   Die Rede, die Sie heute Morgen gehalten haben, hat den Geist der großen Koalition wiedergegeben.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben darauf hingewiesen, dass Forschung und Entwicklung einen neuen Schwerpunkt erhalten werden und dass der Mittelstand für uns von entscheidender Bedeutung ist. Der rote Faden Ihrer Rede war für meinen Geschmack etwas mehr schwarz eingefärbt, als er es hätte sein müssen.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Das ist Geschmackssache! - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Über Geschmacksfragen wollen wir heute nicht streiten!)

Sie haben aber deutlich gemacht, dass diese große Koalition eine konstruktive Wirtschaftspolitik betreiben wird.

   Apropos große Koalition: Diese große Koalition ist keine Kuschelkoalition; darüber sollte kein Missverständnis aufkommen.

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Kuscheln ist doch schön!)

Ich stimme dem Kollegen Meyer ausdrücklich zu: In dieser großen Koalition gibt es Meinungsverschiedenheiten, die nicht zu verschweigen sind. Auch in anderen Koalitionen, etwa mit den Grünen, hat es Meinungsverschiedenheiten gegeben. Stichwort Atomenergie: Die CDU/CSU verfolgt tendenziell das Ziel, die Atomenergie eher länger am Energiemix zu beteiligen. Aus unserer Sicht überwiegen an dieser Stelle die Risiken. Daher halten wir am Ausstiegsbeschluss fest.

(Beifall bei der SPD)

   Genauso haben wir Streit über den Kündigungsschutz; das kann man in jeder Zeitung lesen. Warum sollte man das verheimlichen? Wir wissen, dass die Union beim Kündigungsschutz über das hinausgehen will, was in der Koalitionsvereinbarung vertraglich geregelt ist. Uns ging es, um offen zu sein, sogar ein wenig weit, was wir in der Koalitionsvereinbarung beschlossen haben. Aber so ist das eben unter Koalitionspartnern. Hier kommt man weiter, wenn man sich vertragstreu verhält, wenn man verlässlich ist und wenn man respektiert, dass sich hier zwei verschiedene Fraktionen für eine vorübergehende Zeit zusammengefunden haben, um für dieses Land Gutes zu tun. Genau das werden wir auch schaffen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   In den Reden der Opposition ist folgendes Schauspiel wiederholt aufgetreten: Der Kollege Brüderle sieht in unserem Land schon die Sonne nicht mehr scheinen und die Finsternis einkehren. Die Kollegin Lötzer sieht sogar die Ratten aus der Kanalisation verschwinden. Solange FDP und PDS nicht aufhören, einen Wettlauf darum zu veranstalten, wer dieses Land in den düstersten Farben malen kann, wird es keinem von Ihnen beiden gelingen, die Menschen in diesem Lande zu erreichen, Zukunftsstimmung zu verbreiten und die Probleme dieses Landes in den Griff zu bekommen. Dazu sind Sie beide - rechts und links in diesem Hause - schlicht unfähig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Was ist die Aufgabe einer Haushaltsdebatte? In einer Haushaltsdebatte sollte dargestellt werden, was in unserem Land gut läuft, aber auch, wo die Probleme liegen, um sich anschließend zu fragen: Dienen die Haushaltstitel so, wie sie eingestellt sind, dazu, diese Probleme zu lösen? Deswegen werde ich als einer der Vertreter der Regierungsfraktionen über Sorgen und Schwierigkeiten reden. Dabei frage ich: Ist das, was wir in unserem Haushaltsentwurf stehen haben, geeignet, diese Dinge anzugehen?

   Zu Recht wurde darauf hingewiesen, dass wir im Export gut sind. Zu Recht hat der Kollege Brüderle darauf hingewiesen, dass wir bei den Dienstleistungen schlecht sind. Es ist wahr: Wir sind - das zeigt die OECD-Studie - im Bereich der Dienstleistungen schlecht aufgestellt. Das ist problematisch, weil dieser Bereich das größte Reservoir potenzieller Arbeitsplätze birgt.

   Was können wir tun? Ein Ansatzpunkt ist die europäische Dienstleistungsrichtlinie, die vor allen Dingen in meiner Fraktion und von den Gewerkschaften kritisch gesehen wird, weil die Sorge besteht, dass Standards, die sich in unserem Land durchgesetzt haben, über den Umweg einer EU-Dienstleistungsrichtlinie ausgehöhlt werden. Ich glaube, dass diese Sorge zu Recht besteht. Denn wenn hier zu portugiesischen Bedingungen Arbeit angeboten wird, dann werden in unserem Land soziale Standards wie auch Umweltstandards gefährdet. Das können wir nicht hinnehmen.

   Eine Dienstleistungsrichtlinie stellt, wenn sie richtig gestaltet wird, aber auch eine Chance dar. Denn es ist wiederum auch nicht vernünftig, dass sich deutsche Maschinenbauer eine Woche vorher anmelden müssen, wenn sie in anderen europäischen Ländern Wartungsarbeiten durchführen wollen. Solange kann man nicht auf die Reparatur einer Maschine warten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Wir brauchen insofern auch eine gewisse Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte in Europa, um Dynamik in diesen Sektor zu bringen. Das richtige Augenmaß zwischen der Gewährleistung der Standards in unserem Land einerseits und einer Öffnung der Dienstleistungsmärkte andererseits zu finden, ist Aufgabe der Dienstleistungsrichtlinie. Ich finde, wir sind damit auf einem guten Weg.

(Beifall bei der SPD)

   Ein weiterer Bereich der Dienstleistungen sind die privaten Haushalte. Was haben wir uns über die Jahre für eine unsinnige Diskussion erlaubt, als sei es etwas Unanständiges, wenn ein privater Haushalt jemanden beschäftigt, der für Pflege, Kinderbetreuung oder sonstige Dienste im Haushalt zuständig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

   Die demografische Entwicklung und die Frauenerwerbsquote zwingen uns, in diesem Bereich zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen. Von daher finde ich es richtig, was die große Koalition in Genshagen beschlossen hat. Sie will haushaltsnahe Dienstleistungen steuerlich privilegieren und ermöglichen, dass Kinderbetreuungskosten in größerem Umfang als bisher steuerlich geltend gemacht werden können.

   Die EU-Dienstleistungsrichtlinie und unsere Vorschläge, die wir in Genshagen vereinbart haben, sind die richtige Antwort darauf, dass wir im Dienstleistungssektor Verbesserungen erzielen müssen. Wir werden dazu im Herbst weitere Vorschläge aus dem Ministerium für Arbeit und Soziales bekommen.

   Dienstleistungen sind ein Beispiel dafür, wo wir Verbesserungen erzielen müssen und dies auch können. Die große Koalition hat bereits einen Beitrag dazu geleistet.

(Beifall bei der SPD)

   Lassen Sie mich die Aufmerksamkeit auf einen weiteren Bereich richten. Ich beziehe mich in diesem Zusammenhang noch einmal auf den Kollegen Brüderle, der festgestellt hat, wir seien im Hightechbereich schlecht. Das stimmt nur zum Teil. Ich finde es wichtig, dass wir uns auf diesen Bereich konzentrieren. Denn im Zuge der Globalisierung werden wir - das wissen wir alle und wir sind uns hoffentlich darüber einig - den Wettbewerb mit anderen Staaten und Regionen der Welt nicht durchhalten, wenn wir ihn über Lohnkosten oder die Senkung von Standards bestreiten wollen. Wer dies versucht, ist zum Scheitern verurteilt. Wir als Sozialdemokraten wollen diesen Versuch auch gar nicht erst unternehmen.

   Wir müssen uns stattdessen mit Innovationen und neuen Technologien im Hightechbereich behaupten. Das ist der einzige Weg, im globalisierten Wettbewerb zu bestehen. Dabei müssen wir uns fragen, wie gut wir sind und wie wir besser werden können.

   Gewiss, wir haben Stärken. Die Intensität der Forschung und Entwicklung in Deutschland ist nicht so schlecht. Mit einem Anteil der Forschungs- und Entwicklungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt von etwa 2,5 Prozent erreichen wir im EU-Vergleich sogar einen überdurchschnittlichen Wert. Darauf wird zurückzukommen sein. Auch was den Weltmarktanteil von forschungs- und entwicklungsintensiven Waren angeht, ist Deutschland prozentual führend, noch vor Japan und gleichauf mit den USA. XXXXX

Deutschland ist mit dem Anteil an Patenten unter den großen Industrienationen in der Spitzengruppe. Deutschland verfügt über einen starken Kern von etwa 170 000 innovativen Unternehmen und renommierten Forschungseinrichtungen. Insbesondere ist die Beteiligung von kleinen und mittleren Unternehmen an Innovationen im EU-Vergleich hoch. Das bedeutet positive Beschäftigungsmöglichkeiten.

