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Volker Koop
Die Flucht ins Ausland bleibt eine Flucht ins
(Steuer-) Paradies
Sollte die Steuerpflicht an die
Staatsangehörigkeit gekoppelt werden?
Deutsche Sportler tun es, Schauspieler und
Moderatoren tun es - und nun auch immer mehr Unternehmer: Sie
verlegen ihren ersten Wohnsitz von Deutschland ins Ausland, um
Steuern zu sparen. Die Reaktion der Öffentlichkeit ist
zwiespältig: hier augenzwinkerndes Verständnis, dort
unverhohlene Empörung. Ärgerlich ist es zweifellos, wenn
dem Fiskus durch derartige ganz persönliche
Steuersparprogramme hohe Beträge entgehen, die die
öffentliche Hand dringend benötigt. Doch wie ist an das
Geld zu kommen?
Ein Vorschlag der vergangenen Wochen war, die
Steuerpflicht an die deutsche Staatsangehörigkeit zu koppeln.
Dann gäbe es für "potenzielle Steuerflüchtlinge" auf
dieser Welt kein Refugium mehr, in das sie sich zurückziehen
könnten. Wie es scheint, ist dieser Gedanke jedoch kaum
umzusetzen.
Christine Scheel, finanzpolitische Sprecherin
der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen und Vorsitzende
des Bundestags-Finanzausschusses, verhehlt ihren Unmut über
die "Steuerflüchtlinge" nicht. Für sie ist es "ein
großes Ärgernis, dass sich Steuerpflichtige mit hohem
Einkommen auf ganz legalem Wege der Steuerpflicht entziehen, indem
sie ihren Wohnort ins Ausland verlagern, hier aber in Deutschland
weiterhin hohe Einkommen erzielen und dafür auch die hiesige
Infrastruktur nutzen, die mit Steuermitteln der
‚Zurückgebliebenen' bezahlt wird". Manchmal sei dies
hart an der Illegalität, wenn der Wohnort im Ausland nur
vorgetäuscht werde. In diesem Fall folge allerdings in der
Regel ein Strafverfahren mit entsprechender Verurteilung wegen
Steuerhinterziehung.
Bündnis 90/Die Grünen dächten
jedoch schon weiter. Christine Scheel: "Wir finden es nicht
hinnehmbar, dass durch Wohnsitzverlagerungen und weitere legale
Tricks in Deutschland keine Steuern gezahlt werden, obwohl alle
Annehmlichkeiten des deutschen Staatswesens wie beispielsweise die
gute Infrastruktur genutzt werden." Die USA hätten das Problem
gelöst, indem sie Steuerpflicht an Staatsangehörigkeit
knüpften. In diese Richtung wolle ihre Fraktion auch gehen.
Allerdings gebe es noch viele Bedenken zu
entkräften.
Beispielsweise müsste diese Regelung
zumindest EU-weit einheitlich durchgesetzt werden, denn ansonsten
würde Doppelbesteuerung drohen, wenn ein Steuerpflichtiger mit
deutschem Pass nicht nur aus Steuergründen, sondern zum
Beispiel aus familiären Gründen ins Ausland umgezogen
wäre und deshalb dann doppelt Steuern zahlen müsste.
Außerdem würde dies auch die Niederlassungsfreiheit in
Europa verletzten - ein Grundrecht in der EU.
Auf die erheblichen Probleme sowohl
rechtlicher, technischer als auch praktischer Natur, die eine
Verknüpfung der Steuerpflicht mit der deutschen
Staatsangehörigkeit aufwirft, verweist auch Joachim Poß.
Der stellvertretende Vorsitzende und Finanzexperte der
SPD-Bundestagsfraktion führt folgende Beispiele an: "Bei der
Anknüpfung der Steuerpflicht an die Staatsangehörigkeit
ist es schon schwierig, bei einem im Ausland lebenden Deutschen,
dessen Aufenthaltsort nicht bekannt ist, die Abgabe einer
Steuererklärung durchzusetzen. Darüber hinaus ist es oft
nicht möglich, geschuldete Steuern im Ausland zwangsweise
einzuziehen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass
Deutschland mit fast 90 Staaten Doppelbesteuerungsabkommen
abgeschlossen hat, die von einer Besteuerung aufgrund der
Ansässigkeit ausgehen. Lebte ein deutscher
Staatsangehöriger in einem Staat, mit dem ein
Doppelbesteuerungsabkommen besteht, würde dieser Vertrag bei
der Einführung einer Besteuerung nach der
Staatsangehörigkeit weitgehend untersagen, Einkünfte
dieser Personen der Besteuerung zu unterwerfen." Eine Anpassung
dieser Abkommen würde viele Jahre dauern, sagt Joachim
Poß.
