Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 08 - 09 / 20.02.2006
mpi

Forderungen nach gesetzlichen Maßnahmen gegen Lohndumping

Mindestlöhne oder Mindestarbeitsbedingungen?

Arbeit und Soziales. Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen fordern von der Bundesregierung gesetzliche Maßnahmen gegen Lohndumping. Die Linksparlamentarier brachten am 17. Februar einen Antrag (16/398) in den Bundestag ein, in dem ein rechtlicher Anspruch auf einen Lohn von mindestens 8 Euro brutto in der Stunde verlangt wird. In ihrem Antrag (16/656) lehnen die Grünen einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn hingegen ab. Stattdessen wird von der Bundesregierung ein Gesetzentwurf für Mindestarbeitsbedingungen gefordert, die für in- wie ausländische Arbeitnehmer gleichermaßen gelten sollen. Beide Anträge wurden vom Bundestag am 17. Februar in die Ausschüsse überwiesen.

Linken-Fraktionschef Gregor Gysi machte in der Debatte deutlich, dass sich der benannte Mindestlohn an der Pfändungsfreigrenze von 985 Euro orientiere. Der FDP, die einen allgemeinen Mindestlohn strikt ablehnt, warf er vor, bei freien Berufsgruppen wie Ärzten und Rechtsanwälten sehr wohl für Mindestlöhne einzutreten, indem sie jeweilige Gebührenordnungen stets verteidige. Diesen Schutz müsse es auch für Arbeitnehmer geben, sagte Gysi. Er verwies darauf, dass es inzwischen in 14 europäischen Staaten einen gesetzlichen Mindestlohn gebe.

Grüne: Gesetz von 1952 reformieren

Die Grünen schlagen in ihrem Antrag vor, das zurzeit nur für die Baubranche geltende Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf alle Branchen auszuweiten. Danach könnten festgelegte Mindestlöhne und Urlaubsbestimmungen auch auf Arbeitnehmer ausländischer Unternehmen übertragen werden. Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn würde hingegen faktisch eine Einschränkung der Tarifautonomie bedeuten, argumentieren sie. Die Abgeordneten regen weiterhin an, die Allgemeinverbindlichkeitserklärung im Tarifrecht zu vereinfachen und die darin festgeschriebenen Vetomöglichkeiten insbesondere der Arbeitgeber zu reduzieren. Zudem müsse das Gesetz über Mindestarbeitsbedingungen von 1952 modernisiert werden, um eine unbürokratische Anwendung zu ermöglichen.

"Kein Abgleiten ins Bodenlose"

Für die Unions-Fraktion machte der CDU-Abgeordnete Ralf Brauksiepe deutlich, im Zusammenhang mit der Einführung von Kombilöhnen auch die Frage von Mindestlöhnen prüfen zu wollen. "Mit uns wird es kein Abgleiten der Löhne ins Bodenlose geben", sagte Brauksiepe und kündigte Vorschläge der Koalition zu einer Ausweitung des Entsendegesetzes noch für dieses Jahr an. Sein Fraktionskollege Laurenz Meyer (CDU) fügte hinzu, es werde geprüft, was in Europa "funktioniert und was nicht funktioniert".

Die SPD-Parlamentarierin Andrea Nahles wies da-rauf hin, dass rund drei Millionen Menschen in Deutschland «Armutslöhne» erhielten. Die Armutsgrenze liege zwar bei einem Bruttoeinkommen von 1400 Euro, jeder fünfte ostdeutsche Arbeitnehmer arbeite aber derzeit für weniger als 1300 Euro. Ein großes Problem sei zudem, dass nur 54 Prozent der deutschen Unternehmen in den neuen Ländern tarifvertraglich gebunden seien. Mindestlöhne seien auch deshalb notwendig.

Der FDP-Abgeordnete Heinrich Kolb betonte, Mindestlöhne lösten keine Probleme, sondern verstärkten sie. Mindestlöhne seien faktisch ein "Arbeitsplatzvernichtungsprogramm". Gefördert würden lediglich die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland sowie die Schwarzarbeit. Sinnvoller sei es, niedrige Löhne bei Bedarf durch staatliche Transfers zu ergänzen.

Die Grünen-Abgeordnete Brigitte Pothmer kritisierte, weder Union noch SPD hätten deutlich gemacht, "was sie wollen". Sie verwies darauf, dass Sozial- undLohndumping mittlerweile auch den tariflich organisierten Niedriglohnbereich betreffe. Man könne nicht die Augen davor verschließen, dass die Einkommen insgesamt immer stärker unter Druck geraten.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.