Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 21 - 22 / 22.05.2006
Jutta Witte

Der Pfälzer Rosenkavalier

Kurt Beck zum vierten Mal zum Ministerpräsidenten gewählt

Während draußen vor dem Landtag die Vorbereitungen für das traditionelle Verfassungsfest laufen, kann Kurt Beck am 18. Mai drinnen im Plenarsaal die stehenden Ovationen seiner Parteifreunde entgegen nehmen. 54 Stimmen bekommt der 57-Jährige bei der Wahl zum Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und damit einen unerwartet hohen Vertrauensbeweis. Auch ein Oppositionsmitglied hat sich für ihn als Ministerpräsidenten entschieden - mutmaßlich aus den Reihen der Christdemokraten. Der neue SPD-Fraktionschef Jochen Hartloff überreicht einen riesigen Strauß roter Rosen. "Ich bin sehr froh über das Vertrauen, dass mir dieses Parlament in so deutlicher Mehrheit ausgesprochen hat", erklärt der frisch gewählte Ministerpräsident, nachdem er seine neue Ministerriege ernannt hat.

Der unerwartet hohe Wahlsieg der Sozialdemokraten, die bei der Landtagswahl am 26. März gegen den bundesweiten Trend 45,6 Prozent der Stimmen gewonnen haben, hat das politische Gefüge in Rheinland-Pfalz verschoben. Künftig sind im Parlament nur noch drei Fraktionen vertreten, da die Grünen mit 4,6 Prozent den Wiedereinzug in den Landtag verfehlt haben. Auf den Oppositionsbänken sitzt neben der CDU, die mit 32,8 Prozent ein historisches Tief erreichte, nun auch die FDP. Die Liberalen erzielten zwar acht Prozent und haben damit um 0,2 Prozent zugelegt. Angesichts des "klaren und eindeutigen Wahlergebnisses" bestand nach Überzeugung der FDP aber kein Raum für eine Neuauflage der sozial-liberalen Koalition.

An den inhaltlichen Herausforderungen jedoch wird sich auch in den kommenden fünf Jahren unter einer absoluten SPD-Mehrheit nichts ändern. Auf der Tagesordnung stehen weiterhin die Themen Familienfreundlichkeit, Verwaltungsmodernisierung und Haushaltssanierung. So will Beck im Rahmen des Programmes "Zukunftschance Kinder - Bildung von Anfang an" nicht nur bis 2011 schrittweise die Beitragsfreiheit für den Kindergartenbesuch erreichen, sondern auch mehr Betreuungsplätze für unter Dreijährige schaffen sowie eine frühere Einschulung und den Kindergartenbesuch bereits für Zweijährige ermöglichen. Bis zum nächsten Schuljahr soll es mehr als 350 Ganztagsschulen in Rheinland-Pfalz geben. "Es wird einen arbeitnehmer- und wirtschaftsfreundlichen Kurs in diesem Land Rheinland-Pfalz geben", kündigt der Regierungschef zudem an. Beck setzt bei Wirtschaftsförderung ebenso auf den traditionell starken Mittelstand wie auf neue Technologien.

Nach dem Ausstieg des kleineren Koalitionspartners hat der Ministerpräsident die Posten des Justiz- und Wirtschaftsministers neu besetzt. Als neuer Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau wurde der bisherige Innenstaatssekretär Hendrik Hering vereidigt. Der 42-Jährige Sozialdemokrat gehört zu den drei stellvertretenden Vorsitzenden der SPD Rheinland-Pfalz und kennt das politische Geschäft seit 20 Jahren. Neuer Justizminister ist der ehemalige Präsident des Oberlandesgerichts in Koblenz, Heinz Georg Bamberger. Der 59-Jährige Richter war unter anderem beim Bundesgerichtshof für Urheber- und Wettbewerbsrecht zuständig. Becks Stellvertreter ist mit Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner das dienstälteste Kabinettsmitglied.

Einen personellen Neuanfang hat es mittlerweile auch an der Spitze aller drei Fraktionen gegeben: Bei der CDU soll der 38-Jährige Rechtspolitiker Christian Baldauf die Führung übernehmen. Auch in der sozialdemokratischen Fraktion hat sich das Personalkarussel gedreht. Joachim Mertes ist nach zwölf Jahren vom Fraktionsvorsitz auf den Platz des Landtagspräsidenten gewechselt. Sein Nachfolger ist mit Jochen Hartloff der bisherige parlamentarische Geschäftsführer der SPD. Die Fraktion der Liberalen, die den bisherigen Justizminister Herbert Mertin zu ihrem Vorsitzenden bestimmt hat, enthielt sich bei der Ministerpräsidentenwahl geschlossen der Stimme.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.