Jahresbericht 1999 / 2
2. Anliegen der Bürger
2.3 Bundesministerium des Innern
Den Ausschuss erreichten im Jahr 1999 zahlreiche Petitionen zum Ausländer- und Asylrecht.
Einen besonderen Schwerpunkt bildeten Eingaben von abgelehnten Asylbewerbern aus dem Kosovo, die wegen der sich im Frühjahr 1999 dramatisch zuspitzenden Lage in ihrer Heimat das Wiederaufgreifen ihres Asylverfahrens oder den Erlass eines generellen Abschiebungsstopps forderten. Den Ausschuss erreichten des weiteren zahlreiche Petitionen von Flüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina, die darum baten, ihre drohende Rückführung abzuwenden oder zumindest aufzuschieben. Erneut wandten sich auch viele deutsche Arbeitgeber an den Ausschuss, um für bei ihnen beschäftigte Flüchtlinge den Verbleib in Deutschland zu erreichen. Ein weiterer Schwerpunkt waren Eingaben, die sich für eine Altfallregelung zugunsten abgelehnter ausreisepflichtiger Asylbewerber und anderer Ausländergruppen einsetzten. Im Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts stand zunächst die Forderung von Einbürgerungsbewerbern nach einem rascheren Einbürgerungsverfahren im Vordergrund. Viele Petenten baten in diesem Zusammenhang auch um die Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit. Durch die im Frühjahr 1999 erfolgte Novellierung des Staatsangehörigkeitsrechts wurde dem größten Teil der Anliegen dieser Petenten entsprochen. Im Übrigen erreichten den Petitionsausschuss wie in jedem Jahr zahlreiche Petitionen zum öffentlichen Dienstrecht des Bundes.
2.3.1 Schaffung einer Altfallregelung für langjährig in Deutschland lebende Ausländer
Dem Ausschuss lagen eine Reihe von Petitionen vor, in denen eine neue Altfallregelung oder zumindest eine Nachbesserung der 1996 beschlossenen Härtefallregelung für ausreisepflichtige Ausländer gefordert wurde, die sich langjährig in Deutschland aufhielten.
Hintergrund war die am 29. März 1996 durch die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren (IMK) beschlossene Härtefallregelung. Danach wurde ausreisepflichtigen Familien mit minderjährigen Kindern, die vor dem 1. Juli 1990 eingereist waren, sowie allen anderen Personen, deren Einreise vor dem 1. Januar 1987 erfolgte, ein Bleiberecht in Form einer Aufenthaltsbefugnis gewährt, wenn sie sich "faktisch integriert" hatten. Zu den Voraussetzungen gehörte u. a., dass ihr Lebensunterhalt grundsätzlich durch legale Erwerbstätigkeit ohne zusätzliche Mittel der Sozialhilfe gesichert sein musste.
Die Petenten forderten, diese alte Härtefallregelung auszuweiten und ihre Voraussetzungen deutlich zu erleichtern.
So sei das Kriterium der Erwerbstätigkeit für manche Betroffene - z. B. alleinstehende Frauen - schwer erfüllbar. Ferner hätten Arbeitssuchende vor dem Problem gestanden, dass sie nicht über eine gesicherte Aufenthaltsbefugnis, sondern nur über eine befristete Duldung verfügt hätten, so dass ihre Arbeitsplatzbewerbungen erfolglos geblieben seien. Obwohl sie die anderen Voraussetzungen der Härtefallregelung erfüllt hätten, sei ihnen ohne Erwerbstätigkeit die Aufenthaltsbefugnis verwehrt geblieben.
Darüber hinaus seien die Stichtage 1. Januar 1987 bzw. 1. Juli 1990 willkürlich. Auch nach den Stichtagen seien viele Ausländer nach Deutschland eingereist, die inzwischen mehrere Jahre hier lebten und sich so gut integriert hätten, dass ihre Abschiebung eine unzumutbare Härte sei. Kriterium dürfe daher kein fester Stichtag, sondern nur die langjährige Aufenthaltsdauer sein. Dementsprechend solle eine dauerhafte, nicht auslaufende Härtefallregelung geschaffen werden.
