4. So arbeitet das Parlamentarische Kontrollgremium
4.1. Wer wird Mitglied?
4.2. Wie oft trifft sich das PKG?
4.3. Womit beschäftigt sich das PKG?
4.4. Welche Befugnisse hat das PKG?
4.5. Was kann das Parlamentarische Kontrollgremium leisten?
4.1. Wer wird Mitglied?
Dem Parlamentarischen Kontrollgremium gehören Abgeordnete an. Ihre Anzahl kann sich verändern. Im Unterschied zur G10 Kommission ist die Größe des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG – vormals: PKK) gesetzlich nicht festgelegt. Das heißt, dass der Bundestag darüber zu Beginn jeder Wahlperiode neu entscheidet. Lange Zeit waren es acht Mitglieder aus den Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP. Ein Vertreter von Bündnis 90/DIE GRÜNEN blieb zunächst außen vor, bis die Mitgliederzahl in der 13. Wahlperiode auf neun erhöht und die Zusammensetzung um einen Grünen-Abgeordneten erweitert wurde. Obwohl die PDS in der 14. Wahlperiode ebenfalls Fraktionsstärke erreichte, blieb einem Vertreter aus ihren Reihen der Zugang zum Vertrauensgremium des Haushaltsausschusses und zum Parlamentarischen Kontrollgremium versperrt.
Gegen dieses Verfahren bestehen nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 14.1.1986 keine Bedenken, so lange die Minderheitenrechte durch die Beteiligung der Opposition gewahrt sind. Die Argumentation der Verfassungsrichter: Die Opposition könne in so viele kleine Fraktionen zerfallen, dass keine kleinen Gremien mehr gebildet werden könnten, wenn darin nicht nur jede Fraktion vertreten und außerdem noch das Mehrheitsverhältnis durch die Zahl ihrer Mitglieder zum Ausdruck kommen müsste.
Würde beispielsweise der Bundestag aus zwei Regierungsfraktionen und fünf Oppositionsfraktionen mit zum Teil nur 5 Prozent der Mandate bestehen, müsste jedes Gremium mindestens aus elf Mitgliedern bestehen, um der Mehrheit im Plenum analog auch die Mehrheit in diesem Gremium zu sichern. Sollten dann auch noch die Stärkeverhältnisse innerhalb der Opposition angemessen widergespiegelt werden, damit eine Fraktion mit fünf Prozent nicht genau so viel Einfluss bekommt, wie eine mit 35 Prozent, wäre man schnell bei einer Mindestgröße von über 20 Abgeordneten – zusammen mit ihren Stellvertretern also ein stattlicher Ausschuss. An derartige Größenordnungen aber hatte der Bundestag nicht gedacht, als er einen vertraulichen Kreis von vertrauenswürdigen Volksvertretern fest installierte, um die Geheimdienste besser kontrollieren zu können, ohne ihre Arbeit empfindlich stören oder die Kontrolle selbst in Frage stellen zu wollen.
Hinter diesem Argument steckt natürlich auch ein beträchtliches Maß an Misstrauen gegenüber neuen politischen Gruppierungen. Ganz konkret ging es bei Bündnis 90/Die Grünen und PDS um die Frage, ob man ausgerechnet denjenigen tiefe Einblicke in die Arbeit, die Erkenntnisse und die möglichen Schwachstellen der Geheimdienste gewähren soll, die sich in der Vergangenheit programmatisch auf die Abschaffung der Nachrichtendienste festgelegt hatten oder in Teilen selbst zum Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes wurden. Sollte das Prinzip der Parität also stärker wiegen als die Bedenken hinsichtlich der Geheimhaltung? Die Bundestagsmehrheit sagte nein – und auch das Bundesverfassungsgericht hatte keine Bedenken gegen den Ausschluss.
