Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 23 - 24 / 06.06.2006
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Sachverständige halten Entwurf für unsozial und konjunkturschädigend

Steueränderungsgesetz 2007

Finanzen. Der von CDU/CSU und SPD vorgelegte Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 2007 (16/1545) wird von Experten mehrheitlich abgelehnt. Das wurde anlässlich einer öffentlichen Anhörung am 1. Juni im Finanzausschuss deutlich. Der Gesetzentwurf soll der Haushaltssanierung dienen und sieht unter anderem Kürzungen bei der Pendlerpauschale, beim Sparerfreibetrag und bei der Dauer der Kindergeldzahlungen vor. Darüber hinaus ist geplant, einen dreiprozentigen Zuschlag zur Einkommensteuer für höhere Einkommen, die so genannte Reichensteuer, zu erheben. Ebenfalls diskutiert wurde ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (16/1501), der die Zurückziehung des Gesetzes fordert.

Die Haushaltskonsolidierung, so die Bundessteuerberaterkammer, sei ein wesentliches Instrument, um Deutschland zukunftssicher zu machen. Allerdings seien die in dem vorliegenden Änderungsgesetz enthaltenen Maßnahmen punktuelle Einzelregelungen, die einen "roten Faden" vermissen ließen. Irritation und Akzeptanzprobleme bei den Betroffenen seien die zu erwartenden Folgen. Steigende Konsumfreudigkeit und damit positive Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung seien so nicht zu erreichen.

Aus Sicht des Deutschen Beamtenbundes (dbb) ist der Abbau von Ausnahmetatbeständen im Steuerrecht dann gerechtfertigt, wenn damit eine Vereinfachung und Senkung der allgemeinen Steuersätze einhergeht. Davon könne jedoch bei dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht die Rede sein. Anstatt Regelungen abzubauen, die zur Herstellung von mehr Steuergerechtigkeit eingeführt worden seien, sollte man verstärkt den Steuermissbrauch, insbesondere den Umsatzsteuerbetrug, bekämpfen. Damit, so der dbb, könnte ein zweistelliger Milliardenbetrag eingenommen werden.

Die Deutsche Steuergewerkschaft erwartet eine spürbare Belastung der breiten Bevölkerungsschicht der Durchschnittsverdiener. Das Gesetz sei der falsche Weg, um nachhaltige konjunkturelle Impulse zu setzen. Der Bevölkerung werde in großem Maße Kaufkraft entzogen, was zu einem Stocken der ohnehin schon schwachen Binnennachfrage führen werde. Das ifo-Institut für Wirtschaftsforschung lehnt die Reichensteuer ab. Angesichts der fortschreitenden weltwirtschaftlichen Integration und einem Abbau von Mobilitätsschranken in Europa sei mit einer massiven Ausweichreaktion der Steuerzahler zu rechnen. Maßnahmen, wie die Abschaffung der Absetzbarkeit des häuslichen Arbeitszimmers, der Entfernungspauschale sowie die Beschränkung des Kinderfreibetrages auf Kinder unter 25 Jahren seien sinnvolle Regelungen im Rahmen einer Konsolidierungsstrategie.

Reichensteuer

Für den DGB besteht in der Reichensteuer der einzig positive Aspekt des Gesetzes. Man könne sich sogar vorstellen, die festgelegte Grenze von 250.000 Euro Jahreseinkommen zu senken. Als "unsozial" und "konjunkturschädigend" abgelehnt werden hingegen die restlichen vorgesehen Regelungen. Einen "neuen Tiefpunkt rechtlicher Kultur" sieht Professor Joachim Lang von der Universität Köln mit dem Gesetz erreicht. Es sei steuerpolitisch verfehlt und für eine nachhaltige Konsolidierung nicht geeignet.

Der Bundestag hat die am 19. Mai begonnene erste Lesung des Gesetzeswurfs am 1. Juni fortgesetzt und ihn zur Beratung an den Finanzausschuss überwiesen. Ebenso überwiesen wurde ein Antrag der FDP (16/1654), die Regierung solle ihre "Steuererhöhungspolitik" beenden und die öffentlichen Haushalte durch "intelligentes Sparen" sanieren. Voraussetzung für mehr Investitionen und Arbeitsplätze sei ein einfaches und transparentes Steuersystem mit niedrigen Steuersätzen, so die Liberalen. Deshalb solle der Bundestag das Steueränderungsgesetz 2007 ablehnen. Zur Begründung heißt es, die Bundesregierung setze auf massive Steuererhöhungen und eine höhere Neuverschuldung, anstatt staatliche Ausgaben einzuschränken. Die Fraktion verweist auf die Erhöhung der Mehrwert- und Versicherungssteuer zum 1. Januar 2007. Insgesamt würden die Bürger jährlich mit weiteren rund 4,4 Milliarden Euro belastet, rechnet die FDP vor.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.