Weitere Forderungen waren darauf gerichtet, besondere Flüchtlingsgruppen wie Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina oder Flüchtlinge aus der Bundesrepublik Jugoslawien sowie Vietnam in die Altfallregelung mit aufzunehmen.
Der Ausschuss hielt die Petition für besonders geeignet, in die Überlegungen zur Schaffung und Ausgestaltung einer neuen Altfallregelung mit einbezogen zu werden, da sie insbesondere die Schwachpunkte der Härtefallregelung von 1996 offenlegte.
Der Ausschuss empfahl daher, die Petition der Bundesregierung - dem BMI - als Material im Hinblick auf die seinerzeit anstehenden Beratungen zur Schaffung einer neuen Altfallregelung zu überweisen sowie den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben, um auf die grundsätzlichen Probleme aufmerksam zu machen.
Zwar ist die Antwort der Bundesregierung nicht vor Ablauf des 3. Quartals 2000 zu erwarten, da die Berichtsfrist bis dahin läuft; eine indirekte Antwort liegt dem Ausschuss gleichwohl dadurch vor, dass sich die Innenministerkonferenz am 19. November 1999 auf eine weitere Altfallregelung für Asylbewerber mit langjährigem Aufenthalt in Deutschland verständigte. Nach dieser Vereinbarung gelten als neue Stichtage der 1. Juli 1993 für Familien und Alleinstehende mit minderjährigen Kindern sowie der 1. Januar 1990 für alleinstehende Personen und Ehegatten ohne Kinder.
Auch zu einer Reihe weiterer in den Petitionen erhobenen Forderungen enthält die neue Altfallregelung teils positive, teils negative Feststellungen.
Gleichwohl bleibt für den Ausschuss zunächst die Antwort der Bundesregierung abzuwarten, bevor er entscheiden kann, ob und ggf. wie er das Anliegen der Petenten weiter verfolgt, zumal sich bereits in der kurzen Zeit seit der Beschlussfassung der Innenministerkonferenz gezeigt hat, dass die Umsetzung der Vereinbarung im Einzelfall erhebliche Probleme aufwerfen kann.
2.3.2 Abschiebestopp für albanische Flüchtlinge aus dem Kosovo
Während der Zuspitzung der Situation im Kosovo, die schließlich zu den Kriegshandlungen im Frühjahr 1999 führte, erreichten den Ausschuss mehrere Bitten um den Erlass eines Abschiebestopps für die albanischen Flüchtlinge aus dem Kosovo, die sich seinerzeit in Deutschland aufhielten.
Der Ausschuss teilte die Bedenken der Petenten, daß angesichts der dramatischen Ereignisse im Kosovo bis zum Sommer 1999 keine Abschiebungen dorthin erfolgen sollten.
Abschiebungen fanden zwar in der Praxis seit längerem nicht mehr statt, da das mit der Bundesrepublik Jugoslawien vereinbarte Rückübernahmeabkommen - das Rückführungen nur auf dem Luftweg vorsah - faktisch ausgesetzt war. Die betroffenen Flüchtlinge empfanden jedoch den Zustand der Ungewissheit als unzumutbar. Auch der Ausschuss hielt den Erlass eines befristeten generellen Abschiebestopps nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass Deutschland inzwischen 15.000 Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo aufgenommen hatte, für sinnvoll.
Allerdings liegt die Kompetenz für den Erlass eines befristeten Abschiebestopps nach § 54 Satz 1 Ausländergesetz nicht bei der Bundesregierung, sondern allein bei den Bundesländern. Daher leitete der Ausschuss die an ihn gerichteten Petitionen im Wege der Teilabgabe an die jeweils zuständigen Landesvolksvertretungen weiter.
Aufgrund der besonderen Lage empfahl der Ausschuss darüber hinaus, die Petition der Bundesregierung - dem BMI - zur Erwägung zu überweisen, mit der Zielrichtung, dass das Ministerium mit den Bundesländern die Möglichkeit eines Abschiebestopps erörtere.
In der Antwort legte das BMI die Entwicklung im Kosovo ab Sommer 1999 dar. Das BMI sah aufgrund der Entspannung der Situation keine Veranlassung, sich für einen Abschiebestopp einzusetzen.