Zudem würde nach Überzeugung des
SPD-Parlamentariers die Anknüpfung der Besteuerung nach der
Staatsangehörigkeit im Ergebnis einen bürokratischen
Aufwand mit sich bringen, der in keinem Verhältnis zu dem wohl
im Einzelfall hohen, für das Gesamtsteueraufkommen aber eher
geringen Steuerertrag stehe. Deswegen stehe er dem Instrument der
Staatsangehörigkeitsbesteuerung skeptisch gegenüber und
appelliere an potenzielle "reiche Steuerflüchtlinge", sich
ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung zu stellen.
Michael Meister, finanzpolitischer Sprecher
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ist sicher, dass sich das Ziel, die
Abwanderung von Leistungsträgern zu verhindern, mit diesem
Instrument nicht erreichen lässt. So wäre es
möglich, der Besteuerung durch den Wechsel der
Staatsangehörigkeit zu entgehen. Darüber hinaus
wären internationale Isolierung und weitere Bürokratie
die Folge. Meister: "Die Vereinigten Staaten von Amerika sind
weltweit der einzige Industriestaat, der - historisch bedingt - die
Steuerpflicht an die Staatsangehörigkeit knüpft. Sie
benötigen ein weltweites Netz zahlreicher Abkommen, um
Auskünfte über den Aufenthalt und die steuerlichen
Verhältnisse ihrer Staatsangehörigen zu erhalten. Trotz
ihrer weltweiten Präsenz haben sie erhebliche Schwierigkeiten
bei der Durchsetzung dieses Besteuerungsprinzips." Vor allem aber
werde so das Übel nicht an der Wurzel gepackt. Dazu zählt
Meister bürokratische Hemmnisse, überbordende
Regulierungen und die leistungsfeindliche Höhe von
Steuern.
"Grundgedanke jeder Besteuerung ist die
Teilhabe des Staates am Erwerbserfolg privaten Wirtschaftens", sagt
Hermann Otto Solms. Der Staat stelle den Rechtsrahmen und seine
Infrastruktur zur Verfügung, wodurch wirtschaftliche
Tätigkeit überhaupt erst möglich werde, so der
finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion. Mangels eigener
wirtschaftlicher Tätigkeit könne der Staat nur durch den
Steuerzugriff die nötigen Haushaltsmittel erheben, die er zur
Finanzierung seiner Staatsausgaben benötige. Daraus folge,
dass die Besteuerung sich auf die Bürger beziehen müsse,
die ihren Wohnsitz beziehungsweise ihren ständigen Aufenthalt
im Inland hätten, dort ihr Einkommen erwirtschafteten und so
die staatlichen Strukturen zur Steigerung ihrer finanziellen
Leistungsfähigkeiten nutzten. Solms: "Soweit in Deutschland
darüber nachgedacht wird, auch die deutsche
Staatsangehörigkeit zum Anlass eines Steuerzugriffs zu
wählen, weil zum Beispiel prominente Bürger zur
Minimierung ihrer Steuerlast ins Ausland ziehen, ist das genau der
falsche Weg." Dies würde allenfalls dazu führen, dass
betroffene Personen sich veranlasst sähen, neben dem Wohnsitz
auch die Staatsangehörigkeit aufzugeben. Stattdessen sollte
sich Deutschland dem Steuerwettbewerb stellen und das Steuersystem
so reformieren, dass das Land in diesem Wettbewerb auch erfolgreich
bestehen könne.
Bei dieser parteiübergreifenden
Einigkeit kann kein Zweifel daran bestehen, dass Schumi & Co.
auch in Zukunft mit deutschen Pässen in ihren jeweiligen
Steuerparadiesen leben können, ohne befürchten zu
müssen, vom deutschen Fiskus behelligt zu werden.
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