   Es gibt auch ein deutliches Aber. Das Gründergeschehen bei hightechorientierten Unternehmen ist im internationalen Vergleich gering. Die Entwicklung der F-und-E-Intensität und der F-und-E-Ausgaben in Deutschland ist zwar im EU-Vergleich ordentlich. Wenn man es aber mit den dynamischen Wachstumsregionen in Asien vergleicht, dann stellt man fest, dass wir inzwischen deutlich zurückfallen. In Japan beispielsweise liegt der Anteil der Forschungs- und Entwicklungsausgaben bei 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ausbildung und Qualifikation erreichen bei uns nicht mehr das Maß, das genügend Nachwuchs sicherstellt.

   Nach dem kürzlich veröffentlichten Business Barometer der amerikanischen Handelskammer ist der Standort Deutschland für US-amerikanische Unternehmen spürbar attraktiver geworden. Die Ausbildung und Qualifikation der Fachkräfte sowie eine gute Grundlagenforschung sind dafür der Grund. Nun kommt wieder ein Aber. Deutschland ist zwar für amerikanische Unternehmen gut genug als Verwaltungssitz, nicht aber als Forschungsstandort.

   Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man die Anzahl der Patente als Gradmesser für die Innovationsfähigkeit heranzieht. Nach der neuesten OECD-Studie hatte Deutschland 2001 einen Weltmarktanteil von 15 Prozent und wurde damit wieder einmal Weltmeister. Deutsche Patente erstrecken sich aber nicht auf die am stärksten wachsenden Patentbereiche, nämlich Informationstechnologie und Biotechnologie. Hier sind die Vereinigten Staaten ganz vorne. Außerdem geht die Zahl der Universitätsabschlüsse im Technik- und Ingenieurbereich zurück. Wurden 1998 noch 35 Prozent aller Universitätsabschlüsse im Wissenschafts- und Ingenieurbereich gemacht, sind es 2002 lediglich 30 Prozent. Dieser Trend bereitet Sorgen.

   Zur Erinnerung: 2,5 Prozent des BIP geben wir für Forschung und Entwicklung aus. Das ist im EU-Vergleich nicht schlecht. Aber die genannten Zahlen verdeutlichen ein Problem. Wir sind gut beim Maschinenbau, in der Automobilindustrie und der chemischen Industrie und wir wollen es auch bleiben. Aber in den Bereichen, in denen die Zukunftsmusik spielt, in der Informationstechnologie sowie der Bio- und Gentechnologie, sind wir nicht mehr Weltspitze. Das ist die Problembeschreibung.

   Nun stellt sich die Frage, was die große Koalition leistet, damit wir wieder an die Weltspitze kommen. Wir haben in Genshagen beschlossen, bis 2009 insgesamt 6 Milliarden Euro zusätzlich für Forschung und Entwicklung einzusetzen, davon 800 Millionen Euro in diesem Jahr.

(Beifall bei der SPD)

Der Haushalt des Ministeriums für Wirtschaft und Technologie wird um insgesamt 1,2 Milliarden Euro aufgestockt. Außerdem wollen wir in dieser Legislaturperiode an die 3-Prozent-Grenze herankommen. Das ist zwar nicht die Weltrevolution - diese wäre mit Rot-Schwarz auch nicht zu machen -, wohl aber der Versuch, die Herausforderungen anzunehmen und Deutschland bei den neuen Technologien Schritt für Schritt in die Weltspitze zurückzuführen. Das werden wir auch schaffen.

(Beifall bei der SPD)

   Das ist aber nicht alles. Wir dürfen nicht nur mehr für Forschung und Entwicklung ausgeben. Vielmehr müssen wir es schaffen, die Mehrausgaben stärker zu fokussieren. Das heißt: keine Ausgaben nach dem Gießkannenprinzip, sondern Clusterbildung. Wir müssen uns auf die europäischen Stärken beispielsweise in der Luft- und Raumfahrt, der Automobilindustrie, im medizinischen Bereich und in der Telekommunikation konzentrieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Wend, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Flach?

Dr. Rainer Wend (SPD):

Sehr gerne.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Bitte, Frau Flach.

Ulrike Flach (FDP):

Herr Kollege Wend, Sie haben zu Recht auf die Wichtigkeit von Innovationen hingewiesen. Aber sind Sie nicht mit mir einer Meinung, dass oft Projekte - gerade im Wirtschaftsministerium - als innovativ bezeichnet werden, bei denen man sich fragen muss, ob sie zielführend sind? Ist es etwa notwendig, dass das Wirtschaftsministerium eine Internetbasis für integrierte Agrardienstleistungen unterhält und damit beispielsweise internetbasierte Mähverfahren als Innovation fördert?

   Es würde mich auch interessieren, ob Sie es für sehr innovativ halten, dass nun, wenige Wochen vor der Fußballweltmeisterschaft, immer noch ein digitales Kino von Ihnen gefördert wird. Kurzum: Sind Sie unter dem Strich nicht der Meinung, dass all diese Programme, gerade des Wirtschaftsministeriums, längst einmal im Hinblick auf ihren Wert evaluiert werden müssten?

Sabine Zimmermann (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zuerst zu Herrn Wend. Herr Wend, wollen Sie das Problem der Arbeitslosigkeit lösen oder wollen Sie hier bloß gute Stimmung verbreiten? Das ist meine erste Frage an Sie. Denn von einer guten Stimmung hat ein Arbeitsloser nichts - er braucht einen Arbeitsplatz und einen Lohn, von dem er seine Familie ernähren kann.

(Beifall bei der LINKEN)

   Herr Meyer - Sie haben es sich da hinten so schön bequem gemacht -, was soll ich einem Langzeitarbeitlosen sagen, der zu mir als DGB-Vorsitzende der Region Vogtland/Zwickau kommt, weinend vor mir sitzt und sagt, dass er seine Familie nicht ernähren kann? Wie soll es weitergehen für ihn? Diese Frage haben Sie mir nicht beantwortet.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt)

   Heute hat die „taz“ gut kommentiert: „Zu gute Stimmung für zu wenig Jobs“. Bei diesem Haushalt wird es, wie nicht anders zu erwarten, viele Verlierer, aber wenige Gewinner geben. Damit führen Sie die Politik der Vorgängerregierung fort, die das Großkapital auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und vor allen Dingen auf Kosten des Mittelstandes gefördert hat.

(Dr. Rainer Wend (SPD): Macht den Unternehmern Dampf! Klassenkampf! Klassenkampf!)

   Trotz der hohen Arbeitslosigkeit und trotz der hohen Zahl von Unternehmensinsolvenzen soll es nach dem Willen der Bundesregierung einfach „weiter so“ gehen. Aber wen wundert das? Was kann man zu einer großen Koalition sagen, die die Ergebnisse der letzten Landtagswahlen als Bestätigung ihres Kurses sieht,

(Beifall bei der LINKEN)

obwohl nur jeder Zweite zur Wahl gegangen ist und obwohl beide Parteien, Union und SPD, insgesamt über 1 Million Stimmen verloren haben?

Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, haben es sich mit Ihrer Mehrheit hier in diesem Hause bequem eingerichtet. Ihnen ist der Bezug zur Lebensrealität und zu den Problemen der Menschen in diesem Land einfach verloren gegangen.

(Beifall bei der LINKEN - Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Aber sonst geht es Ihnen noch ganz gut?)

   Um der zunehmenden Entfremdung zwischen Politik und Gesellschaft entgegenzuwirken, rege ich hier an, die Tätigkeit von Abgeordneten auf zwei Legislaturperioden zu beschränken. Damit hätten viele Abgeordnete hier im Hause die Möglichkeit, sich wieder mit der sozialen Wirklichkeit vertraut zu machen.

(Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Besprechen Sie das einmal mit Ihren Fraktionsvorsitzenden!)

   Die Gewinne der 30 führenden Konzerne in Deutschland sind im Jahr 2005 - -

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Gysi und Lafontaine wären damit rausgeflogen, Frau Kollegin!)