Die Bestimmung, wonach die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission mit den Stimmen der Mehrheit gewählt werden müssen, soll nach der Überzeugung von Bundestag und Bundesverfassungsgericht sicherstellen, dass nur diejenigen den Geheimdiensten in die Karten schauen dürfen, die nach mehrheitlicher Ansicht sowohl fachlich dazu qualifiziert sind als auch persönlich ausreichendes Vertrauen genießen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Opposition angemessen vertreten wird und die die Regierung tragende Bundestagsmehrheit ihren Stimmenvorsprung nicht dazu ausnutzt, nur Abgeordnete aus den eigenen Reihen zu entsenden. Damit würden nicht nur Ansehen und Funktion des Bundestages nachhaltig beschädigt, da das Parlament immer aus Regierungsmehrheit und Oppositionsminderheit besteht, es entstünden auch schnell Zweifel an der Neutralität der Kontrolleure. Nicht von ungefähr werden bestimmte Folgen von Entscheidungen der beiden Geheimdienst Kontrollgremien nur wirksam, wenn sie mit Zwei-Drittel-Mehrheit oder einstimmig beschlossen worden sind. Es ist nur logisch, dass Nachrichtendienste, die das Recht auf Opposition als einer der Grundpfeiler der Demokratie schützen sollen, auch von der Opposition mit kontrolliert werden.
In der Regel sind die Abgeordneten, die in das PKG gewählt werden, erfahrene Mitglieder des Bundestages, die sich bei den parlamentarischen Abläufen und auf dem Gebiet der inneren und äußeren Sicherheit gut auskennen. Übernimmt einer von ihnen während der laufenden Wahlperiode ein Amt als Minister oder Parlamentarischer Staatssekretär oder wird in eine andere herausragende Kontroll-Position gewählt, so verlässt er das PKG. Das gleiche gilt für einen aus dem Parlament oder aus seiner Fraktion ausscheidenden Politiker. In diesen Fällen wählt die Mehrheit des Bundestages für den Rest der Amtszeit einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin. Die Amtszeit des PKG erlischt nicht mit dem Ende der Wahlperiode. Damit eine zeitlich lückenlose Nachrichtendienst-Kontrolle gewährleistet werden kann, löst das zu Beginn der neuen Wahlperiode gewählte Gremium unmittelbar seinen Vorgänger ab.
Doch auch wer ausscheidet, bleibt sein Leben lang indirekt dem PKG verbunden, denn seine Verpflichtung zur absoluten Geheimhaltung aller streng vertraulichen Nachrichtendienst-Belange erlischt nie. Was er während seiner PKG-Arbeit erfahren hat, muss er für sich behalten, und zwar auch gegenüber der eigenen Fraktionsführung, auch gegenüber engsten politischen Freunden, auch gegenüber dem eigenen Ehepartner – nicht zu schweigen von den Auskunftinteressen der Presse.
4.2. Wie oft trifft sich das PKG?
Nach den gesetzlichen Festlegungen tritt das Parlamentarische Kontrollgremium mindestens einmal im Vierteljahr zusammen. Mindestens – das heißt, es kann auch öfter – viel öfter. Intern ist der Begriff „mindestens“ längst mit einmal im Monat verbunden. Doch häufig tagt es sogar wöchentlich, bei Bedarf und großem Klärungsbedarf auch mehrmals in einer Woche. Die Sitzungstermine und die -orte werden in der Regel nicht bekannt gegeben. Denn niemand soll die Teilnehmer vor den Türen des Tagungsraumes abpassen und aus den vorgeladenen Personen Rückschlüsse auf die Inhalte der Sitzung ziehen können. Die wenigsten Mitarbeiter der Geheimdienste können es sich leisten, durch ein Spalier von Fotografen und Kameraleuten zu gehen, um dem Kontrollgremium Rede und Antwort stehen zu können. Auch die Sitzungsorte sind mit Bedacht gewählt, damit die Gespräche auch wirklich geheim bleiben, nicht durch Wanzen oder Richtmikrofone belauscht werden können.
