Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 37 / 11.09.2006
Jürgen Fux

Diffuses Bild in den Umfragen

Mecklenburg-Vorpommern vor der Landtagswahl
Der Landtag ist beliebt. Zum Beispiel bei den vielen Touristen, die jeden Tag zum Schloss Schwerin pilgern. Die eine Hälfte ist Museum. In der anderen Hälfte residiert seit 1990 der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. 16 Parteien und fünf Einzelbewerber wollen hinein. 396 Kandidaten sind aufgestellt, um einen der 71 Sitze im Schweriner Landtag zu erklimmen.

Am 17. September 2006 ist Landtagswahl. Die erste ohne parallel stattfindende Bundestagswahl. Ein schwieriger Wahlkampf. Neun Umfragen allein seit Juni. Sie zeigten ein überaus diffuses Bild. Wenige interessieren sich für die Wahl. Kaum einer Partei werden Kompetenzen zur Problemlösung zugeschrieben. Die Reduzierung der heute zwölf Landkreise und sechs kreisfreien Städte zu fünf Regionalkreisen als dem wichtigsten Projekt der rot-roten Landesregierung wird in der Bevölkerung mehrheitlich abgelehnt. Die Unzufriedenheit in die Landesregierung ist groß. Nur gut ein Drittel der Menschen will, dass SPD und PDS nach dem 17. September weiter machen. Das größte Problem des Landes, die Arbeitslosigkeit, ist in den Augen der Menschen ungelöst. Wer will in einer solchen Stimmung "Den Erfolg fortsetzen", wie die SPD plakatiert?

Ministerpräsident Harald Ringstorff ist der Trumpf der SPD. Diese setzt deshalb auch voll auf den im Land beliebten Querkopf. Sein Poltern gegen die Bundesregierung wie jüngst, als es um die Kosten des Bush-Besuches ging, kommt bei den Menschen gut an. Darüber täuschten auch die gellenden Pfiffe beim Wahlkampfauftakt der Partei in Rostock nicht hinweg. Unter die 400 Zuhörer hatten sich Studenten gemischt, die gegen die von der Landesregierung beschlossene Schließung der juristischen Fakultät der Universität demonstrieren. Ringstorff lächelt trotzdem wacker von allen Plakaten der Sozialdemokraten. Ob es hilft, die SPD aus dem Umfragetief zu holen, wird sich zeigen.

Die Konkurrenz von der CDU setzt auf das Wörtchen "statt". "Bildung statt Schulsterben" hieß es da und "Handeln statt aufgeben". Jetzt plakatieren die Christdemokraten "Seidel statt Ringstorff". Jürgen Seidel, Landrat im Müritzkreis, hat er geschafft, den Landesverband, den früher Angela Merkel führte, hinter sich zu einen. Die Bundeskanzlerin ist deshalb immer wieder im Land. Beim Wahlauftakt der CDU drängten sich 2.000 Menschen am Stadthafen Waren. Neu bei der CDU: Es gab keine Gegendemonstranten. Ist es gut, wenn keiner mehr gegen uns demonstriert, fragte sich mancher der jugendlichen Ordner in den orangenen Poloshirts?

Die Linkspartei setzt neuerdings ganz auf die Heimat. Sie plakatiert im ganzen Land "Unsere Heimat, das sind nicht nur die Städte und Dörfer". Ein bekanntes Kinderlied aus der DDR. Die Genossen setzen sonst auf einen weitgehend stillen Wahlkampf. Die erwartete Polemik gegen die Große Koalition in Berlin bleibt weitgehend aus. Die Partei baut offenbar darauf, dass ihre Wähler treu sind und immer zur Wahl gehen. Umfragen geben ihr Recht. Statt 16,4 Prozent bei der letzten Landtagswahl wird die Partei jetzt bei mehr als 20 Prozent gesehen.

Die Grünen drohen wieder einmal an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern. Politologen der Universität Rostock sprechen mit Blick auf die Umfragewerte von selbst erfüllenden Prophezeiungen. Die FDP wird es nach zwölf Jahren trostloser Zeit außerhalb des Landtages mit Rückenwind aus Berlin wieder schaffen. Sie ist die einzige Partei, die der Großen Koalition am Wahlabend danken wird. Ob es der rührige Unternehmer Michael Roolf aus Wismar ohne die Enttäuschung der Menschen über die Berliner Politik geschafft hätte zumindest in Umfragen sechs Prozent zu schaffen, bleibt fraglich.

Nicht allein die FDP dürfte dazu beitragen, dass das in Mecklenburg-Vorpommern seit 1994 etablierte Drei-Parteien-Parlament durcheinander gerät. Die NPD macht von sich reden. Sie hat das Land zuplakatiert. Die Dörfer mit kleinen Plakaten. Auf den Parkplätzen der Einkaufszentren vor den Städten schwingt Spitzenkandidat Udo Pastörs auf Großplakaten die Jacke über die Schulter. Sechs Prozent werden den als nette Jungs von Nebenan getarnten Rechtsextremisten, deren Plakatierer schon mal einen Rentner zusammenschlagen, in Umfragen gegeben. Wie geht man damit um, dass sich sechs Prozent der SPD-Anhänger und sogar acht Prozent der PDS-Anhänger nach der Umfrage von Forsa im Auftrag der Ostseezeitung vorstellen können, NPD zu wählen? Keine Partei hat eine echte Antwort. Die Landtagspräsidentin hat einen Kreis von Prominenten gesammelt. Die Medien werben für eine hohe Wahlbeteiligung. Das könnte der Schlüssel sein, um den Einzug der NPD in das Schweriner Schloss doch noch zu stoppen.

Eine Woche vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern steht vor allem eines fest: Alles ist offen. Noch verfügt Rot-Rot in den Umfragen über eine hauchdünne Mehrheit. Ob die bleibt, scheint fraglich. Was passiert, wenn ein Partner massiv verliert, der andere aber zulegt, wird man sehen. Wie sich der Einzug von einer oder gar zwei kleinen Parteien in den Landtag auf die Sitzverhältnisse auswirkt auch. Ob die CDU noch einmal Vorpommern für sich gewinnt, ist eine weitere offene Frage. Nach dem 17. September ist nur eines klar: Die Abgeordneten werden diesmal für fünf Jahre auf den Stühlen im Plenarsaal des Schweriner Schlosses Platz nehmen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.