Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 52-53 / 20.12.2004
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"In der Schule wird etwas gelehrt, was die Schreibkultur ablehnt"

Selbstkritischer Rückblick im Ausschuss

Kultur und Medien. Die neue Rechtschreibung hat am 15. Dezember erneut den Ausschuss für Kultur und Medien beschäftigt. Ausgangspunkt für die teilweise kontroverse Diskussion waren zwei Anträge, in denen die Abgeordneten mangelnde Klarheit der neuen Schreibregeln und gestiegene Fehlerhäufigkeit als Folge der Rechtschreibreform beklagen.

In der Initiative der CDU/CSU-Fraktion (15/4261) werden die Kultusminister der Länder und die Bundesregierung aufgefordert, entsprechende Schritte einzuleiten, um die zunehmende Unsicherheit in der Bevölkerung rasch zu beseitigen. Der weitergehende Gruppenantrag (15/4249) hat dagegen die Rücknahme der Reform und die Rückkehr zur alten Rechtschreibung zum Ziel. Die Abgeordneten beklagen in beiden Anträgen, dass sich seit der Einführung der Reform zunehmend eine Unverbindlichkeit der Sprache beobachten lasse.

In der Diskussion im Ausschuss haben Vertreter aller Fraktionen ihre Unzufriedenheit über den Ist-Zustand der deutschen Rechtschreibung nach der Einführung des neuen Regelwerks zum Ausdruck gebracht. Selbstkritisch blickten sie auf die bisherige Beteiligung des Parlaments am Reformprozess zurück. Dennoch sahen die meisten der Abgeordneten keine Möglichkeit, zu den alten Schreibregeln zurückzukehren. Die letzte Phase vor der endgültigen Einführung der Reform müsse vom Bundestag genutzt werden, hieß es, damit die bereits festgestellten Unstimmigkeiten in der neuen Rechtschreibung wieder beseitigt werden können.

"Im Grunde geht die Rechtschreibung die Politik nichts an", stellte die Unionsfraktion gleich zu Beginn fest. Dennoch könne das Parlament an diesem Problem nicht vorübergehen, da der aktuelle Zustand unbefriedigend sei. Eine einheitliche Rechtschreibung müsse auf allen staatlichen Ebenen möglichst schnell und verbindlich eingeführt werden. Der Gruppenantrag sei jedoch völlig falsch und unrealistisch. Schließlich könne man das Rad nicht mehr zurückdrehen.

Die FDP-Fraktion sprach sich gegen das Regelwerk aus, das sich nicht am Sprachgebrauch orientiert: "In der Schule wird etwas gelehrt, was die Schreibkultur ablehnt." Auch sei der bisherige Umgang des Parlaments mit dem Thema "kein Schmuckstück". Den Unionsantrag kritisierte die Fraktion als "nicht ganz zu Ende gedacht".

Gleichzeitig beantragte die FDP eine öffentliche Anhörung zur Rechtschreibreform, mit dem Argument, man müsse diesem Thema mindestens die gleiche Aufmerksamkeit widmen wie der Musikquote. Der Vorschlag fand keine Zustimmung. Die Wirkung der Veranstaltung sei fragwürdig, so die übrigen Fraktionen. Es sei auch fraglich, ob es zu einem Zeitpunkt, da der Reformprozess fast abgeschlossen sei, noch sinnvoll wäre, sich nun so einzumischen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.