Wie wichtig das Vertrauensverhältnis der Bundestagsmehrheit zu jedem einzelnen PKG-Mitglied ist, kommt auch in der Befugnis zum Ausdruck, dass jeder jederzeit sowohl die Einberufung des Gremiums als auch von den Nachrichtendiensten die Unterrichtung zu einem bestimmten Gegenstand verlangen kann. Gewöhnlich richten sich die PKG-Mitglieder auf eine Einladungsfrist von einer Woche oder fünf Tagen ein, bei aktuellen Anlässen ist aber auch ein sofortiges Zusammentreten möglich.
Anders als im Plenum und in den meisten Fachausschüssen, haben die Mitglieder des PKG zumeist ein gemeinsames Interesse an Kontrolle und Aufklärung. Im halbjährlichen Turnus wechselt der Vorsitz zwischen einem PKG-Angehörigen aus dem Kreis der Mehrheitsfraktionen und einem aus den Minderheitsfraktionen. Die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Bundestagsparteien wird indes in der alltäglichen Arbeit selten wahrgenommen. Insofern tritt das strategische Interesse von Oppositionsabgeordneten, die Regierung „vorzuführen“, und das strategische Interesse der Abgeordneten aus den Regierungsfraktionen, die Politik der eigenen Regierung zu stützen, meist hinter dem Bemühen um Einblicke in Hintergründe und geheime Zusammenhänge zurück. Denn die in den Sitzungen gewonnenen Erkenntnisse lassen sich politisch ohnehin nicht „ausschlachten“.
4.3. Womit beschäftigt sich das PKG?
Die Tagesordnungspunkte der PKG-Sitzungen sind ein wahrhaft weites Feld. Sie betreffen die gesamte Arbeit der Nachrichtendienste, für die die Bundesregierung ohne Einschränkung der Kontrolle durch das PKG unterliegt. Von sich aus muss die Regierung „umfassend“ jeweils über die allgemeine Tätigkeit und „Vorgänge von besonderer Bedeutung“ berichten. Wenn das PKG es verlangt, haben die Regierungsvertreter auch alle Einzelheiten „sonstiger Vorgänge“ offen zu legen.
Die Beratungsgegenstände im einzelnen zu schildern, ist angesichts der Geheimhaltungspflicht nicht einfach. Beispielhaft sei hier in Auszügen aus dem Tätigkeitsbericht des PKG über seine Arbeit von 1998 bis 2000 mit den darin „freigegebenen“ Themenfeldern zitiert:
„(...) 1. Proliferation von Massenvernichtungsmitteln und Trägerraketen
Die besondere Aufmerksamkeit des Kontrollgremiums galt – wie in den Vorjahren – den beträchtlichen Gefahren, die sich aus den Aufrüstungsbemühungen einiger Schwellenländer im Bereich der atomaren, biologischen und chemischen Waffen (ABC-Waffen) sowie der Entwicklung von Trägerraketen ergeben. Die damit einhergehende Verbreitung (Proliferation) dieser Massenvernichtungsmittel in Regionen außerhalb des Gebiets der NATO und des ehemaligen Warschauer Paktes bedeutet eine ernsthafte und wachsende Gefährdung des Weltfriedens. Das Gremium hat dabei mit besonderer Besorgnis die Entwicklung in Nordkorea, im Iran, im Irak, in Syrien, in Libyen, in Pakistan und in Indien zur Kenntnis genommen. Gerade der militärische Konflikt zwischen Pakistan und Indien und die von diesen Staaten in den Jahren 1998 und 1999 durchgeführten Nuklear- und Raketentests haben die besondere Dimension der Gefährdung deutlich gemacht.
Die Bundesregierung hat das Kontrollgremium laufend über die Entwicklung in diesem Bereich unterrichtet.
