Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 12 / 20.03.2006
K. Rüdiger Durth

Verkauf von Wohnungen wird in Berlin zum Politikum

Dresdner Lösung ist kein Modell für die Bundeshauptstadt

Das Land Berlin, inzwischen mit mehr als 60 Milliarden Euro verschuldet, besitzt noch sechs Wohnungsbaugesellschaften mit rund 275.000 Wohnungen, die im vergangenen Jahr 982 Millionen Euro Mieteinnahmen erbrachten. Allerdings sind diese Gesellschaften mit insgesamt 7,76 Milliarden Euro verschuldet, das sind 34 Millionen Euro weniger als 2004. Dennoch bereiten diese Wohnungen dem rot-roten Senat nach wie vor viel Kopfzerbrechen. In den zurückliegenden Wochen haben sich das Abgeordnetenhaus in einer Aktuellen Stunde und der Senat in einer Klausursitzung mit dem Thema beschäftigt. Vor allem geht es darum, die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) vor dem Konkurs zu retten, die mit ihren 28.500 Wohnungen allein 2004 einen Verlust von 56 Millionen Euro erwirtschaftete. Die Schulden belaufen sich auf 1,14 Milliarden Euro.

Und so hat man gerade in Berlin den schlagzeilenkräftigen Verkauf aller städtischen Wohnungen in Dresden verfolgt, der die sächsische Landeshauptstadt auf einen Schlag schuldenfrei gemacht hat. Davon kann Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) freilich nur träumen, der als einziger im rot-roten Senat gegen den Stop eines großzügigen Verkaufs von Wohnungen aus dem Bestand der WBM gestimmt hat. Aber an der Spree hat der Wahlkampf begonnen. Vor allem die Linkspartei.PDS fürchtet die Wut der Mieter.

Die Ursache für das Minus der WBM ist vielschichtig. Zum einen kämpft sie wie andere landeseigene oder private Baugesellschaften mit einem hohen Leerstand. Zum anderen sind nicht oder lediglich mangelhaft sanierte Wohnungen nur schlecht auf dem Markt zu platzieren. Und drittens verkalkulierte sich die WBM nicht nur bei der teuren Sanierung der Rathauspassagen am Alexanderplatz. Unter anderem weil kurz vor Fertigstellung ein Großmieter den Mietvertrag stornierte.

Um die Wohnungsbaugesellschaft Mitte zu retten, hält Sarrazin den Verkauf von 10.000 bis 15.000 Wohnungen für erforderlich. An Kaufinteressenten mangelt es nicht. Denn vor allem amerikanische Investoren haben längst den nicht nur aus ihrer Sicht preiswerten deutschen Immobilienmarkt entdeckt. So war es für den Senat 2004 kein Problem, die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft GSW an den amerikanischen Immobilienfonds Cerberus zu verkaufen.

Warum ist der Verkauf von landeseigenen Wohnungen in einer Stadt wie Berlin, in der zehntausende nicht mehr vermietbare Wohnungen aufgerissen werden müssen, ein so großes Politikum? Weil SPD und Linkspartei.PDS uneins sind, wieviel öffentliche Wohnungen die Bundeshauptstadt benötigt. Während die FDP für einen größtmöglichen Verkauf ist, verlangt die CDU ein Gesamtkonzept über die Zukunft dieser 275.000 Wohnungen und die Grünen stehen in dieser Frage mehr auf der Seite der Regierungskoalition.

Ein Gesamtkonzept soll nun bis Ende des Jahres unter der Federführung von Standtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer und Finanzsenator Thilo Sarrazin erarbeitet werden. Bis dahin hofft man auch, mit einem großen Verkauf von Wohnungen Zeit zu haben. Vor allem ist dann die Wahl zum neuen Abgeordnetenhaus - am 17. September - vorüber. Um etwas Geld in die Kasse der gebeutelten WBM zu spülen, sollen jetzt lediglich 1.000 Wohnungen verkauft werden. Weitere 1.700 könnten von einer anderen landeseigenen Wohungsbaugesellschaft erworben werden. Aus der Sicht Sarrazins eine Lösung, die keine ist.

