Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 05 - 06 / 30.01.2006
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bob

Auflösung verlangt

US-Gefangenenlager in Guantanamo

Menschenrechte. Der Bundestag hat am 26. Januar deutlich gemacht, dass er die Regierung ausdrück-lich in ihrer auch öffentlich geäußerten Position zum US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba unterstützt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bei ihrem kürzlichen Antrittsbesuch in den USA deutlich gemacht, dass eine "Institution wie Guantanamo so auf Dauer nicht existieren kann und darf". Es müssten Mittel und Wege für einen anderen Umgang mit den Gefangenen gefunden werden. Ein Antrag der Koalitionsfraktionen (16/431) fand damit eine Mehrheit. Anträge von FDP (16/454), der Linksfraktion (16/364) und der Bündnisgrünen (16/443) wurden hingegen abgelehnt.

Das Parlament bekräftigte seine grundsätzliche Auffassung zur Einhaltung der grundlegenden Menschenrechte und Grundfreiheiten von Gefangenen. Es hält an seinem Bekenntnis fest, den internationalen Terrorismus mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen. Ruprecht Polenz (CDU/CSU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, erklärte in der Debatte, man sei Bundeskanzlerin Merkel dankbar für ihre "eindeutige und unmissverständliche Aussage", die sie auch gegenüber dem amerikanischen Präsidenten George W. Bush vertreten habe. Man verteidige die Unantastbarkeit der Menschenwürde gegen Terroristen, die in einem rigiden Freund-Feind-Denken gefangen seien. Man verteidige auch den Rechtsstaat gegen Terroristen, die sich keinerlei Recht verpflichtet fühlten. Das definiere auch die Grenze der zulässigen Mittel. Aus der Unantastbarkeit der Menschenwürde folge zwingend ein absolutes Folterverbot.

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), war der Meinung, dass man die Einstufung der unter anderem in Guantanamo festgehaltenen Verdächtigen als "ungesetzliche Kämpfer" mit der Folge, dass sie keinen Anspruch auf rechtsstaatliche Verfahren haben, für nicht mit dem geltenden Völkerrecht vereinbar hält. Die Festgehaltenen hätten Anspruch auf Behandlung nach den rechtlichen Standards des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte. Solange das Lager in Guantanamo bestehe, werde der "kritische Dialog" mit den USA über die Behandlung der Gefangenen dort fortgeführt werden müssen. Florian Toncar (FDP) vertrat die Auffassung, wo immer der Kampf gegen den Terrorismus mit zulässigen rechtsstaatlichen Mitteln geführt werde, hätten die USA ein Anrecht auf deutsche Unterstützung. Wo aber der Kampf gegen grundlegende Wertvorstellungen verstoße, müsse dem entgegengetreten werden.

Gregor Gysi (Linksfraktion) plädierte für eine sofortige Auflösung des Lagers Guantanamo. Die USA bekämpften den Terrorismus auf ihre Art mit allen Mitteln und verletzten dabei das Recht. Das Völkerrecht habe nur Substanz, wenn es für alle Staaten verbindlich sei. Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) meinte, bei der Sicherung von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie dürfe man nicht die Prinzipien teilweise außer Kraft setzen und Grenzen überschreiten. Ansonsten sei ein Teilziel dessen, was die Terroristen erreichen wollen, erfüllt. Das Bemühen der drei Oppositionsfraktionen, die Anträge zur federführenden Beratung an den Auswärtigen Ausschuss zu überweisen und dort eine gemeinsame Vorlage zu entwickeln, war nicht von Erfolg gekrönt. Die Koalitionsfraktionen bestanden auf einer sofortigen Abstimmung.

Die FDP-Fraktion hatte in ihrem Antrag erklärt, sie erwarte von der Bundesregierung, sich in den USA dafür einzusetzen, dass die in Guantanamo festgehaltenen Terrorverdächtigen unter Beachtung rechtsstaatlicher Verfahren ordentlichen Gerichten - entweder in ihren Heimatländern oder in den USA - überstellt werden. Die Linksfraktion und die Bündnisgrünen forderten die Bundesregierung auf, gegenüber Washington deutlich zu machen, dass die Lager in Guantanamo geschlossen werden müssen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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