2. Politischer Extremismus in Deutschland
Wie in dem vergangenen Berichtszeitraum hat sich das Gremium mit der Entwicklung im Bereich des Rechts- und Linksextremismus befasst. Auch der Bereich des Ausländerextremismus war Gegenstand der Erörterung. Das Gremium ließ sich dabei laufend über die Aktivitäten einzelner Organisationen und Gruppierungen unterrichten. Im Bereich des Ausländerextremismus waren insbesondere die Aktivitäten der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in Deutschland ein wichtiger Unterrichtungsgegenstand, vor allem nach der Festnahme des Kurdenführers Abdullah Öcalan durch den türkischen Geheimdienst.
Die Bundesregierung berichtete in den Sitzungen über die ihr vorliegenden Informationen zum politischen Extremismus in Deutschland und die von ihr geplanten und ergriffenen Maßnahmen.
3. Spionage
Die Bundesrepublik Deutschland ist unverändert ein Ziel der Spionage ausländischer Dienste, wenn auch der militärische Bereich stärker in den Hintergrund getreten ist. Zunehmende Bedeutung hat der Bereich der Wirtschaftsspionage erlangt. Die Bundesregierung hat dem Gremium ihre diesbezüglichen Erkenntnisse regelmäßig mitgeteilt.
4. Herausgabe von Stasi-Unterlagen durch die USA
(sog. Operation Rosenholz)
Die Bemühungen der Bundesregierung um die Rückführung von Karteikarten der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) der ehemaligen DDR aus den USA war mehrfach Gegenstand einer Unterrichtung des Gremiums. Die Amerikaner hatten sich die Karteikarten in den Wendewirren in einer „Rosenholz“ genannten Geheimoperation beschafft und der Bundesregierung in den ersten Jahren nur spärlich Auskunft darüber erteilt. Nach langen Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und amerikanischen Regierungsstellen wurde vereinbart, dass Kopien der Karteikarten bis Mitte 2001 an die Bundesrepublik übergeben werden. Die Karteikarten werden hierzu von den Amerikanern auf CD-Rom’s gespeichert.
5. Geldwäsche in Liechtenstein
Nachdem sich das Magazin DER SPIEGEL in seiner Ausgabe vom 8. November 1999 über einen Bericht des BND zur Thematik der Geldwäsche im Fürstentum Liechtenstein geäußert hatte, hat sich das Gremium über Hintergründe und weitere Einzelheiten dieser Ausarbeitung berichten lassen. Das Gremium hat die Entwicklung anschließend weiter beobachtet.
Das Fürstentum Liechtenstein hat nicht zuletzt aufgrund der Medienberichterstattung und des BND-Berichts einen Sonderermittler beauftragt, der den Vorwürfen der Geldwäsche im Fürstentum nachgehen sollte. Die Ermittlungen führten schließlich zur Einleitung mehrerer Strafverfahren.
6. Angebliche Beteiligung des BND an Geschäften des bayerischen Geschäftsmannes Karl-Heinz Schreiber
Das Kontrollgremium hat sich auch mit in den Medien behaupteten Verbindungen des in den Parteispendenskandal verwickelten bayerischen Geschäftsmannes Karl-Heinz Schreiber mit dem BND beschäftigt. Es hat hierzu am 2. Dezember 1999 folgende öffentliche Bewertung abgegeben:
,Der bayerische Geschäftsmann Karl-Heinz Schreiber war für den Bundesnachrichtendienst (BND) im Jahr 1983 tätig. Anhaltspunkte für eine Beteiligung des BND an Geschäften des Herrn Schreiber gibt es nicht.’
7. Tschetschnien-Besuch des BND-Präsidenten
Das Gremium hat sich auch mit einer Reise des BND-Präsidenten im März 2000 nach Tschetschenien befasst, die in den Medien kritisch aufgenommen worden war. Das Kontrollgremium hat sich über die Hintergründe der Reise unterrichten lassen und im Anschluss an seine Sitzung am 13. April 2000 folgende öffentliche Bewertung abgegeben:
,Das Parlamentarische Kontrollgremium begrüßt, dass weiterhin gute Kontakte auch im Bereich der Nachrichtendienste zwischen Deutschland und Russland bestehen. Der aktuelle Besuch des BND-Präsidenten Dr. August Hanning fand in diesem Zusammenhang statt und diente deutschen Interessen.’
