5. So hat sich die Kontrolle entwickelt
1946 – 1950 – 1956. Das sind die formalen und informellen Gründungsdaten der drei Nachrichtendienste. Als die Bundesrepublik 1949 entstand, gab es den ersten Nachrichtendienst bereits. Seit 1946 arbeitete die „Organisation“ – eine Gruppe um General Gehlen und Reste des Stabes „Abteilung Fremde Heere Ost“ für amerikanische Dienststellen im Bereich der militärischen Ostaufklärung. 1947 war die „Organisation Gehlen“ auf das heute noch vom BND genutzte Gelände in Pullach bei München gezogen. Mit dem offiziellen Entstehen des Bundesnachrichtendienstes am 1. April 1956 wurde die „Organisation“ in den BND integriert – Reinhard Gehlen blieb für über ein Jahrzehnt der erste Präsident der deutschen Auslandsaufklärung. 1950 fiel der Startschuss für das Bundesamt für Verfassungsschutz, das die Arbeit der zum Teil schon vorher entstandenen Landesämter für Verfassungsschutz ergänzte und überregional koordinierte. Mit der Aufstellung deutscher Streitkräfte entstand 1956 das „Amt für Sicherheit der Bundeswehr“, das 1984 in Militärischer Abschirmdienst umbenannt wurde.
Die Arbeit der Dienste und ihre parlamentarische Kontrolle müssen vor dem Hintergrund der damaligen politischen und militärischen Bedrohungssituation gesehen werden. Bereits bei Kriegsende zeichnete sich der Ost-West-Konflikt ab, der sich immer mehr zu einem Kalten Krieg entwickelte. Die Blockade der Zugangsstraßen in den Westteil Berlins, die Niederschlagung von Freiheitsbewegungen im sowjetischen Einflussbereich und die Demonstration technologisch-militärischer Stärke (Atombombentests, „Sputnik-Schock“) waren bestimmend für die Aufträge und die Motivation der Nachrichtendienste. Großen Einfluss hatte vor allem in den 50er und 60er Jahren das Bedürfnis der in der Bundesrepublik stationierten alliierten Truppen nach Schutz vor feindlicher Ausspionierung. Zu dieser Zeit hatte die Bundesrepublik noch nicht ihre vollen souveränen Rechte. Teile der Außen und Sicherheitspolitik standen unter besonderer Aufsicht und unter Vorbehalten der Alliierten. Daraus ergab sich von selbst eine Praxis, die die Arbeit der Nachrichtendienste allerstrengster Geheimhaltung unterwarf und breiter parlamentarischer Kontrolle nur zögerlich zugänglich war.
Eine besondere Kontrolle aus dem Parlament heraus gab es seit 1956 durch das Parlamentarische Vertrauensmännergremium (PMVG), das bis 1964 jedoch nur für den BND zuständig war. Dieses Gremium setzte sich nicht aus vom Bundestag gewählten Abgeordneten zusammen, sondern aus Mitgliedern, die von den Fraktionen bestellt wurden. Diese „Fraktionsbeauftragten“ traten nur auf Einladung durch den Bundeskanzler zusammen, der in diesen Sitzungen auch selbst den Vorsitz führte. 1973 lösten die Abgeordneten den Bundeskanzler bei Einberufung und Vorsitz ab, dennoch wurde die parlamentarische Kontrolle als unzureichend empfunden – zwischen 1976 und 1978 tagte das PMVG kein einziges Mal. Es wurden zwar viele Reformvorschläge entwickelt. Doch nachdem 1969 der Versuch gescheitert war, einen aus fünf Abgeordneten bestehenden ständigen Untersuchungsausschuss für die Nachrichtendienste in der Verfassung zu verankern, dauerte es bis 1978, bis der Bundestag – auch unter dem Eindruck der Abhöraffäre um den Atomwissenschaftler Traube – die parlamentarische Kontrolle auf feste Beine stellte. Es entstand die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK), die einen Mittelweg zwischen dem beabsichtigten Untersuchungsausschuss und dem als unzureichend angesehenen Vertrauensmännergremium darstellte. Wie das PKG hatte auch die PKK weitgehende Rechte auf Auskunft und Mitberatung der Wirtschaftspläne. 1992 kamen aufgrund einer Erklärung der Bundesregierung Erweiterungen und Präzisierungen dieser Rechte hinzu. Darin ging es unter anderem um die Möglichkeiten zur Akteneinsicht und Anhörung von Mitarbeiten der Dienste. Damit ergab sich ein „Qualitätssprung“ in der Kontrolle, die sich nicht mehr nur an die Regierung als Gegenüber richtete, sondern praktisch direkt in den Bereich der Nachrichtendienste hineinreichte. Durch die Erklärung der Bundesregierung erhielten konsequenterweise auch Mitarbeiter der Dienste das Recht, sich direkt mit Verbesserungsvorschlägen zur Organisation an die Kommission zu wenden, falls ihre eigenen Vorgesetzten diesen Ideen nicht folgen. 1999 folgte die Umbenennung der Parlamentarischen Kontrollkommission in Parlamentarisches Kontrollgremium und die Festschreibung der seit 1992 von der Regierung per Erklärung zugestandenen Rechte in Gesetzesform. Neu hinzu kam vor allem die Möglichkeit, Sachverständige mit Einzelfalluntersuchungen zu beauftragen.