Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 23 - 24 / 06.06.2006
Johanna Metz

Aufgekehrt ...

Deutliche Worte waren letzte Woche von CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder zu hören: Wer Hartz IV erhalte, sagte der Politiker in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung", dürfe "nicht nur sinnlos herumgammeln" und "den ganzen Tag im Bett liegen bleiben", sondern müsse auch etwas "für die Gemeinschaft tun". Selbst von arbeitslosen Top-Managern, so Kauder, könne man erwarten, dass sie einfachste Tätigkeiten verrichten, Spargelstechen zum Beispiel oder Kellnern. Akademiker aufs Feld!, lautet also künftig die Parole, Überqualifikation hin oder her.

Der Grund dafür liegt auf der Hand - beziehungsweise, um im aktuellen Kauder-Welsch zu bleiben, im Bett: Der gemeine Sozialschmarotzer nämlich, jene Spezies, die Stütze kassiert, aber darauf pfeift, arbeiten zu gehen. Allein: Von dieser sozialen Verrohung scheinen längst nicht mehr nur Menschen betroffen zu sein. Ein Braunbär, nach Angaben von Tierschützern einer "Problemfamilie" entstammend, futtert sich nämlich schon seit Wochen unbeirrt durch bayrische Scheunen und Schuppen, und alle Versuche der Bewohner den plüschigen Nimmersatt zu vertreiben, scheiterten bislang. Ein echter Hartz IV-Bär ist er also, dieser "JJ1", der auf Kosten tüchtiger bayrischer Bauern unschuldige Ziegen und Schafe meuchelt und seinen Fahndern immer wieder ein Schnippchen schlägt. Zuletzt wurde er gesichtet, als er lässig über die Mittelleitplanke der Inn-Autobahn kletterte - sicher um ins sonnige Italien zu türmen. "Florida-Rolf" und "Karibik-Klaus" lassen grüßen.

Dabei könnte sich JJ1, endlich aufgespürt und lebend gefangen, durchaus nützlich machen. Ganz, wie Herr Kauder sich das wünscht, könnte er einer ehrlichen Tätigkeit nachgehen und sich als Zirkusbär verdingen - auch wenn das natürlich weit unter seiner Qualifikation läge. Schließlich haben wir es hier mit einem Bär höherer Schule, einem beinahe schon akademischen Braunbären zu tun! Volker Kauder aber weiß: Wer Akademikern den Segen der Vollbeschäftigung bringen will, darf nicht allzu zimperlich sein.

Das Geheimnis seiner revolutionären Ideen lüftet sich übrigens auf der privaten Homepage des Fraktionschefs unter www.volker-kauder.de: Dort sieht man den Poliker Arm in Arm mit einem riesigen Braunbären abgelichtet - die Pranke des Tiers umfasst zärtlich seine Hüfte. "Zirkusdirektor wollte ich werden", steht darüber, und dann "...gelandet bin ich in der Politik". Ob da wirklich ein Unterschied besteht, ist nach den jüngsten Äußerungen nicht mehr ganz sicher. Fest steht nur: Den Akademikern hat der Politiker gerade einen Bärendienst erwiesen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.