8. Eingaben von Angehörigen der Nachrichtendienste an das Gremium
Nach § 2d PKGrG ist es Angehörigen der Nachrichtendienste gestattet, sich in dienstlichen Angelegenheiten, jedoch nicht im eigenen oder im Interesse anderer Angehöriger dieser Behörden, mit Eingaben an das Parlamentarische Kontrollgremium zu wenden, soweit die Leitung der Dienste entsprechenden Eingaben nicht gefolgt ist. Im Berichtszeitraum haben sich vereinzelt Angehörige der Nachrichtendienste an das Gremium gewandt. Das Gremium hat aber in sämtlichen Fällen feststellen müssen, dass die Eingaben ausschließlich im eigenen Interesse erfolgten und mithin kein Fall des § 2d PKGrG vorlag. Die Mitarbeiter der Dienste bezweckten in erster Linie eine Verbesserung ihrer eigenen beruflichen oder privaten Situation. Missstände oder Fehlverhalten der Dienste konnten vom Gremium nicht festgestellt werden.
9. Eingaben von Bürgern an das Gremium
Mit der Neuregelung kann sich das Gremium nach § 2d Satz 2 PKGrG auch mit Eingaben von Bürgern befassen. Das Gremium ist überein gekommen, sich vom Sekretariat des Gremiums jeweils quartalsweise über die Eingaben berichten zu lassen. Bei den vorliegenden Eingaben von Bürgern an das Gremium handelt es sich überwiegend um Bitten auf Übersendung von Informationsmaterial über die Arbeit des Gremiums. Lediglich ein geringer Anteil der Eingaben kann als Eingaben im engeren Sinne verstanden werden. Diese Eingaben beinhalten in erster Linie Vermutungen über angeblich von deutschen oder ausländischen Diensten durchgeführte Observationsmaßnahmen. Alle Eingaben wurden vom Gremium beantwortet. Die erbetenen Informationsmaterialien wurden übermittelt, Einzelfragen beantwortet, ggf. Hinweise auf die gesetzlichen Auskunftsrechte bei den Nachrichtendiensten gegeben oder – soweit Vermutungen hinsichtlich einer Überwachung des Brief-, Post- und Telekommunikationsverkehrs beinhaltet waren – die Vorgänge an die G10-Kommission abgegeben.
10. Struktur und Organisation der Dienste
Das Gremium hat sich auch über Fragen aus den Bereichen der Organisation und Struktur der Dienste unterrichten lassen. Dabei spielten auch die jeweiligen Personalkonzepte und die Aufgabenverteilung innerhalb der Dienste eine Rolle. Auch die Arbeitssituation in den Diensten war Gegenstand von Unterrichtungen. Wichtiger Beratungspunkt war dabei auch die Koordinierung und insbesondere die Optimierung der Zusammenarbeit der Dienste.
11. Besuch beim BND
Das Kontrollgremium hat am 29. Februar / 1. März 2000 den BND besucht und sich vor Ort über Arbeitsweise und Probleme des Dienstes berichten lassen. Im Rahmen des Besuchs fand auch ein Gespräch mit dem Personalrat des Dienstes statt.
12. Besuch bei der US Station in Bad Aibling
Das Parlamentarische Kontrollgremium hat am 30. Mai 2000 die US Station des amerikanischen Nachrichtendienstes National Security Agency (NSA) im bayerischen Bad Aibling besucht. Dieser erstmalige Besuch eines deutschen parlamentarischen Gremiums erfolgte auf Einladung von amerikanischer Seite. Die Besuchsmöglichkeit wurde dem Kontrollgremium als Ausdruck der deutsch-amerikanischen Partnerschaft und des Vertrauens eröffnet, um ihm vor Ort einen unmittelbaren Einblick und Überblick über die Tätigkeit in Bad Aibling zu verschaffen.