- Ja, Sie, Herr Kampeter, sind damit auch gemeint, denn Sie sind auch länger als zwei Legislaturperioden im Bundestag. -

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Dümmlicher Populismus!)

Aber Sie haben nichts anderes zu tun, als bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, den Arbeitslosen, den Rentnern und Jugendlichen zuzulangen. Das gilt auch für viele Teile des Mittelstandes. Unter der Mehrwertsteuererhöhung wird ein Kleinstunternehmer doppelt leiden: einmal, weil die Binnennachfrage ausbleibt, und dann, weil ein Einmannunternehmen nun einmal nicht von der Senkung der Sozialversicherungsbeiträge profitiert, ganz im Gegensatz zum Großkapital.

   Die Bundesregierung kennt nur den Mittelstand, der international exportiert; das wurde heute auch in Ihren Reden deutlich. Das trifft aber lediglich auf 12 Prozent der mittelständischen Unternehmen zu; Herr Wend, Sie werden sicherlich die Zahlen kennen. Das sind meist größere mittelständische Unternehmen mit mehreren hundert Beschäftigten, die in diesem Land gute Gewinne schreiben. Die Mehrheit der kleinen Selbstständigen hat ganz andere Probleme - trotz der leicht verbesserten Konjunktur -, aber die interessieren hier wahrscheinlich niemanden.

   CDU und SPD - und hier kommen Sie, meine Damen und Herren von der FDP und den Grünen, dazu - empfehlen dauernd den Weg in die Selbstständigkeit. Was mit den Menschen passiert, die auf der Flucht vor Hartz IV den Schritt in die Selbstständigkeit wagten, darüber will niemand mehr sprechen.

   Dabei ist die Lage katastrophal. In den letzten drei Jahren hat die Agentur für Arbeit fast 900 000 Existenzgründungen aus der Arbeitslosigkeit unterstützt. Aber was ist aus den Existenzgründern geworden? Ich zitiere den jüngsten Mittelstandsmonitor der Kreditanstalt für Wiederaufbau: Nach circa einem Geschäftsjahr operiert noch fast die Hälfte in der Verlustzone und nur knapp ein Viertel der Gründer kann vollständig den Lebensunterhalt bestreiten.

Sie haben mit Ihrer Politik eine riesige Gruppe von Menschen in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen geschaffen, die jenseits der Arbeitslosenstatistik ein Leben in Armut fristen müssen.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der SPD: Wenn sie Geld verdienen würden, wäre es Ihnen doch auch nicht recht! Dann wären es Kapitalisten!)

   Der Grund dafür liegt auf der Hand. Es fehlt nicht etwa an Export. Das Problem ist die am Boden liegende Binnenwirtschaft, unter der vor allen Dingen das kleine Handwerk überdurchschnittlich leidet.

(Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Mein Gott! Das ist ja traurig für den DGB!)

Ihre Politik setzt hier kein anderes Zeichen. Das ist ein düsterer Ausblick für die Zukunft des Mittelstandes.

   In den aktuellen Haushaltsberatungen setzen wir uns für die Einrichtung eines Handwerkerhilfsfonds ein. Der Fonds soll Klein- und Kleinstunternehmen helfen, deren Existenz unverschuldet gefährdet ist, etwa durch kriminelle Machenschaften oder auch durch die Zahlungsmoral. Das ist eigentlich nichts grundlegend Neues; das gab es bereits einmal im Jahr 2001. Damals waren die Handwerkerfrauen am Brandenburger Tor in einen Hungerstreik getreten. Vielleicht können sich einige von Ihnen hier in diesem Hause daran erinnern.

(Zuruf von der SPD: Wir waren sogar dort!)

   Hat sich die Lage geändert? Wohl kaum. Immer noch liegt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen bei deutlich mehr als 30 000. Es sind fast ausschließlich Kleinunternehmen, die es trifft. Noch immer ist die Zahlungsmoral der meist genannte Grund für die Insolvenzen. Das hat auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks in einer Erhebung noch einmal bestätigt.

   Nicht nur die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sollen durch längere Arbeitszeiten, Stellenabbau und Gehaltskürzungen die Löcher ausbaden, die die Steuerentlastungen für das Großkapital in die öffentlichen Haushalte gerissen haben, sondern auch der kleine Handwerker mit seiner Existenz. Dabei steht dafür eigentlich genug Geld zur Verfügung. Wir schlagen vor, die Subventionierung der Bestrebungen der Großunternehmen nach Expansion im Ausland zu kürzen. Ich nenne hier nur den Haushaltstitel „Pflege der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland“. XXXXX

Was wird hier gemacht? Ich lese vor:

Gefördert werden Unternehmertreffen, Workshops, Kooperations- und Kontaktbörsen oder Tage der Deutschen Wirtschaft sowohl im Ausland als auch im Inland.

Das können die großen Verbände eigentlich selbst machen.

(Beifall bei der LINKEN)

34 Millionen Euro sollen hier ausgegeben werden. Wir wollen nur 3 Millionen Euro für den Handwerkerhilfsfonds.

   Ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren von der großen Koalition, Sie müssen sich entscheiden: Wollen Sie die Expansion der Großunternehmen weiter unterstützen, und das, obwohl bekannt ist, dass die Rekordgewinne dort auf Kosten der Beschäftigten und der mittelständischen Zulieferer erzielt werden? Oder wollen Sie Ihren Sparkurs im Inland beenden und damit zeigen, wie ernst es der Regierung mit den Belangen des Menschen und des Mittelstandes in diesem Land wirklich ist? Mit patriotischen Appellen an die deutschen Manager, Herr Stiegler, werden Sie die Probleme wahrscheinlich nicht lösen können.

   Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Das Wort hat Anna Lührmann, Bündnis 90/Die Grünen.

Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich in meiner heutigen Rede auf ein Drittel des Wirtschaftsetats konzentrieren. Über dieses Drittel des Wirtschaftsetats können wir in den Haushaltsberatungen gar nicht mehr reden, weil die Kohle schon längst abgeflossen ist. Sie ahnen wahrscheinlich, wovon ich spreche: Ich meine die 1,6 Milliarden Euro Subventionen, die schon im Januar dieses Jahres an die RAG überwiesen worden sind.

   Statt Arbeitsplätze des 21. Jahrhunderts zu fördern, ist ein Drittel des Wirtschaftsetats also schon verfeuert worden, um eine Industrie aus dem 19. und 20. Jahrhundert künstlich am Leben zu halten, und das, ohne dass ein Politiker, der etwa in dieser Wahlperiode zum ersten Mal in den Bundestag gewählt worden ist, darüber auch nur ein Wort hätte mitreden können. Solche Vorfestlegungen finde ich ungerecht, weil sie die Handlungsfähigkeit der heutigen Politiker und der jungen Generation deutlich einschränken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei müssten wir dringend handlungsfähig sein, um auf die neuen Probleme des 21. Jahrhunderts - demografischer Wandel, Globalisierung, Klimawandel - wirklich reagieren zu können. Dafür bräuchten wir dringend diejenigen Haushaltsmittel, die für die Kohle gebunden sind.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Lührmann, möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kröning zulassen?

Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Gerne.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Bitte schön, Herr Kröning.

Volker Kröning (SPD):

Auch ich würde gern etwas mehr Kohle von der Kohle beziehen, aber können Sie dem Haus bestätigen, dass Sie dem Deutschen Bundestag und auch dem Haushaltsausschuss schon in der vorigen Wahlperiode angehört haben und dass die Zahlungen, die Sie eben erwähnt haben, von der vorigen Koalition, die Ihre und meine Fraktion gemeinsam gebildet haben, beschlossen worden sind?

Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke, Herr Kollege, für diese Frage. - Ich kann Ihnen bestätigen, dass die dieses Jahr geleisteten Zahlungen ein Resultat der Kohlerunde von 1997 sind. Das heißt, dass sämtliche Fraktionen in diesem Hause diesen Zahlungen in irgendeiner Art und Weise einmal zugestimmt haben.

(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

- Vielleicht muss ich Sie persönlich davon ausnehmen.

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Das trifft nicht zu! Das ist falsch! Es war Kanzler Schröder, der das gemacht hat!)

   Das ändert aber nichts daran, dass es ein Problem ist, dass wir einen so vergangenheitsbezogenen Wirtschaftsetat haben. Das ändert vor allen Dingen nichts daran - darauf möchte ich in meiner Rede eingehen -, dass wir solche Vorfestlegungen in Zukunft vermeiden müssen. Wir müssen schnellstmöglich dafür sorgen, dass ein Sockelbergbau nicht aufrechterhalten wird und dass die Kohlesubventionen dauerhaft abgebaut werden.

