Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 05-06 / 31.01.2005
Andrea Dunai

Lebensretter aus den Wäldern

Jüdischer Partisanenkampf in Weißrussland

Die Geschichte spielt in Weißrussland während der deutschen Besatzung. Der charismatische und liebenswürdige Tuvia Bielski, ein Mann mosaischen Glaubens, fühlte sich dazu berufen, seine jüdischen Mitbürger vor dem sicheren Tod zu retten. 1.200 Juden gelang es unter seiner Obhut, ihrem Schicksal zu entkommen. Bielski war kein besonders gebildeter Mann, verfügte jedoch über genügend Intuition, im richtigen Augenblick richtig zu handeln. Er vertrat die Meinung, dass je größer seine Gruppe ist, desto sicherer seien ihre Überlebenschancen. Eine andere Überlegung bezog sich auf die Konzentration der Kräfte: Einen Juden zu retten sei viel besser, als tausend Deutsche zu töten.

Bielskis Partisanen waren Juden aus den benachbarten Dörfern um die Nalibocka-Wälder, die dank der Überzeugungskraft ihres Anführers den Mut besaßen, aus dem Ghetto zu fliehen. Weder der Geheimweg zum Partisanenbunker noch die weitere Existenz waren ungefährlich. Zum Glück waren in den kleinen Dörfern Weißrusslands nicht alle Einheimischen Nazi-Kollaborateure. Eine umso größere Gefahr bedeuteten demgegenüber solche Leute, die aus Überzeugung auf der Suche nach jüdischen oder nichtjüdischen Widerständlern waren. In den Augen der Partisanen waren diese Leute Verräter und verdienten den Tod. Die erste und erfolgreiche Partisanenaktion Bielskis richtete sich gegen einen Nazisympathisanten und Polizeichef.

Die Partisanenbewegung in Weißrussland bestand aus einer bunten Mischung verschiedener Nationalitäten, unter anderen Weißrussen, Polen, Russen, Slowaken und Juden. Die ersten Gruppen fanden sich nach dem 22. Juni 1941, dem Einmarsch der Deutschen, zusammen. Zum Höhepunkt der Partisanenbewegung im Jahre 1944 lebten in Weißrussland 374.000 Menschen in verschiedenen Geheimunterkünften in den Wäldern. Das Partisanenleben der meisten Einheiten entfaltete sich unter der Ägide des Moskauer Zentralkomitees der KP.

Die Leute um Tuvia Bielski unterschieden sich wesentlich von den anderen Bewohnern des Waldes: In den Reihen der jüdischen Partisanen befanden sich zahlreiche ältere Menschen, Frauen und Kinder. Im Vorkriegspolen hatten sie mehrheitlich in Städten gelebt und besaßen nicht die geringste Erfahrung mit härteren Lebensbedingungen.

Die jüdischen Flüchtlinge waren von Anfang an isoliert. Die Erkenntnis, von den russischen Partisanen keine Hilfe zu bekommen, war für sie schmerzhaft, aber nicht neu. Die ständigen Anschuldigungen der benachbarten Partisanen, denen zufolge die Juden Lebensmittel raubten, brachten für Bielskis Leute weitere Ausgrenzungen mit sich. Laut einem "Beschluss von oben" musste sich die Nahrungsbeschaffung auf die Siedlungen Lida und Nowogoródek beschränken. Durch diese Einigung mit dem Anführer der russischen Partisanen, Panchenko, wurde die Existenz von Bielskis Juden jedoch immerhin legitimiert, wodurch das Ansehen der jüdischen Partisanen wuchs.

Spannungen untereinander

Die Zusammenarbeit zwischen den jüdischen und russischen Einheiten verlief jedoch nicht reibungslos. Bielski musste gegen antisemitische Äußerungen und Verhaltensweisen ankämpfen. Dabei leistete er Überzeugungsarbeit und wiederholte unermüdlich, dass seine "Einheit als Verteidiger der UdSSR einen wichtigen Beitrag im Partisanenkampf" leiste. Um dies zu beweisen, ging er mit gutem Beispiel voran. Wo immer Hilfe benötigt wurde, war er sofort zur Stelle.

Da sich ständig neue jüdische Flüchtlinge bei ihm meldeten, musste er sich kontinuierlich um die Logistik seines Waldteiles kümmern. Schneider und Schuhwerkstätte, die Schmiede, eine Wurstfabrik, der Raum zur Lebensmittelverteilung sowie die Lazarette mussten immer besetzt sein. Der Friseurladen avancierte zu einem Salon, in dem die neuesten Nachrichten über den Rückzug der Deutschen ausgetauscht wurden. Von den unüberschaubaren Verhältnissen in den verschiedenen Partisaneneinheiten waren jedoch häufig die Frauen negativ betroffen. Vergewaltigungen und seelische Demütigung waren Bestandteil des Partisanentums, davon blieben auch die jüdischen Frauen nicht verschont. Um zu überleben war man bereit, einiges zu opfern.

Nechama Tec schildert die grausame Realität des Partisanenlebens. Anders als in den zu Romantisierung neigenden sowjetischen Jugendromanen beschreibt sie das Leben der Partisanen, die komplexe Persönlichkeit Bielskis, sein Bestreben, Juden zu retten in einem Milieu, das ganz und gar nicht in Einklang mit einer karitativen Tätigkeit stand. Obwohl die Geschichte des jüdischen Widerstandes in den gesamthistorischen Kontext eingebettet ist, wird die Qualität des Erzählstils durch die viele Tonbandinterviews vermindert. Als ob die befragten Überlebenden ihre traurigen Erinnerungen aufsagen würden.

Nechama Tec

Bewaffneter Widerstand.

Jüdische Partisanen im Zweiten Weltkrieg.

Aus dem Amerikanischen von Anna Kaiser.

Haland & Wirth im Psychosozial-Verlag, Gießen 2004; 324 S, 22,- Euro


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