Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 23 - 24 / 06.06.2006
sas

Kontroverse um Recht auf Auskünfte

Verbraucherinformationsgesetz

Ernährung und Landwirtschaft. Uneins sind die sieben Experten einer öffentlichen Anhörung zum Verbraucherinformationsgesetz (VIG) am 29. Mai darin gewesen, wie weitgehend dem Wunsch der Verbraucher nach Informationen bei Behörden und Unternehmen entsprochen werden soll und wie stark die Interessen von Betrieben der Lebensmittelbranche zu schützen sind. Auslöser für ein solches Gesetz sind die Lebensmittelskandale in der Fleischindustrie.

Der Ernährungsausschuss hatte Sachverständige zum Gesetzentwurf der Koalition zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation (16/1408) sowie zum Entwurf der Bündnisgrünen für ein Verbraucherinformationsgesetz (16/199) geladen. Während die Vorlage der Grünen einen Informationsanspruch des Einzelnen gegen Behörden und einen eigenständigen Informationsauftrag der Verwaltung festschreibt, plant die Koalition, einen Informationsanspruch des Einzelnen nur auf einen Auftrag hin zuzulassen. Darüber hinaus sollen die Strafverfolgungsbehörden andere Behörden über Verstöße informieren können.

"Anwendungsbereich erweitern"

In seiner schriftlichen Stellungnahme unterstrich Professor Christoph Gusy von der Universität Bielefeld, dass das Bundesverfassungsgericht der Aufklärung der Bevölkerung und Verhaltensempfehlungen durch den Staat in seinem Beschluss aus dem Jahre 2002 einen wichtigen Stellenwert eingeräumt habe. Aus seiner Sicht wird der vom höchsten deutschen Gericht umschriebene Informationsauftrag in dem Gesetzentwurf der Grünen umfassend eingelöst. Dahinter bleibe der Entwurf der Koalitionsfraktionen deutlich zurück. Hier könne ein Informationsanspruch erst dann wirksam werden, wenn der Betroffene sich durch konkrete Anhaltspunkte dazu veranlasst sehe, bei Behörden Informationen einzuholen. Auch bemängelte Gusy, dass Unternehmen nicht als Adressaten genannt werden, gegenüber denen Bürger ebenfalls einen Auskunftsanspruch geltend machen können. Gusys Fazit: Dadurch könnten die Ziele des Gesetzes nachhaltig beeinträchtigt werden. Schließlich seien Unternehmen mit den betroffenen Produkten vertrauter als Behörden.

In das gleiche Horn stieß auch der Verbraucherzentrale Bundesverband. Seine Forderung: Das Verbraucherinformationsgesetz müsse um einen individuellen Auskunftsanspruch gegenüber Unternehmen ergänzt werden. Zu kurz greift der Koalitionsentwurf seiner Einschätzung nach auch beim Anwendungsbereich: Er forderte eine Ausweitung des geplanten Gesetzes auf alle dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz unterliegenden Produkte, da für die Verbraucher Verstöße gegen das Eichgesetz etwa bei Heizöllieferungen, Taxametern oder ähnlichen Messungen wirtschaftlich weit gravierender seien als Lebensmittelverstöße.

Kritisch äußerte sich auch die Deutsche Umwelthilfe: Transparenz und eine Stärkung der Verbraucherrechte seien mit dem vorliegenden VIG nicht zu erreichen. Ihr dränge sich der Eindruck auf, dass nicht Verbraucherinteressen im Vordergrund stehen, sondern die Ausweitung von Ausnahmen zugunsten der Wirtschaft "weit über das nach der Verfassung gebotene Maß hinaus". Bemängelt wurde, dass aktive Informationspflichten der Behörden sowie Auskunftsansprüche gegen private Unternehmen im VIG erst gar nicht vorgesehen seien. Nur mit diesen Instrumenten sind aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe aber Lebensmittelskandale effektiv zu bewältigen.

Demgegenüber appellierte der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) an den Gesetzgeber, die Auskunftspflichten während laufender Verwaltungsverfahren sachgerecht zu begrenzen, damit Unternehmen oder Produkte nicht vorschnell an den Pranger gestellt werden. Die "Schäferhunde" des Gesetzgebers dürften zwar gezielt auf die "schwarzen Schafe" der Branche angesetzt werden, nicht aber ständig die ganze Herde in Unruhe halten.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.