(Volker Kröning (SPD): Darf ich eine weitere Frage stellen? - Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Zur Kernenergie!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Wie ich sehe, ist Frau Lührmann einverstanden.

Volker Kröning (SPD):

Finden Sie es eigentlich ersprießlich, dass Sie politisch etwas ansprechen, woran wir rechtlich eindeutig gebunden sind, jedenfalls für die nächste Zeit? Wir können gerne über 2015 oder über 2025 reden.

Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege Kröning, mir geht es darum, dass den Bürgerinnen und Bürgern klar wird, worüber wir reden. Wir sprechen hier über den Wirtschaftsetat; das ist in den vorherigen Reden nicht so deutlich geworden.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Na, na, na!)

Ein Drittel des Wirtschaftsetats ist nun einmal gebunden; da haben Sie vollkommen Recht. Dass wir darüber heute nicht mehr verfügen können, ist genau das Problem. Wenn wir über Generationengerechtigkeit, über Nachhaltigkeit debattieren, dann müssen wir erkennen, dass wir zu einer deutlich anderen Haushaltsstruktur kommen müssen. Dafür wird meine Fraktion in den Haushaltsberatungen eintreten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Für uns ist ganz klar, dass wir die Mittel, die in diesem Jahr und in den nächsten Jahren - da sind wir ja auch noch gebunden - für die Subventionen abfließen, eigentlich bräuchten, um zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen; denn die Märkte der Zukunft in Indien oder in China haben kein Interesse an der überteuerten deutschen Kohle, aber zum Beispiel an innovativen Solarzellen „Made in Germany“. Das ist der Markt der Zukunft. Darin müssten wir auch aus dem Wirtschaftsetat stärker investieren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich komme jetzt noch einmal auf das zu sprechen, was in den letzten Jahren beim Thema Kohle gelaufen ist. Wir haben im Jahr 2004 über dieses Thema sehr heftige Diskussionen gehabt, auch in der rot-grünen Koalition, und haben mit durchgesetzt, dass die Weltmarktpreise bei der Zahlung der Kohlesubventionen in Zukunft stärker Berücksichtigung finden müssen.

   Ich will kurz erklären, worum es da geht. Wir zahlen momentan Subventionen, weil die deutsche Kohle auf dem Weltmarkt zu teuer ist. Wir zahlen also Subventionen, damit diese Kohle überhaupt Absatz findet. Es ist nun aber so, dass der Weltmarktpreis in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist, im letzten Jahr um 20 Euro pro Tonne. Das ist eine Steigerung um ein Drittel. Eines, finde ich, muss klar sein: Wenn die RAG für ihre Kohle deutlich mehr einnimmt, dann braucht der Staat nicht weiter gleich viele Subventionen zu zahlen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Genau das haben wir in den Zuwendungsbescheiden in den letzten Jahren festgeschrieben, Herr Kollege Kröning; das ist richtig. Auch die große Koalition muss sich an diese Zuwendungsbescheide halten und darf nicht vor der Wirtschaft einknicken. Hier muss wirklich klar sein: Höhere Weltmarktpreise führen zu weniger Subventionen. So kann der Haushalt in jedem Jahr um einen dreistelligen Millionenbetrag entlastet werden.

(Beifall der Abg. Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Noch viel wichtiger allerdings sind die mittel- und langfristigen Perspektiven in der Kohleförderung. Die Position der Grünen zu diesem Thema ist sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene eindeutig: Wir wollen keinen Museumsbergbau, sondern den schnellstmöglichen sozialverträglichen Ausstieg aus der Förderung. Wir müssen den Menschen vor Ort schon jetzt andere Perspektiven eröffnen.

   Herr Glos, ich vermisse von Ihnen eine ganz klare Aussage dazu, wie Sie denn jetzt in Ihrer Regierungsverantwortung als Wirtschaftsminister zu diesem Thema stehen. In Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung gemeinsam mit den Grünen im Landtag eine sehr eindeutige Position bezogen. Wir haben im Landtag in Nordrhein-Westfalen vor zwei Wochen einen Antrag beschlossen, in dem Landesregierung und Grüne ganz klar sagen, dass sie aus dem Bergbau aussteigen wollen

(Dr. Rainer Wend (SPD): Das geht nicht mit uns! Leider nicht möglich!)

und dass eine sozialverträgliche Perspektive eröffnet werden soll. Die SPD hat dagegengestimmt.

(Dr. Rainer Wend (SPD): Allerdings!)

   Deshalb stelle ich hier die Frage an die Regierung: Was ist Ihre Perspektive für die Kohlerunde 2009? Ich bitte Sie, dazu Farbe zu bekennen.

(Dr. Rainer Wend (SPD): Das steht im Koalitionsvertrag!)

- Im Koalitionsvertrag steht nicht allzu viel.

(Dr. Rainer Wend (SPD): Das reicht aber!)

Da wird sehr schön drum herum geredet. Deshalb würde mich sehr interessieren, wie Sie in die Kohlerunde 2009 hineingehen wollen. Die Perspektive ist für uns ganz klar: Wir brauchen einen Ausstieg aus dem Sockelbergbau, damit wir das Geld für Investitionen in zukunftsfähige Arbeitsplätze frei haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ein weiteres wichtiges Thema in dem Zusammenhang ist der Börsengang der RAG. Wir als Grüne stehen diesem Thema grundsätzlich positiv gegenüber. Aber es gibt noch eine Reihe ungeklärter Fragen. Ich glaube, wir sind uns hier im Hause einig darüber, dass diese Fragen vor einem Börsengang geklärt werden müssen.

   Es geht zum Ersten um die Frage, wie für die RAG ein größtmöglicher Verkaufserlös erzielt werden kann. Es gibt momentan deutliche Anzeichen dafür, dass eine separate Vermarktung der Unternehmenssparten zu einem deutlich höheren Erlös für die öffentliche Hand führen könnte. Das muss in nächster Zeit in einem transparenten und offenen Verfahren geklärt werden.

   Der zweite Punkt ist noch viel wichtiger. Immer noch nicht offen gelegt sind die Schätzungen darüber, über welche Altlasten oder so genannte Ewigkeitskosten wir bei dem Thema eigentlich noch reden. Für uns ist eines klar: Es kann nicht sein, dass die Aktionäre und Herr Müller hohe Gewinne an der Börse erzielen

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Das war doch Ihr Minister!)

und der Steuerzahler allein auf den Altlasten sitzen bleibt. Das ist kein zukunftsfähiges Konzept.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Axel Berg (SPD) - Dr. Rainer Wend (SPD): Daran werden wir denken!)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Schluss kommen. Damit künftige Generationen in der Haushaltspolitik und bei der politischen Gestaltung mehr Spielräume als wir heute haben, darf es nicht so weitergehen, dass ein Drittel des Wirtschaftsetats verbrannt wird, um eine Industrie aus dem 19. und 20. Jahrhundert künstlich am Leben zu erhalten. Für Investitionen in Jobs mit Zukunft brauchen wir die nötigen finanziellen Spielräume. Deswegen müssen von der großen Koalition in nächster Zeit zwei Sachen umgesetzt werden.

Erstens. Die Weltmarktpreise müssen bei den Subventionen Berücksichtigung finden. Zweitens. In der Kohlerunde 2009 muss ganz klar über den Ausstieg aus dem deutschen Steinkohlenbergbau verhandelt werden. Nur so haben wir mehr Mittel frei für die Erforschung von umweltfreundlichen Energiequellen und Energietechnologien und nur so können wir Jobs schaffen, die Zukunft in Deutschland haben.

   Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Das Wort hat der Kollege Kurt Rossmanith, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Wir hatten tatsächlich einmal Zeiten, da gab es bei der FDP noch wirtschaftlichen Sachverstand.

(Zuruf von der SPD: Ist aber schon länger her! - Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das gab es bei der CSU auch mal!)

