Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 37 / 11.09.2006
Lutz Mäurer

Teuflischer Pakt in der Wüste

Die Rolle der Araber im Afrika- und Nahost-Feldzug der Nazis
"Der Irak - ein neuer Krieg und die Folgen" hieß der Vortrag, zu dem die inzwischen verbotene islamistische Gruppe Hizb ut-Tahrir (Islamische Befreiungspartei) im Oktober 2002 geladen hatte. Aufmerksam lauschten die beiden NPD-Spitzenfunktionäre, Udo Voigt und Horst Mahler, dem Referat. Neo-Nazis und islamistisch-arabische Extremisten - zwei Lager, die von ihrer Herkunft kaum unterschiedlicher sein könnten, eint vor allem eins: ihr Hass auf die Juden.

Diese erstaunliche Allianz hat in gewisser Weise Tradition und wurde im Zweiten Weltkrieg begründet, wie Klaus-Michael Mallmann und Martin Cüppers mit ihrem Buch "Halbmond und Hakenkreuz - Das ,Dritte Reich', die Araber und Palästina" eindrucksvoll zeigen. Ihre These: Der gemeinsame Hass von Nazis und großen Teilen der arabischen Welt auf die jüdische Minderheit in Palästina bewirkte einen Paradigmenwechsel der deutschen Außenpolitik: Von der Forcierung der jüdischen Auswanderung hin zur Unterstützung der arabischen Nationalisten. Mit der Landung des Deutschen Afrikakorps unter dem Kommando des späteren Generalfeldmarschalls Erwin Rommel waren weit reichende strategische Planungen für die Eroberung des Orients und die Zerstörung der jüdischen Siedlung in Palästina verbunden.

Ende der 1930er-Jahre herrschte in Palästina ein latenter Bürgerkrieg zwischen Juden und Arabern. Eine der zentralen Figuren für die deutsch-arabischen Beziehungen im aufziehenden Weltkrieg sollte Amin El-Husseini, der Mufti von Jerusalem, werden. Wie kein anderer lud er den Kampf gegen die Juden ideologisch und religiös auf. "Indem er sich selber als Verteidiger der heiligen Stätten und als Vorkämpfer der arabischen Nation profilierte, lancierte er sich ins Rampenlicht der islamischen Aufmerksamkeit", schreiben die Autoren.

Der Mufti war wie viele Gegner der jüdischen Besiedlung Palästinas ein glühender Verehrer Adolf Hitlers. Beide, Deutschland und die arabische Welt, sahen sich als Opfer der Pariser Vorortverträge. Mit Bewunderung betrachtete so mancher Araber, wie Hitler "die Fesseln von Versailles abwarf". Die Begeisterung nahm mitunter skurrile Züge an. In einer irakischen Zeitung war 1934 zu lesen: "Arabien wird erwachen an dem Tag, an dem Gott Arabien einen treuen Mann schickt, der das Volk ruft, wie Hitler das deutsche Volk gerufen hat." Dies war keine Einzelmeinung, wie zahlreiche Belege des Autoren-Duos zeigen. Vor allem wegen seines aggressiven Antisemitismus schien das "neue Deutschland" sympathisch.

Waffenhilfe gegen Unabhängigkeit

Es blieb nicht nur bei Sympathiebekundungen, als das deutsche Afrikakorps in Libyen und Tunesien und somit im arabisch-islamischen Kulturraum gegen die Briten kämpfte. Im Februar 1941 schrieb der Mufti an Hitler: "Von gewissen materiellen Hemmungen befreit, sind die arabischen Völker überall bereit, gegen den gemeinsamen Feind nach Kräften aufzutreten und sich begeistert zusammen mit der Achse zur Leistung ihres Anteils an der wohlverdienten Besiegung der englisch-jüdischen Koalition zu erheben." Das Angebot wurde von deutscher Seite nicht ausgeschlagen. "Deutschland erkennt daher die volle Unabhängigkeit der arabischen Staaten, oder wo sie noch nicht erreicht ist, den Anspruch darauf an, sie zu erringen", hieß es im Antwortschreiben. Damit war ein Pakt geschlossen: Arabische Waffenhilfe im Tausch gegen die Unabhängigkeit nach dem Sieg. Die Nazi-Propaganda stachelte zum Kampf auf: "Befreit Euch von den Engländern (…) und den Juden", hieß es auf Flugblättern. Deutsche Geheimdienste lieferten Maschinengewehre und Karabiner an arabische Freischärler in Palästina. Der irakische Aufstand gegen die Briten schlug trotz Unterstützung durch die deutsche Luftwaffe fehl. Doch weiterhin hofften viele Araber auf den Einmarsch Rommels in Ägypten.

In deutschen Stäben wurde über eine gigantische Zangenbewegung in Nahost nachgedacht: Rommels Verbände sollten Palästina und Syrien erreichen und sich mit Truppen des Ostheeres vereinigen, die aus dem Kaukasus kommend durch Anatolien marschieren würden - größenwahnsinnige Weltmachtsträumereien. Mit dem britischen Sieg von El Alamein und der Katastrophe von Stalingrad einige Monate später waren sie ausgeträumt.

Der alliierte Sieg in Nordafrika bewahrte die Juden der Region vor einem grausamen Schicksal. SS und SD hatten die Vorbereitungen für das Vorgehen eines Einsatzkommandos in Ägypten im Sommer 1942 bereits abgeschlossen. "Wie sich schon seit langem in zahlreichen Stimmungsberichten andeutete, bot sich (…) im Nahen Osten eine (…) teilweise bereits wohl organisierte Zahl von Arabern (…) als willige Helfershelfer der Deutschen an", lautet das bedrückende Fazit des Autoren-Duos. Beide sind bei der Forschungsstelle Ludwigsburg tätig, Mallmann als Leiter und Cüppers als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Sie haben auf überzeugende Weise eine Forschungslücke geschlossen und die erste umfassende Darstellung dieser antisemitischen Koalition von Halbmond und Hakenkreuz geschrieben - eine Allianz, die heute bedrohlicher wirkt denn je.

Klaus-Michael Mallmann / Martin Cüppers

Halbmond und Hakenkreuz.

Das "Dritte Reich", die Araber und Palästina.

Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006; 288 S., 49,90 Euro.


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