13. Bericht des Bundesministeriums des Innern nach § 9 Abs. 1 G10-Gesetz
Der Bundesminister des Innern hat dem Gremium nach § 9 Abs. 1 G10- Gesetz halbjährlich über die Durchführung des G10-Gesetzes berichtet. Die Berichte enthielten eine Übersicht über die Überwachungsmaßnahmen nach dem G10-Gesetz, insbesondere über die Anzahl der Verfahren und der betroffenen Personen. Das Gremium hat die Berichte zustimmend zur Kenntnis genommen. (...)“
Zwei Aufgabenfelder sind ausdrücklich in den gesetzlichen Grundlagen des PKG definiert. Sie stehen jedoch nur ab und zu, also zeitlich befristet, im Mittelpunkt des PKG-Arbeitspensums stehen. Die Stichworte: G10 und Haushalt.
In Sachen Beschränkungen des Post- und Fernmeldegeheimnisses, also der Oberaufsicht auf Eingriffe in das Grundrecht nach Artikel 10, hat das PKG das Erbe des früheren G10-Gremiums angetreten. Vor der Neufassung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste existierten drei Gremien: Das PKG, das G10-Gremium und die G10-Kommission. Nun ist das G10-Gremium im PKG aufgegangen. Und das heißt, dass das Parlamentarische Kontrollgremium auch die von Innenministerium, Verteidigungsministerium und Kanzleramt angeordneten und auf Antrag der Nachrichtendienste von der G10-Kommission genehmigten Abhörmaßnahmen summarisch im Blick behalten muss. Spätestens alle sechs Monate bekommt es dazu einen Bericht von den beteiligten Ministerien, diskutiert ihn intensiv und fasst nach, ohne sich allerdings um jeden einzelnen Fall zu kümmern. Einmal im Jahr erstattet das PKG seinerseits dem Bundestag insgesamt einen Bericht über die Grundrechtsbeschränkungen. Wenn das PKG auch nicht an den operativen Abläufen beteiligt ist, hat es letztlich die Kontrolle darüber nicht nur insgesamt mit zu verantworten, sondern ganz konkret: Wer in die G10-Kommission berufen wird, das entscheidet das PKG, und zwar nach Anhörung der Bundesregierung, die damit die Möglichkeit haben soll, die vorgeschlagenen Kandidaten vor Antritt ihres Ehrenamtes einer speziellen Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Der Vorsitzender der G10-Kommission, die drei Beisitzer und die vier stellvertretenden Mitglieder sind zumeist keine Abgeordneten. Häufig handelt es sich um ehemalige Mitglieder des Bundestages, von denen zumindest der Vorsitzende der Kommission die Befähigung zum Richteramt haben muss.
Das zweite vorgegebene Aufgabenfeld bezieht sich auf die materielle Ausstattung der Dienste. Die Mitglieder des Vertrauensgremiums, die der Haushaltsausschuss mit der Beschäftigung der geheimen Etattitel betraut hat, arbeiten sich zwar tief in die Materie ein, jedoch sind die PKG-Abgeordneten noch intensiver über die Zusammenhänge und Hintergründe informiert. Deshalb nehmen sie ihre Beratungsfunktion bei der Haushaltsaufstellung sehr ernst. Vielfach ergeben sich aus der Kontrolle der Strukturen Verbesserungsvorschläge, die auch Auswirkungen auf den Kostenbedarf der Dienste haben. Die Aufstellung des Haushaltes, das Freigeben der Mittel für das Handeln der Regierung, ist das „Königsrecht“ des Parlamentes. Um die Hindernisse durch den Geheimhaltungsbedarf der nachrichtendienstlichen Angelegenheiten auszugleichen und trotzdem eine fachlich versierte Beratung zu garantieren, ist die Sitzungsbeteiligung optimiert: Vertreter des PKG können an den Zusammenkünften des Vertrauensgremiums teilnehmen und dort bei der Verteilung von Euro und Cent auf die jeweiligen Einzelposten mit beraten. Umgekehrt können Vertreter des Vertrauensgremiums zu den Sitzungen des PKG kommen, um sich die strategischen und taktischen Hintergründe der beantragten Haushaltsmittel intensiver schildern zu lassen.