Ein leider viel zu früh verstorbener Bundesminister für Wirtschaft hat damals ausgeführt, dass Wirtschaft primär durch die Wirtschaft zu handhaben sei. Das ist richtig; aber die Politik muss die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, damit die Eigendynamik der Wirtschaft gestärkt werden kann, damit wieder Wachstumskräfte frei werden, Innovation entsteht und dadurch Arbeitsplätze geschaffen werden können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Deshalb, meine verehrten Kollegen von der FDP, muss ich sagen: So etwas Konfuses wie das, was Sie heute dargestellt haben, habe ich in diesem Hause selten gehört. Der Herr Kollege Brüderle sagt, die Förderung der Wirtschaftsinnovationen müsse abgeschafft werden.

(Rainer Brüderle (FDP): Sie sollten mal richtig zuhören!)

Die Frau Kollegin Flach sagt, wir hätten viel zu wenig, und fragt, warum das nicht schon längst am Laufen sei. Das ist am Laufen, liebe Frau Kollegin Flach! Wir werden am kommenden Donnerstag die Verpflichtungsermächtigungen - ich erläutere Ihnen das anschließend noch einmal, weil die Redezeit hier zu schade ist; denn wir haben noch andere wichtige Probleme - für die kommenden Jahre zustimmend zur Kenntnis nehmen. Die Verpflichtungsermächtigungen, die in diesem Jahr wirksam werden, sind ja aus den vergangenen Jahren. Das heißt, es läuft. Der Herr Kollege Brüderle sollte sich vielleicht einmal in Mainz und Umgebung gerade bei kleinen, innovativen, forschungsstarken Unternehmen umsehen, ob sie nicht von diesem Programm profitiert haben und es loben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD - Rainer Brüderle (FDP): Sie sollten mal zuhören und nicht solchen Unsinn erzählen! Wir sind hier nicht im Bierzelt!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege, möchten Sie denn eine Zwischenfrage von Frau Flach zulassen?

Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Selbstverständlich.

Ulrike Flach (FDP):

Lieber Kollege Rossmanith, Sie stimmen sicherlich mit mir überein, dass man Kollegen Brüderle immer zuhören sollte. Er hat sich natürlich nicht gegen Innovationen ausgesprochen; aber das ist nicht meine Frage.

   Meine Frage ist, ob Sie wirklich der Meinung sind, dass der Staatssekretär Wuermeling uns als Berichterstattern sozusagen wissentlich etwas Falsches erzählt hat, als er gesagt hat, selbst wenn diese Mittel jetzt frei würden - damals war es noch im Konjunktiv; wie ich höre, scheint sich etwas zu bewegen -, gäbe es noch einen Stau über drei Monate. Wir reden im Augenblick von etwa 1 000 Projekten, die im Kanonenrohr stecken.

(Zuruf von der SPD: 700!)

Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Zu Ihrer ersten Frage, Frau Kollegin Flach. Kollege Brüderle hat ausdrücklich - er hat es expressis verbis hier gesagt; das können Sie gerne nachlesen - Inno-Watt kritisiert, die Förderung innovativer Wachstumsträger. Dadurch können viele kleine und mittelständische Unternehmen sehr erfolgreich Forschung betreiben.

   Zu der zweiten Frage. Ich betone noch einmal: Es handelt sich hier um Verpflichtungsermächtigungen für das nächste Jahr, die schon auf den Weg gebracht werden müssen, damit Anträge jetzt gestellt werden können. Sie haben ja vorhin richtigerweise gesagt, dass es eine Bearbeitungsdauer von drei oder vier Monaten gibt, weil die Forschungsprojekte natürlich korrekt geprüft werden müssen, damit Gelder nicht unüberlegt freigegeben werden. In diesem Jahr werden die Verpflichtungsermächtigungen aus dem Haushaltsgesetz 2005 wirksam. Es geht also nicht um die Verpflichtungsermächtigungen für dieses Jahr; aber es ist richtig, dass sie schon jetzt freigegeben werden müssen. XXXXX

Dies ist korrekt. Ich danke Ihnen, dass Sie mir ermöglicht haben, es hier coram publico darzustellen.

(Dr. Gerd Müller (CDU/CSU): Sehr gut!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege, wenn Sie möchten, könnten Sie jetzt noch eine Frage von Herrn Brüderle zulassen.

Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Selbstverständlich gerne.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Das gibt zusätzliche Redezeit!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Bitte, Herr Brüderle.

Rainer Brüderle (FDP):

Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen, was ich vorhin gesagt habe? Zuhören ist nicht so einfach. Ich lese es deshalb einmal vor: Die Konjunkturentwicklung festigen Sie bestimmt nicht mit immer neuen Förderprogrammen wie Inno-Watt, Inno-Net, NEMO und Pro Inno. - Das habe ich gesagt.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Aber Sie haben es sehr negativ dargestellt!)

Ich habe aber nicht gesagt, dass ich gegen Innovationsförderung bin. Sie müssen den Zusammenhang verstehen, was natürlich schwierig wird, wenn man nicht drei Sätze zuhören kann.

(Zuruf von der CDU/CSU: Oh!)

Ich bitte Sie, das einmal zur Kenntnis zu nehmen.

Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Lieber Herr Kollege Brüderle, im Prinzip schätze ich Sie durchaus.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Aber Ihre arrogante und oberlehrerhafte Art, die Sie heute an den Tag legen, ist Ihrer Person nicht würdig. Das will ich Ihnen sehr deutlich sagen.

   Sie sind von Ihrem Manuskript abgewichen. Ich bin dankbar, dass Sie sagen, dass wir innovative Forschung im mittelständischen Bereich weiterhin fördern wollen. Da sind wir auf einer Ebene. Aber bitte unterlassen Sie es, in populistischer Art und Weise in der Öffentlichkeit Aussagen zu treffen, die Sie hinterher wieder zurücknehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Möchten Sie noch eine Nachfrage zulassen? Das wäre dann die letzte.

Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Selbstverständlich.

Rainer Brüderle (FDP):

Herr Kollege, sind Sie bereit, mir zuzustimmen, dass wir hier im Deutschen Bundestag sind und nicht im Bierzelt?

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Dieser Büttenredner!)

Rainer Brüderle (FDP):

Herr Kollege, sind Sie bereit, mir zuzustimmen, dass wir hier im Deutschen Bundestag sind und nicht im Bierzelt?

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Dieser Büttenredner!)

Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Es wäre gut gewesen, Herr Kollege Brüdere, wenn Sie das bei Ihrer Rede beachtet hätten.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ihre Rede hätte besser zu „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“ gepasst. Wir sind aber zehn Tage vor der Karwoche; die Fastnachtzeit ist längst vorbei, auch in Mainz.

(Dr. Gerd Müller (CDU/CSU): Diese Rede hatte einen hohen Öchslegrad!)

   Natürlich bedrückt es uns, dass wir nach wie vor fast 5 Millionen Arbeitslose haben. Aber erfreulich ist doch, dass sich die Stimmung in unserem Land gewandelt hat. Der Ifo-Geschäftsklimaindex - Herr Bundesminister Glos hat es schon angesprochen - hat den höchsten Stand seit 15 Jahren erreicht. Wir dürfen in diesem Jahr etwa 150 000 zusätzliche Arbeitsplätze erwarten. Wir haben außerdem einen Stopp des Beschäftigungsabbaus erreicht.

   Es kann nicht angehen - das kann man wahrscheinlich noch unter dem Stichwort Fastnacht abhaken -, dass der Bundesverband deutscher Banken in Haftung für etwas genommen wird, was er so nicht dargestellt hat. Im Gegenteil, in seiner gestrigen Mitteilung hat der Bundesverband deutscher Banken die Wachstumsprognose von 1,5 auf 1,7 Prozent erhöht. Es wurde ausdrücklich gesagt:

Die Investitionen der Unternehmen nehmen deutlich zu und auch in der Bauwirtschaft ist ein Ende der jahrelangen Talfahrt abzusehen. Das Wirtschaftswachstum reicht 2006 aus, um neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Das ist die Aussage des Bundesverbandes deutscher Banken und nicht das, was Sie, Herr Brüderle, dargestellt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

   Etwas Ehrlichkeit muss auch hier gegeben sein. Man kann ja für unterschiedliche Wege sein, wobei wir in unseren Auffassungen zur Wirtschaftspolitik nie weit von Ihnen entfernt waren. Aber lasst uns, bitte schön, in diesem Hause ehrlich miteinander umgehen! Wir werden den Arbeitslosen und den jungen Menschen, die in Zukunft auf qualifizierte Arbeitsplätze angewiesen sind, nicht helfen, wenn wir nur negativ reden und sozusagen das hervorheben, was als Bodensatz auf dem Grund des Sees liegt. Nein, wir müssen den Menschen sagen, dass wir uns alle bemühen, damit es vorwärts geht. Das wird kein leichtes Unterfangen sein. Auch das muss man der Ehrlichkeit halber sagen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege, möchten Sie eine weitere Frage des Herrn Brüderle zulassen?

Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Wenn der Herr Brüderle dies wünscht.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Offensichtlich.

Rainer Brüderle (FDP):

Herr Kollege, ich habe wörtlich eine Reuters-Meldung von gestern zitiert. Ich wiederhole es:

Die Bundesregierung hat es nach Ansicht der Geschäftsbanken in der Hand, den Wirtschaftsaufschwung mit klaren Reformen ins kommende Jahr zu retten.

Das habe ich zitiert und nichts anderes.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): War das eine Frage?)

Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen?

Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Herr Brüderle, hätten Sie doch weiter zitiert.

(Rainer Brüderle (FDP): Mehr steht dort nicht!)

- Dann sollte sich die FDP einen anderen Ticker holen, der die Pressemitteilungen vollständig wiedergibt.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Lieber Herr Brüderle, Sie sind offensichtlich noch mit einer Technologie ausgestattet, die nicht dem heutigen Stand und schon gar nicht dem von morgen entspricht.

(Rainer Brüderle (FDP): Reuters bedankt sich bei Ihnen für die Bewertung!)

   Ich will noch einen Punkt ansprechen; denn zum Haushalt an sich komme ich gar nicht mehr. Liebe Frau Kollegin Flach, Sie haben die Kolleginnen und Kollegen des Wirtschaftsministeriums kritisiert. Ich muss dazu sagen: Diese sind willig. Sie sind motiviert. Sie sind hoch qualifiziert. Sie haben sehr viele Aufgaben wahrzunehmen.

   Ich kann auch nicht nachvollziehen, wie Sie sagen können, wir seien in der Forschung auf einem absteigenden Ast.

(Zuruf der Abg. Ulrike Flach (FDP))

- Natürlich sind wir für die Freiheit der Forschung. - Gerade im Bereich der Raumfahrt, liebe Frau Kollegin Flach, waren wir aus dem Stand heraus enorm erfolgreich. Bundesminister Glos hatte kaum seinen Eid geschworen, da fand ein paar Tage später die ESA-Ministerratskonferenz statt. Er und das DLR - ich betone ausdrücklich: das DLR, unsere Raumfahrtagentur - haben hervorragende Arbeit geleistet und Deutschland in der Raumfahrt wieder nach vorne gebracht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Sie haben im europäischen Verbund aufgezeigt, welche Leistungen wir erbringen, und haben der Jugend - lassen Sie mich das als letzten Aspekt sagen - wieder Hoffnung gegeben. Wir haben in Deutschland im Bereich der Luft- und Raumfahrt - Frau Kollegin Flach, vielleicht hören Sie auch bei diesem letzten Punkt noch zu - jährlich einen Bedarf von 1 000 bis 1 500 Ingenieuren, während in Deutschland pro Jahr nur 400 ihr Studium abschließen. Warum? Weil ständig Technikfeindlichkeit gepredigt

(Beifall bei der CDU/CSU)

und von den Grünen gesagt wird: Lasst diesen Bereich außer Acht! Setzt euch lieber für Soziologen, Philologen, Politologen ein,

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD)

die sicherlich auch wichtig sind. Damit werden wir die Zukunft nicht retten.

(Lachen beim BÜNDNUIS 90/DIE GRÜNEN)

   China hat es verstanden. Allein im Bereich der Luft- und Raumfahrt werden in China jährlich 40 000 Ingenieure fertig. Wir wollen doch nicht wieder eine Greencardregelung, die damals sowieso voll danebenging. Wir wollen unseren jungen Menschen, unseren jungen Frauen und unseren jungen Männern, die intelligent und wissensdurstig sind und arbeiten wollen, vielmehr Zukunftstechnik und hoch qualifizierte Arbeitsplätze zwischen dem Allgäu und der Ostsee und zwischen dem Schwarzwald und der Oder bieten. Das ist unsere Aufgabe und der sollten wir uns gemeinsam verpflichtet sehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD - Zurufe von der CDU/CSU: Bravo!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Kollegin Ute Berg.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sie hat es jetzt natürlich schwer! - Ludwig Stiegler (SPD): Jetzt kommen wir wieder zur Sache!)

Ute Berg (SPD):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der Auseinandersetzung zwischen der CDU-Fraktion

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): CSU bitte auch!)

und der FDP-Fraktion muss ich feststellen: Sie alle müssten heilfroh sein, dass Sie zusammen mit uns eine Koalition bilden.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Euren freundschaftlichen Umgang mit der PDS will ich nicht analysieren! - Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Mit Ihnen schon!)

   Ludwig Stiegler hat mir eben in seiner etwas unvollständigen Ankündigung der Rednerliste den Bereich Forschung und Technologiepolitik zugewiesen. Deshalb fange ich mit einem Zitat des Präsidenten der Fraunhofer-Gesellschaft, Hans-Jörg Bullinger, an, der gesagt hat: Wir sind verdammt zur Innovation. - Im Zuge der Haushaltsdebatte möchte ich hinzufügen: Wir sind verdammt zur Investition in Innovation. Wir müssen investieren, damit unsere Wirtschaft noch leistungsfähiger wird, damit sie weiterhin international mithalten kann und damit zusätzliche sichere Arbeitsplätze entstehen.

   Es gibt viele Unternehmen, die andere Wege einschlagen, um ihre Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Die machen zurzeit in den Medien Furore. Sie bauen Stellen ab, senken Löhne, verlängern die Arbeitszeit und glauben, dass sie damit ökonomisch vernünftige Entscheidungen treffen, weil sie kurzfristig die Kosten senken.

(Unruhe bei der FDP)

- Herr Brüderle, Sie hatten so viel Zeit für Zwischenfragen. Seien Sie jetzt einfach einmal ruhig! - Das ist aber die falsche Strategie und auch schon deshalb keine Lösung, weil man damit rein praktisch gesehen irgendwann unweigerlich an Grenzen stößt.

   Es gibt aber viele Unternehmen, die sich vorbildlich verhalten. Diese Unternehmen investieren in Forschung, entwickeln und fertigen Produkte, mit denen sie im weltweiten Wettbewerb nicht nur bestehen können, sondern auch Maßstäbe setzen. Viele von ihnen sind so genannte Hidden Champions. Ihre Namen sind überregional kaum bekannt, dabei spielen sie ganz oben in der Liga mit. Die Firma Paragon zum Beispiel, ein junges Unternehmen aus Delbrück im Kreis Paderborn, gehört zu den Weltmarktführern für Luftgütesensoren. Durch kontinuierliche Investitionen in Forschung und Entwicklung und gutes Innovationsmanagement hat sich das Unternehmen zu einem führenden Elektronikdienstleister entwickelt und beschäftigt mittlerweile 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Wir brauchen noch mehr Erfolgsgeschichten dieser Art. Daher wird diese Regierung, werden wir als Parlament die Unternehmen stärken, die in die Zukunft investieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Ein Produkt, das heute entwickelt wird, ist sehr viel schneller überholt als noch vor 20 oder 30 Jahren; das kennen wir alle aus unserem Alltag. Ob Handy, Computer oder Kamera, kaum haben wir die Gebrauchsanweisung richtig durchgearbeitet, ist das Gerät schon wieder hoffnungslos veraltet. Das heißt: Die Lebenszeit von Produkten verkürzt sich dramatisch. Unter diesen Bedingungen, angesichts dieser beschleunigten technologischen Entwicklung, werden die Bereitschaft und die Fähigkeit zu Investitionen überlebensnotwendig - für Unternehmen, aber auch für Volkswirtschaften.

   Wodurch können wir nun innovative Unternehmen unterstützen? Meine Vorredner haben schon einiges zu den Rahmenbedingungen gesagt, die verbessert werden müssen. Ich nenne als Stichworte: Bürokratieabbau, Unternehmensteuerreform und Konjunkturprogramm. Ganz wichtig ist aber auch die Unterstützung von Forschungsaktivitäten innovativer Unternehmen vor allem am Beginn ihres Weges. Etwa 1,7 Milliarden Euro aus dem Etat des Wirtschaftsministeriums werden im Jahr 2006 in die Steigerung der Innovationsfähigkeit unserer Wirtschaft investiert; das ist knapp ein Drittel des gesamten Budgets. Das ist sehr gut angelegtes Geld.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Denn Investitionen in Forschung und Entwicklung entfalten Wachstumswirkung, schaffen zukunftssichere Arbeitsplätze und tragen so letztlich zu ihrer Refinanzierung bei.