Der einflussreiche Mieterverein fordert, dass flächendeckend preiswerter öffentlicher Wohnraum vorgehalten werden müsse. Auch drohten den Mietern von verkauften öffentlichen Wohnungen nicht selten drastische Mieterhöhungen, für die dann zum Teil aufwendige Renovierungen herhalten müssten. Man spricht in diesem Zusammenhang von Luxussanierungen, durch die ganze Stadtteile zu veröden drohten. Schließlich gehe es den Investoren nicht um die Zufriedenheit der Mieter und die Funktion von Stadtteilen, sondern um eine möglichst hohe Rendite.

Mieterhöhungen drohen

Der Finanzsenator steht immer im Verdacht, durch den Erlös aus Verkäufen von Landeseigentum die Löcher in seinem Haushalt stopfen zu wollen. Doch er versichert, dass ohne den Verkauf von 10.000 und mehr WBM-Wohnungen sowie einer Reduzierung des Personals um fast die Hälfte die gesamte Wohnungsbaugesellschaft in Gefahr sei. Ferner solle mit dem Erlös nicht nur eine Pleite abgewendet werden, sondern man wolle auch Geld in die Renovierung der verbleibenden Wohnungen stecken. Auch dadurch würde die Wohnungsbaugesellschaft langfristig gesichert.

Innerhalb der Wohnungsbaugesellschaften gibt es offensichtlich Pläne, die Mieten zum Teil bis zu zehn Prozent zu erhöhen. Auch hier dürfte man mit einer Entscheidung bis nach der Abgeordnetenhauswahl warten. Kritiker befürchten, dass durch drastische Mieterhöhungen viele Wohnungen der Baugesellschaften nicht mehr vermietbar sind. Umgekehrt sagen die Gesellschaften, man brauche Anpassungen, um steigende Ausgaben decken zu können.

Die für die Stadtentwicklung zuständige Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) ist überzeugt, dass das Land Berlin dauerhaft im Besitz von 250.000 Wohnungen bleiben solle. Von einem Komplettverkauf aller Wohnungsbaugesellschaften hält sie deshalb gar nichts. Offensichtlich scheint war man in der Linkspartei von dem Plan ganz angetan, einen Teil der WBM-Wohnungen an die ebenfalls landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Hohenschönhausen (Howoge) zu verkaufen. Die Rede war bis zum Stopp-Beschluss des Senats von 2.000 bis 5.000 Wohnungen, die diese Gesellschaft übernehmen könnte. Damit bliebe dann ein Mitspracherecht bei diesen Wohnungen beim Land. Aber die Howoge müsse den gleichen Preis zahlen, den private Investoren zahlen würden.

Die Kritiker des schleichenden Ausverkaufs öffentlichen Wohnungseigentums verweisen gern darauf, dass die kaufkräftigen Investoren ein Schnäppchen nach dem anderen machen. Denn die meisten von ihnen erworbenen oder noch zu erwerbenden Wohnungen würden sich in einem guten Zustand befinden. Die Renovierung beziehungsweise Sanierung sei auf Kosten der Wohnungsbaugesellschaften erfolgt. Die Käufer seien nun die Nutznießer. Umgekehrt verweist der Senat auf den hohen Investitionsbedarf für viele Wohnungen der Baugesellschaften, die Milliarden Schulden und die Tatsache, dass private Baugesellschaften oft ein besseres Händchen für die Bewältigung des hohen Wohnungsleerstandes hätten. Außerdem würden in die Verkaufsverträge sehr wohl auch Klauseln zum Schutz der Mieter aufgenommen.

Im Gegensatz zu Großstädten wie München, Köln oder Frankfurt, in denen bezahlbare Wohnungen rar sind, verfügt Berlin bei langsam abnehmender Bevölkerung über einen hohen Wohnungsleerstand. Preiswerte Mieten sind für den größten Teil der Einwohner erreichbar. Doch man fürchtet, dass bei einem weiteren Wegfall von landeseigenen Wohnungen bald die Mieten anziehen könnten - nicht nur im Innenstadtbereich.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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