Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 12 / 20.03.2006
mpi

Verfassung "kein toter Patient"

Bundestagsabgeordnete tagten gemeinsam mit franzöischen Kollegen

Europa. Die Zukunft der europäischen Verfassung ist weiter ungewiss. Dies hat die gemeinsame Sitzung der Europaausschüsse des deutschen und des französischen Parlaments am 15. März in Paris gezeigt. Der Vorsitzende des deutschen Ausschusses, Matthias Wissmann (CDU), machte deutlich, dass es im Bundestag eine breite Mehrheit für ein Festhalten am Verfassungsvertrag und am Verfassungsprozess gebe. "Die Vertiefung der europäischen Beziehungen ist für uns kein toter Patient", sagte Wissmann. Deshalb dürften auch nicht einzelne Teile der Verfassung seziert werden.

Freundschaft hervorgehoben

Bereits zum Auftakt der Beratungen am 14. März hatten beide Ausschüsse die Bedeutung der Freundschaft beider Länder für den Fortgang des europäischen Prozesses hervorgehoben. Wissmann zeigte sich davon überzeugt, dass gerade die Zusammenarbeit der Parlamentarier dazu beitragen werde, "Europa zu revitalisieren".

Die überwiegende Mehrheit der französischen Abgeordneten sprach sich für eine Änderung am Verfassungstext aus. Nach dem Nein der französischen Bevölkerung müsse etwas Neues gefunden werden. Demselben Verfassungstext würde in einem neuen Referendum niemals eine Mehrheit der Franzosen zustimmen, sagte der französische Ausschussvorsitzende Pierre Lequiller. Allen Beteiligten sei im Übrigen klar gewesen, dass die Verfassung nicht in Kraft treten könne, wenn auch nur ein Land den Vertrag ablehnt. Einig waren sich beide Seiten, dass nach dem Betritt von Rumänien und Bulgarien spätestens 2008 keine Erweiterung ohne eine vorherige Vertiefung der EU möglich sei.

Die SPD warnte davor, den Verfassungsprozess momentan zu forcieren. Es müsse zunächst darum gehen, Projekte in Angriff zu nehmen, die die europäische Identität stärkten. Die Union regte an, möglicherweise könne der Verfassungsvertrag um einige Punkte erweitert werden, um ihn dann erneut in Frankreich zur Abstimmung zu stellen. Dies würde zumindest die Voten der 16 Länder, die den Vertrag bereits ratifiziert hätten, nicht in Frage stellen, hieß es. Die FDP unterstrich, ein Europa ohne Frankreich sei nicht denkbar. Die EU müsse sich nun darauf konzentrieren, was Europa erfolgreich macht. Die Grünen wiesen darauf hin, dass es eine der größten Herausforderungen sei, das Misstrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit der EU-Institutionen zu überwinden. Lediglich Die Linke begrüßte das Scheitern des Verfassungsreferendums in Frankreich und den Niederlanden. Darin liege eine große Chance. Im Übrigen gebe es auch in der deutschen Bevölkerung keine Mehrheit für den jetzigen Vertragstext, so Die Linke.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.