   Wir haben über die Jahre eine Palette von Programmen entwickelt - Herr Brüderle hat schon Teile davon genannt -, die sehr gezielt Innovationen in der Wirtschaft fördern. Wir schlagen mit unserer Unterstützungsstrategie einen Bogen von der Forschung bzw. Erfindung über die Entwicklung eines innovativen Produkts bis hin zur tatsächlichen Markteinführung und zur Erschließung des Marktes. Dabei setzen wir auch auf die so genannte Clusterbildung. Wir fördern also Unternehmensnetzwerke von Firmen einer Branche, die ein gemeinsames Netz von Zulieferern unterhalten, Forschungsressourcen gemeinschaftlich nutzen und/oder eng mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten. Diese Unternehmen haben gegenüber Einzelkämpfern Wettbewerbsvorteile und daher meist auch die bessere Jobbilanz, wie zuletzt eine Studie des DIW Köln demonstriert hat. Auch bei großen Leuchtturmprojekten wollen wir diese Strategie verstärkt nutzen, zum Beispiel bei der Weiterentwicklung der Brennstoffzellentechnologie und der Entwicklung innovativer umweltfreundlicher Kraftwerke.

   Innovative Unternehmen brauchen aber, unabhängig von diesen Strategien, Kapital, insbesondere Startkapital. Im Vergleich zu den angelsächsischen Ländern sind unsere Banken nicht ausreichend bereit, in innovative Ideen zu investieren. XXXXX

Deshalb finanziert die Bundesregierung Fonds, die vor allem Existenzgründern und Firmen in der Start-up-Phase mit Kapital unter die Arme greifen. Dazu gehört der High-Tech-Gründerfonds - er wurde mehrfach erwähnt -, den die Vorgängerregierung im letzten Sommer gemeinsam mit der Wirtschaft ins Leben gerufen hat. Diesen Fonds werden wir jetzt noch weiter ausbauen.

(Beifall bei der SPD)

   Auf einen anderen Aspekt bei Unternehmensgründungen will ich ganz kurz eingehen: Nur gut ein Viertel der neuen Unternehmen werden von Frauen gegründet. Das muss sich ändern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Förderung der Gründerinnenagentur durch das Wirtschaftsministerium ist ein Schritt in die richtige Richtung. Selbstverständlich müssen aber weitere Schritte folgen.

(Beifall bei der SPD)

   Der Minister für Wirtschaft und Technologie hat in der letzten Woche in Japan gesagt - und heute hier wiederholt -, die Japaner können mit ihren Ausgaben für Wirtschaft und Entwicklung ein Vorbild für Deutschland sein. Japan investiert nämlich bereits heute deutlich mehr als 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Forschung und Entwicklung. Das 6-Milliarden-Programm der Bundesregierung wird uns, wenn die Länder und die Wirtschaft wie vereinbart mitziehen, in die Nähe des japanischen Vorbildes bringen. Das ist ein echter Lichtblick.

   Dieses Licht darf aber im Zuge der Haushaltskonsolidierung nicht gleich wieder ausgeknipst werden. Auf keinen Fall darf diese Summe bei den Haushaltsberatungen durch globale Minderausgaben oder Ähnliches reduziert werden. Das gilt für den Haushalt 2006, aber auch und besonders für die Folgehaushalte der Jahre bis 2009. Darauf müssen wir achten.

   Noch ein Punkt ist mir sehr wichtig: Es liegen bereits Hunderte von bewilligungsreifen Anträgen von Unternehmen vor. Diese Unternehmen wollen - Frau Flach hat zu Recht darauf hingewiesen - jetzt durchstarten und warten dringend auf Unterstützung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie müssen die Chance bekommen, noch in diesem Jahr zu investieren. Das heißt, die Mittel für Forschung und Entwicklung müssen so schnell wie möglich freigegeben werden, sonst fließen sie dieses Jahr nicht mehr ab. Dann würden wir eine Bugwelle von Anträgen vor uns herschieben, die wir praktisch überhaupt nicht mehr abarbeiten könnten. Daher hat es mich gefreut, dass Herr Rossmanith angekündigt hat, dass in der nächsten Woche an dieser Stelle angesetzt wird. Ich setze darauf, dass das passiert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Zum Schluss noch ein Appell an den Bundeswirtschaftsminister. Die Bundeskanzlerin hat vorgestern Frau Schavan aufgefordert, die Wirtschaft davon zu überzeugen, dass auch sie einen zusätzlichen Beitrag zur Förderung von Forschung und Entwicklung leisten muss. Ich finde, hier ist nicht nur die Forschungsministerin gefragt, auch der Wirtschaftsminister muss hierbei eine entscheidende Rolle spielen. Dass er dies tun will, hat er eben zugesagt. Wir werden ihn dabei ganz sicher unterstützen.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Ich gebe das Wort der Kollegin Flach zu einer Kurzintervention, die sich auf den Beitrag von Herrn Rossmanith bezieht.

Ulrike Flach (FDP):

Danke, Frau Präsidentin. - Ich glaube, es ist nach der glänzenden Rede des hochgeschätzten Kollegen Kurt Rossmanith erforderlich, dass wir an dieser Stelle die Position der FDP klarstellen.

   Als stellvertretende Vorsitzende der Parlamentsgruppe Luft- und Raumfahrt ist es mir ein besonderes Vergnügen, zu sehen, dass die Luft- und Raumfahrt gut vorankommt, lieber Herr Rossmanith. Darum ging es mir aber auch nicht. Es ging mir vielmehr darum, dass die Zuständigkeit für das DLR, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, in ein anderes Ministerium übergegangen ist, und zwar auch für die Teile im DLR, die mit Luft- und Raumfahrt überhaupt nichts zu tun haben, sondern Grundlagenforschung reinster Art sind,

(Ludwig Stiegler (SPD): Wo es gut aufgehoben ist!)

sodass zwei völlig unterschiedliche Kulturen im Denken aufeinander stoßen. Das ist, wenn sich der Kollege Rossmanith richtig erinnert, sehr auffällig gewesen und darum sorge ich mich.

(Iris Gleicke (SPD): Das DLR ist aber ein anwendungsorientierter Bereich!)

Es geht nicht darum, schlecht von der Luft- und Raumfahrt zu sprechen, sondern darum, dass es bei dem Zusammenfügen dieser beiden Ministerien offensichtlich Probleme gibt.

(Ludwig Stiegler (SPD): Es ist gut aufgehoben!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege Rossmanith, möchten Sie reagieren? - Bitte.

Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Flach, wir haben dazu keine grundsätzlich unterschiedlichen Anschauungen.

Aber Fakt ist, dass Sie das DLR natürlich nicht teilen können. Ganz wesentliche Teile im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt betreiben anwendungsorientierte Forschung.

(Iris Gleicke (SPD): So ist das!)

Niemand will mit dieser „Umsetzung“ in den Etat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, dass das DLR in seinem Forschungsdrang und seinen Forschungsfähigkeiten eingeschränkt wird. Das Ergebnis der ESA-Ministerkonferenz - ich betone das noch einmal - belegt genau das Gegenteil: Dank des Bundesministeriums für Wirtschaft unter Michael Glos

(Ludwig Stiegler (SPD): Und Dank an den Finanzminister!)

kann das DLR ganz wesentlich dazu beitragen, das nationale Raumfahrtprogramm zu stärken. Natürlich müssen wir auch Forschungsgelder nach Europa geben - im Prinzip ist das ja nicht verkehrt -, aber einen Teil müssen wir, wie das andere Nationen schon seit Jahren machen, in die Forschung hierzulande investieren, um im Bereich von Forschung und Technologie auch national etwas in Europa einbringen zu können.

   Ich sage Ihnen in dem Zusammenhang ein Zweites: Natürlich bringt das Columbus-Projekt - dafür ist das DLR verantwortlich - Freiheit der Forschung mit sich, aber auch Anwendung der Forschung. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass das Columbus-Projekt in die Internationale Raumstation gelangt. Wir selber haben keine Trägerraketen oder Shuttles. Also müssen wir entsprechende Möglichkeiten finden, damit es in die Station kommt, damit an dieser Technologie gearbeitet werden kann.

