Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 04 / 23.01.2006
vom

Kombilohn bleibt ein Thema

Müntefering stellt Arbeitsprogramm vor
Arbeit und Soziales. Nach Darstellung des Bundesministers für Arbeit und Soziales, Franz Müntefering (SPD), gibt es in Deutschland eine zunehmend hohe Zahl von so genannten Aufstockern, deren Arbeitslohn durch Sozialtransfers ergänzt werden muss. Ein Stundenlohn von 2,98 Euro sei sittenwidrig, sagte Müntefering am 18. Januar im Arbeits- und Sozialausschuss. Es gehe darum, Geringqualifizierten zu Arbeit zu verhelfen. Er sei vom Kabinett beauftragt worden, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die bis zum Herbst Vorschläge erarbeiten soll. Die Einführung eines Kombilohn-Modells werde geprüft. Der Minister kündigte an, die Arbeitsgruppe noch nicht einzurichten und bis zum Sommer eine "informelle Debatte" zu führen.

Die CDU/CSU-Fraktion forderte eine "unideologische Debatte". Man müsse darüber nachzudenken, wie man diesen Personenkreis mit Hilfe einer Transferzahlung in eine Vollzeitbeschäftigung bringen kann. In diesem Zusammenhang sei auch zu klären, was als Mindestlohn betrachtet werden muss, ehe ein Transfer in Form eines staatlichen Zuschusses hinzukommt.

Nach Auffassung der SPD-Fraktion ist Aktionismus fehl am Platz. Ein Kombilohn könne nicht als "Wunderwaffe" angesehen werden. Zu einem neuen Subventionsmoloch dürfe es nicht kommen. Für Bündnis 90/Die Grünen ist die Tatsache, dass immer mehr Arbeitnehmer ihren Lohn durch Sozialtransfers aufsto-cken müssen, ein Hinweis darauf, dass die These von der "Sozialhilfe-Falle" nicht stimmt. Die Leute wollten durchaus trotz zu niedriger Löhne arbeiten. Die Linke fügte hinzu, das Parlament müsse sich mit der Frage existenzsichernder Löhne beschäftigen. Trotz tariflicher Lohnsteigerungen sei bei den Löhnen eine negative Entwicklung eingetreten.

Der Minister stellte sich dem Ausschuss mit einer Erklärung über die Arbeitsschwerpunkte seines Minis-teriums in dieser Wahlperiode vor. Am 1. April soll das Gesetz in Kraft treten, mit dem unter anderem unter 25-jährige Arbeitslose in die elterliche Bedarfsgemeinschaft zurückgeholt werden können, was zu jährlichen Einsparungen von rund 500 Millionen Euro führen soll. 100 Millionen Euro sollen eingespart werden können, indem Arbeitslosengeld-II-Empfänger dieser Altersgruppe künftig die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit benötigen, wenn sie erstmals eine eigene Wohnung beziehen wollen. Ferner soll der Rentenversicherungsbeitrag für Arbeitslosengeld-II-Bezieher ab 2007 von 78 auf 40 Euro monatlich gekürzt werden. Davon erhofft sich der Minister jährliche Einsparungen von rund 2 Milliarden Euro. Müntefering kündigte ferner ein Optimierungsgesetz zum Zweiten Sozialgesetzbuch an, das am 1. Juli in Kraft treten soll. Geplant sind eine weitere Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs und eine Verbesserung der Verwaltungspraxis.

Saison-Kurzarbeitergeld geplant

Darüber hinaus soll ein Saison-Kurzarbeitergeld eingeführt werden, das bei saisonbedingtem Arbeitsausfall gezahlt wird. Die Bundesagentur für Arbeit zahlt den Betroffenen vom 1. Dezember bis 31. März 60 oder, bei mindestens einem Kind, 67 Prozent der pauschalierten Nettoentgelt-Einbußen. Die Arbeitgeber müss-ten in dieser Zeit nur die Sozialversicherungsbeiträge für ihre Arbeitnehmer abführen. Davon könnten sie jedoch entlastet werden, wenn sich die Tarifvertragsparteien auf eine entsprechende Umlage einigen würden, so der Minister. Dann gäbe es keinen finanziellen Anreiz mehr, Arbeitnehmer in den Wintermonaten zu entlassen.

Die bisher auf die Bauwirtschaft beschränkte Winterbauförderung soll weiteren Branchen wie der Landwirtschaft und dem Maler- und Lackiergewerbe zur Verfügung gestellt werden. Ebenso ist geplant, das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf das Gebäudereinigerhandwerk auszudehnen. Weitere Vorhaben sind die Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4,5 Prozent und die Anhebung des Rentenbeitragssatzes von 19,5 auf 19,9 Prozent ab 2007.

Der Ombudsrat mit Professor Kurt Biedenkopf, Hermann Rappe und Christine Bergmann, der die Umsetzung des Hartz-IV-Gesetzes kritisch verfolgt, will seine Tätigkeit nach Angaben des Ministers um ein halbes Jahr verlängern und seinen Abschlussbericht zum 30. Juni dieses Jahres vorlegen. Einige seiner Anregungen zur Korrektur des Gesetzes seien bereits übernommen worden.

Eine Rentenkürzung soll es nach den Worten Münteferings in dieser Legislaturperiode nicht geben. Die Altersgrenze für den regulären Renteneintritt soll schrittweise ab 2012 von 65 auf 67 Jahre angehoben werden - in welchem Tempo, sei noch offen. Die Notwendigkeit einer grundlegenden Rentenreform sieht Müntefering in dieser Wahlperiode nicht, wie er auf eine Frage der FDP erklärte. Die Fraktion hatte auf das strukturelle Defizit der gesetzlichen Rentenversicherung von 3 bis 5 Milliarden Euro hingewiesen und betont, für einen Abbau dieses Defizits müsste sich die Zahl der Beitragszahler nachhaltig erholen. Müntefering empfahl schließlich allen, eine Riester-Rente als zusätzliche Altersvorsorge abzuschließen. Die Riester-Rente müsse populär werden "wie das Bausparen".

Bündnis 90/Die Grünen würdigten die von der Regierung beabsichtigte Aufnahme von behinderten Menschen in das geplante Antidiskriminierungsgesetz, obwohl die zugrunde liegende EU-Richtlinie dies nicht fordere.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.