4.4. Welche Befugnisse hat das PKG?
Von dem Recht auf allumfassende Auskunft des Parlamentes gegenüber der Regierung sind nur wenige Bereiche ausgenommen, die gesetzlich vorgegeben sind. Danach kann die Regierung die Unterrichtung nur verweigern, wenn - „zwingende Gründe“ des Nachrichtenzuganges dies erfordern, - der Schutz von Persönlichkeitsrechten Dritter dies nötig macht, - der „Kernbereich“ der exekutiven Eigenverantwortung betroffen ist.
Der „Kernbereich“ der Exekutive besteht aus typischerweise der ausführenden Gewalt vorbehaltenen internen Räumen im Zusammenhang von Einzelfallentscheidungen, in die sich die mehr für allgemeine Regelungen zuständige gesetzgebende Gewalt nicht einmischen darf. Die Grenzen sind nicht klar definiert. Aber im Hinblick auf die grundrechtsbeschränkenden Folgen für den Bürger bei dieser Art von Einzelfallentscheidung ist das Auskunftsrecht des PKG gegenüber der Bundesregierung in Sachen Nachrichtendiensten extensiv entwickelt. In jedem Fall muss bei der Ablehnung einer Information der für den jeweiligen Dienst zuständige Minister dem PKG auf dessen Wunsch den Grund für die Nicht-Auskunft erläutern.
Die Regierung muss nicht nur von sich aus über Vorgänge von „besonderer“ Bedeutung berichten, sondern auf Verlangen auch über „sonstige“ Vorgänge informieren. Damit nicht genug ist den Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums Einsicht in Akten und Dienste zu geben und sowohl das Befragen von Mitarbeitern als auch der direkte Besuch bei den Diensten zu ermöglichen. So öffnen sich für PKG-Mitglieder auf deren Verlangen hin auch die Geheimdiensttüren.
Über das übliche Maß von parlamentarischer Kontrolle der Exekutive hinaus geht auch die gesetzlich fixierte Regelung, wonach sich Mitarbeiter der Dienste direkt an das PKG wenden können. Diese Möglichkeit ist aber daran gebunden, dass es sich nicht um Versuche handelt, persönliche Vorteile zu erlangen, und dass sie zuvor vergeblich auf dem Dienstweg versucht haben, Missstände abzustellen. Insgesamt zeigt diese Vorschrift jedoch, wie tiefgreifend die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste angelegt ist und dass sich diese sogar auf behördeninterne Strukturen und Vorgänge bezieht.
Zwar erfüllt das PKG somit nicht die Funktionen eines regelrechten Nachrichtendienstbeauftragten, doch es hat die Möglichkeit, jederzeit einen Sachverständigen für bestimmte Spezialangelegenheiten zu installieren – und damit die Wirkung im Einzelfall zu verstärken. Damit ergibt sich bei der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste letztlich auch eine Parallele zur parlamentarischen Kontrolle der Bundeswehr. Während der Verteidigungsausschuss gegenüber unzureichender Aufklärung durch die Regierung über das Drohpotenzial verfügt, sich jederzeit in einen Untersuchungsausschuss verwandeln zu können, um mit Sonderrechten bestimmten Angelegenheiten auf den Grund zu gehen, ist das PKG in der Lage, mit der Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder einen Sachverständigen zu beauftragen, im Einzelfall Spezialuntersuchungen durchzuführen, um die Kontrolle durch das PKG abzurunden und zu ergänzen.
