Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 08 - 09 / 20.02.2006

Viele Auswanderer waren vorher arbeitslos

Interview mit Sabine Seidler, Sprecherin der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung
Die Heimat hinter sich zu lassen, ist ein großer Schritt. Doch einige Berufe, die im Inland kaum noch gefragt sind, haben in anderen Ländern Konjunktur. Wann es sinnvoll ist, ins Ausland zu gehen, wie man in der Ferne einen Job findet - bei diesen Fragen hilft die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung.

Das Parlament: Frau Seidler, welche Menschen lassen sich von der ZAV beraten und zu welchen Themen?

Sabine Seidler: Fachkräfte - also zum Beispiel Handwerker, Friseure, Kellner -, Führungs- und Nachwuchskräfte. Es kommen manchmal Menschen zu uns, die gar nicht bedenken, dass sie im Ausland in einer Fremdsprache kommunizieren müssen, die sie je nach Beruf teilweise sogar richtig gut beherrschen müssen. Manche zieht es nur wegen des Klimas in die weite Welt. Diesen Bewerbern müssen wir klar machen, dass sie dann nicht zehn Stunden am Tag die Sonne als Urlauber erleben, sondern als Arbeitnehmer, und zwar in einer anderen Kultur.

Das Parlament: Wo endet der Service der ZAV?

Sabine Seidler: Wir informieren, beraten und vermitteln, aber suchen unseren Kunden natürlich keine Wohnung. Zu formalen und sozialversicherungsrechtlichen Themen in Europa beraten unsere EURES-Berater. Zu Arbeitsgenehmigungen und Visa in Ländern außerhalb von Europa berät das Bundesverwaltungsamt in Köln.

Das Parlament: Was tun Sie konkret für die Arbeitsuchenden?

Sabine Seidler: Unsere 15 Europaservicezentren veranstalten bundesweit regionale Jobbörsen, mit einem oder zwei ausländischen Arbeitgebern. An unserer europäischen Jobmesse EURECA, die wir einmal im Jahr veranstalten, nehmen um die 20 Arbeitgeber teil. Im März veranstalten wir große Jobmessen in Essen, Leipzig und München mit Arbeitgebern aus Kanada, die vor allem gut qualifizierte Handwerker und Baufachkräfte suchen. Mehr als die Hälfte der Bewerber, die wir in europäische Länder vermitteln, waren vorher arbeitslos. Manche stehen seit ein oder zwei Jahren ohne Job da. Handwerkerberufe sind in Deutschland ja gerade nicht sehr gefragt.

Das Parlament: An Universitätsinstituten klagt man schon seit Jahren, dass Know-how abwandert. Passiert das nun auch bei anderen Akademikern, den Handwerkern und Dienstleistern?

Sabine Seidler: Unser Ziel ist natürlich nicht, dass die Fachkräfte auswandern. Uns geht es darum, die Menschen in Arbeit zu bringen und ihnen interessante Jobs anzubieten, die sie weiter qualifizieren - fachlich und sprachlich. Uns ist besonders wichtig, dass sie, wenn sie wieder zurückkehren, durch ihre Beschäftigung im Ausland größere Vermittlungschancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt bekommen.

Das Parlament: Das sind also keine Auswanderer im klassischen Sinn, sondern Menschen, die vorübergehend im Ausland beschäftigt sind und durchaus wieder zurückkehren.

Sabine Seidler: Ja genau. Wir möchten die Fachkräfte nur für eine Zeit ins Ausland vermitteln, solange sie in ihrem erlernten Beruf keine Arbeit finden. Manche Verträge sind von vornherein auf ein halbes oder ein Jahr befristet. Außerdem muss man bedenken, dass EU-weit nur drei Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem anderen Land als ihrem Herkunftsland arbeiten. Das ist keine große Zahl, vor der man erschrecken müsste. Im Gegenteil. Die europäische Kommission hat 2006 das "European year of workers' mobility" ausgerufen, um Mobilität in Europa noch stärker zu fördern.


Das Interview führte Christoph Oellers


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.