   Ich habe mich sehr gefreut, als ich letztens eine Umfrage gelesen habe, wonach 68 Prozent - das sind über zwei Drittel - der deutschen Bevölkerung sagt: Die Weltraumforschung nutzt uns in toto. Das hat mich enorm gefreut. In der Tat sprechen wir hier, wie auch der Kollege Wend betont hat, über Zukunftstechnologien. Umso mehr freuen wir uns, dass junge Menschen wieder bereit sind, dieses Studium, das sicherlich nicht leicht ist, aufzunehmen.

   Wir werden einen gemeinsamen Weg finden. Das DLR steht im Moment gut da und wird in Zukunft sicherlich so gut dastehen wie noch nie. Wenn Sie uns dabei unterstützen - ich weiß, liebe Frau Kollegin Flach, Sie machen das -, dann sehe ich für diesen Bereich eine sehr hoffnungsvolle Zukunft.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Zum Abschluss der Debatte gebe ich das Wort dem Kollegen Klaus Brähmig, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Klaus Brähmig (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Abschluss der Haushaltswoche debattieren wir heute über den Wirtschaftsetat mit Titeln für den Tourismusbereich. In etwas mehr als zwei Monaten wird das Reiseland Deutschland im Blickpunkt der weltweiten Öffentlichkeit stehen. Im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft werden Millionen internationaler Gäste unser schönes Land besuchen. Als Politiker müssen wir daher alles daran setzen, dieses große Ereignis konstruktiv zu begleiten.

   Die große Koalition und vor allem Wirtschaftsminister Michael Glos haben bereits erste Schritte in die richtige Richtung unternommen und den Tourismusbereich deutlich aufgewertet. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik gibt es einen Beauftragten der Bundesregierung für Tourismus.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Und was für einen!)

Unser Kollege Ernst Hinsken wird im Bundeswirtschaftsministerium die Querschnittsaufgabe Tourismus koordinieren. Dies ist dringend geboten und wurde von den Tourismuspolitikern und der Branche lange gefordert, da der Tourismus eine Mitwirkung von fast allen Ressorts und eine Abstimmung mit allen 16 Bundesländern verlangt.

   Im aktuellen Bundeshaushalt registrieren wir erfreut die Anhebung der tourismuspolitischen Haushaltsansätze um fast 1 Million Euro. Gerade in Zeiten immer knapperer Kassen ist diese Entscheidung bemerkenswert und sie weist den Weg in die richtige Richtung. Ich hoffe, dass es uns gelingt, diesen Titel für das Jahr 2007 auf hohem Niveau beizubehalten.

   So wird beispielsweise der Haushaltstitel für die Deutsche Zentrale für Tourismus um 500 000 Euro auf 25 Millionen Euro erhöht. Verbesserungen für das Marketing, Messen und Verkaufsförderung sind längst überfällig, investieren doch unsere ausländischen Wettbewerber oft erheblich größere Summen, um ihr Land international bekannt zu machen. Dieses Geld fließt direkt in die Vermarktung des Tourismusstandortes Deutschland im Ausland und stellt daher hervorragend investierte Steuermittel dar, die ein Vielfaches an Umsätzen in der Wirtschaft und Einnahmen in den öffentlichen Kassen bewirken.

Damit wollen wir auch einen Beitrag zur Reduzierung des ständig wachsenden Defizits der deutschen Reiseverkehrsbilanz leisten, das im letzten Jahr bei fast 36 Milliarden Euro lag.

   Die Tourismuswirtschaft stellt sowohl im Inland als auch weltweit eine der wenigen Wachstumsbranchen dar, sogar langfristig. Die Politik muss diese personalintensive Dienstleistungsbranche nach Kräften unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie bietet große Chancen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Heute arbeiten in unserem Land circa 2,8 Millionen Menschen im Tourismusgewerbe; über 100 000 Lehrstellen kommen noch hinzu. Während in vielen Branchen über eine Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland diskutiert wird, kann dies für den Tourismussektor ausgeschlossen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Arbeitsplätze in diesem Bereich sind an den Standort Deutschland gebunden und können nicht exportiert werden. Wer Neuschwanstein, die Dresdner Frauenkirche, das Brandenburger Tor oder den Deutschen Bundestag besuchen möchte, findet das Original nun einmal nur bei uns in Deutschland.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sehr wahr!)

Deutschland ist Gott sei Dank nach wie vor das beliebteste Reiseziel unserer Landsleute.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

   In den vergangenen Wochen tagten in Wien die Tourismusminister der Europäischen Union. Auf dieser Konferenz wurde erneut deutlich, dass der Tourismus für Europa der Sektor mit den größten Wachstumschancen ist. Besonders erfreulich hierbei: Es wird sogar eine steigende Tendenz prognostiziert. EU-weit sind derzeit 11,8 Prozent aller Arbeitsplätze im Tourismus angesiedelt, bis zum Jahr 2016 erwartet man einen Anstieg auf 13 Prozent. Wir müssen uns alle gemeinsam anstrengen, um dieses enorme Wachstumspotenzial auch für unser Land zu nutzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Um dieses Ziel zu erreichen, sind angesichts der tief greifenden strukturellen Probleme des deutschen Arbeitsmarktes eine umfangreiche Flexibilisierung und Entbürokratisierung dringend geboten. Wer die Reisebranche kennt, weiß, welche Ausstrahlungskraft der Tourismus auf benachbarte Wirtschaftssektoren besitzt. So profitieren zum Beispiel das Baugewerbe, das Handwerk, der Einzelhandel, aber auch Kultureinrichtungen gleichermaßen von einem florierenden Tourismus. Durch die notwendige Anreise und die Mobilität vor Ort werden viele Arbeitsplätze an Flughäfen, bei Fluggesellschaften, in Bahn-, Bus- und Taxibetrieben und sogar auf Ausflugsschiffen gesichert. Nicht umsonst ist der Frankfurter Flughafen die größte lokale Arbeitsstätte in Deutschland.

   Trotz dieses Optimismus haben uns die jüngsten Ereignisse, beispielsweise der Ausbruch der Vogelgrippe in Deutschland, gezeigt, wie schnell gerade der Tourismussektor in Turbulenzen geraten kann. Die mediale Panikmache rund um die Vogelgrippe auf Rügen verursacht unmittelbare wirtschaftliche Folgeschäden für die Region. Auch unsere Bundeskanzlerin, Frau Dr. Merkel, deren Wahlkreis Rügen tagelang im Zentrum der medialen Öffentlichkeit stand, wurde von den betroffenen Unternehmen aus erster Hand über die aufgetretenen Schwierigkeiten informiert. Die Buchungen brachen ein und die unmittelbaren Folgen betrafen sogar das gesamte Reiseland Mecklenburg-Vorpommern. Ich denke, es ist die Aufgabe der Politik, sich nicht von Panik jeglicher Art ergreifen zu lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

   Viele Tourismusorte an Elbe und Donau sind zurzeit vom Frühlingshochwasser betroffen. Wir hoffen und wünschen, dass das Wasser in geordneten Bahnen abfließt und keine materiellen Schäden anrichtet, sodass die mittelständischen Unternehmen auch das Vor-Ostern- und Ostergeschäft mitnehmen können.

   Meine sehr geehrten Damen und Herren, Deutschland erwartet in diesem Jahr unter dem Motto „Die Welt zu Gast bei Freunden“ circa 5,5 Millionen Besucher aus aller Welt. Nutzen wir die einmalige Chance, die uns die Fußballweltmeisterschaft bietet! Lassen wir uns vom internationalen Flair und der Euphorie dieser Tage inspirieren! Unser Land ist weltoffen, tolerant und gastfreundlich. Sorgen wir für eine Atmosphäre, die zum Wiederkommen einlädt! Auch dies stärkt den Tourismus in unserem Land und sichert Existenzen in Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Über die dadurch generierten zusätzlichen Steuereinnahmen wird sich sicherlich nicht nur unser Bundesfinanzminister freuen.

   Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Einzelplan vor.

   Wir kommen zur Schlussrunde. Ich erteile als Erstem dem Kollegen Bernhard Brinkmann, SPD-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
[Der folgende Berichtteil - und damit der gesamte
Stenografische Bericht der 30. Sitzung - wird am
Montag, den 2. April 2006, an dieser Stelle veröffentlicht. ]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/16030
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