4.5. Was kann das Parlamentarische Kontrollgremium leisten?
Die Effizienz der Kontrolle steht oft in einem umgekehrten Verhältnis zu ihrer Sichtbarkeit: Je weniger davon zu sehen ist, desto wirksamer kann sie sein. Gerade für Geheimdienste gilt das. Schon von der Natur der Sache her werden sie um so offener für Kontrolle sein, je mehr sie sich darauf verlassen können, dass ihre Arbeit eben nicht Gegenstand öffentlicher Debatten wird. Der Bundestag hat dem mit weitreichenden Geheimschutzvorschriften Rechnung getragen. Freilich darf nicht übersehen werden, dass sich die PKG-Mitglieder damit oft auf eine Gratwanderung begeben. Politik schafft auch dadurch Fortschritte, führt auch dadurch zur Abschaffung von Missständen, indem sie öffentlich anprangert, öffentlich nachfragt. Indem die Politiker in der PKG in die Hintergründe der nachrichtlichendienstlichen Arbeit involviert sind, können sie in diesem Punkt nur noch sehr eingeschränkt an der öffentlichen Auseinandersetzung teilnehmen.
Trotzdem können sie auf drei Mittel mit möglicherweise erheblicher Wirkungskraft zurückgreifen. Sie können einen Sachverständigen einsetzen und damit dokumentieren, dass in einem bestimmten Feld etwas nicht optimal läuft. Sie können sich in die Ausgestaltung der Wirtschaftspläne einschalten und über die Bereitstellung von Geld in Zusammenarbeit mit den Kollegen des Vertrauensgremiums aus dem Haushaltsausschuss Druck ausüben. Und sie können im Zusammenhang mit aktuellen Vorgängen sich in Teilen selbst von der Geheimhaltungspflicht befreien und eine öffentliche Stellungnahme abgeben. Daraus darf zwar der Gang der Beratungen und der Inhalt der Hintergrundinformation nicht hervorgehen, doch hat das PKG mit dieser Möglichkeit ein Instrument in der Hand, um auf die öffentliche Diskussion einzuwirken. Damit schafft es letztlich Vertrauen in die Arbeit der Dienste. Denn auf diese Weise wird publik, dass die Dienste sich nicht freischwebend im nichtöffentlichen Raum bewegen, sondern detailliert kontrolliert werden. Und wenn die ansonsten zur absoluten Geheimhaltung verpflichteten Abgeordneten einmal etwas sagen, hat das automatisch Gewicht.
Die von Kontrollreform zu Kontrollreform jeweils erweiterten Befugnisse und Möglichkeiten des PKG haben eine nicht zu unterschätzende perspektivische Bedeutung. Sowohl das Recht von Nachrichtendienst-Mitarbeitern, sich in dienstlichen Belangen an das PKG zu wenden, als auch das Angebot an alle Bürger, das PKG als Anlaufstelle im Zusammenhang mit Anfragen und Sorgen bezüglich der Nachrichtendienste zu nutzen, bietet weitere herausragende Chancen, die Kontrollfunktion des Parlamentes gegenüber der Regierung in seiner ganzen Breite auszuschöpfen. Damit wird das PKG zum Bindeglied zwischen nichtöffentlicher Arbeit und öffentlicher Wirkung der Dienste. Wie breit die Kontrolldichte angelegt ist, lässt sich den zur Mitte und zum Ende vorgelegten Berichten des Gremiums an den Bundestag entnehmen, die als Drucksache auch veröffentlicht werden.
Das Interesse anderer Parlamente an der deutschen Geheimdienstkontrolle ist ungebrochen. Immer wieder empfangen die PKG-Mitglieder Abgeordnete aus allen Teilen der Welt, die sich aus der PKG-Tätigkeit Anregungen für die eigene Geheimdienstkontrolle holen oder, vor allem in den jungen Demokratien, die eigene Kontrolle nach PKG-Vorbild aufbauen.