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Das Parlament
Nr. 03-04 / 19.01.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Volker Koop

Die Flucht ins Ausland bleibt eine Flucht ins (Steuer-) Paradies

Sollte die Steuerpflicht an die Staatsangehörigkeit gekoppelt werden?
Deutsche Sportler tun es, Schauspieler und Moderatoren tun es - und nun auch immer mehr Unternehmer: Sie verlegen ihren ersten Wohnsitz von Deutschland ins Ausland, um Steuern zu sparen. Die Reaktion der Öffentlichkeit ist zwiespältig: hier augenzwinkerndes Verständnis, dort unverhohlene Empörung. Ärgerlich ist es zweifellos, wenn dem Fiskus durch derartige ganz persönliche Steuersparprogramme hohe Beträge entgehen, die die öffentliche Hand dringend benötigt. Doch wie ist an das Geld zu kommen?

Ein Vorschlag der vergangenen Wochen war, die Steuerpflicht an die deutsche Staatsangehörigkeit zu koppeln. Dann gäbe es für "potenzielle Steuerflüchtlinge" auf dieser Welt kein Refugium mehr, in das sie sich zurückziehen könnten. Wie es scheint, ist dieser Gedanke jedoch kaum umzusetzen.

Christine Scheel, finanzpolitische Sprecherin der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen und Vorsitzende des Bundestags-Finanzausschusses, verhehlt ihren Unmut über die "Steuerflüchtlinge" nicht. Für sie ist es "ein großes Ärgernis, dass sich Steuerpflichtige mit hohem Einkommen auf ganz legalem Wege der Steuerpflicht entziehen, indem sie ihren Wohnort ins Ausland verlagern, hier aber in Deutschland weiterhin hohe Einkommen erzielen und dafür auch die hiesige Infrastruktur nutzen, die mit Steuermitteln der ‚Zurückgebliebenen' bezahlt wird". Manchmal sei dies hart an der Illegalität, wenn der Wohnort im Ausland nur vorgetäuscht werde. In diesem Fall folge allerdings in der Regel ein Strafverfahren mit entsprechender Verurteilung wegen Steuerhinterziehung.

Bündnis 90/Die Grünen dächten jedoch schon weiter. Christine Scheel: "Wir finden es nicht hinnehmbar, dass durch Wohnsitzverlagerungen und weitere legale Tricks in Deutschland keine Steuern gezahlt werden, obwohl alle Annehmlichkeiten des deutschen Staatswesens wie beispielsweise die gute Infrastruktur genutzt werden." Die USA hätten das Problem gelöst, indem sie Steuerpflicht an Staatsangehörigkeit knüpften. In diese Richtung wolle ihre Fraktion auch gehen. Allerdings gebe es noch viele Bedenken zu entkräften.

Beispielsweise müsste diese Regelung zumindest EU-weit einheitlich durchgesetzt werden, denn ansonsten würde Doppelbesteuerung drohen, wenn ein Steuerpflichtiger mit deutschem Pass nicht nur aus Steuergründen, sondern zum Beispiel aus familiären Gründen ins Ausland umgezogen wäre und deshalb dann doppelt Steuern zahlen müsste. Außerdem würde dies auch die Niederlassungsfreiheit in Europa verletzten - ein Grundrecht in der EU.

Auf die erheblichen Probleme sowohl rechtlicher, technischer als auch praktischer Natur, die eine Verknüpfung der Steuerpflicht mit der deutschen Staatsangehörigkeit aufwirft, verweist auch Joachim Poß. Der stellvertretende Vorsitzende und Finanzexperte der SPD-Bundestagsfraktion führt folgende Beispiele an: "Bei der Anknüpfung der Steuerpflicht an die Staatsangehörigkeit ist es schon schwierig, bei einem im Ausland lebenden Deutschen, dessen Aufenthaltsort nicht bekannt ist, die Abgabe einer Steuererklärung durchzusetzen. Darüber hinaus ist es oft nicht möglich, geschuldete Steuern im Ausland zwangsweise einzuziehen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Deutschland mit fast 90 Staaten Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, die von einer Besteuerung aufgrund der Ansässigkeit ausgehen. Lebte ein deutscher Staatsangehöriger in einem Staat, mit dem ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, würde dieser Vertrag bei der Einführung einer Besteuerung nach der Staatsangehörigkeit weitgehend untersagen, Einkünfte dieser Personen der Besteuerung zu unterwerfen." Eine Anpassung dieser Abkommen würde viele Jahre dauern, sagt Joachim Poß.

Zudem würde nach Überzeugung des SPD-Parlamentariers die Anknüpfung der Besteuerung nach der Staatsangehörigkeit im Ergebnis einen bürokratischen Aufwand mit sich bringen, der in keinem Verhältnis zu dem wohl im Einzelfall hohen, für das Gesamtsteueraufkommen aber eher geringen Steuerertrag stehe. Deswegen stehe er dem Instrument der Staatsangehörigkeitsbesteuerung skeptisch gegenüber und appelliere an potenzielle "reiche Steuerflüchtlinge", sich ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung zu stellen.

Michael Meister, finanzpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ist sicher, dass sich das Ziel, die Abwanderung von Leistungsträgern zu verhindern, mit diesem Instrument nicht erreichen lässt. So wäre es möglich, der Besteuerung durch den Wechsel der Staatsangehörigkeit zu entgehen. Darüber hinaus wären internationale Isolierung und weitere Bürokratie die Folge. Meister: "Die Vereinigten Staaten von Amerika sind weltweit der einzige Industriestaat, der - historisch bedingt - die Steuerpflicht an die Staatsangehörigkeit knüpft. Sie benötigen ein weltweites Netz zahlreicher Abkommen, um Auskünfte über den Aufenthalt und die steuerlichen Verhältnisse ihrer Staatsangehörigen zu erhalten. Trotz ihrer weltweiten Präsenz haben sie erhebliche Schwierigkeiten bei der Durchsetzung dieses Besteuerungsprinzips." Vor allem aber werde so das Übel nicht an der Wurzel gepackt. Dazu zählt Meister bürokratische Hemmnisse, überbordende Regulierungen und die leistungsfeindliche Höhe von Steuern.

"Grundgedanke jeder Besteuerung ist die Teilhabe des Staates am Erwerbserfolg privaten Wirtschaftens", sagt Hermann Otto Solms. Der Staat stelle den Rechtsrahmen und seine Infrastruktur zur Verfügung, wodurch wirtschaftliche Tätigkeit überhaupt erst möglich werde, so der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion. Mangels eigener wirtschaftlicher Tätigkeit könne der Staat nur durch den Steuerzugriff die nötigen Haushaltsmittel erheben, die er zur Finanzierung seiner Staatsausgaben benötige. Daraus folge, dass die Besteuerung sich auf die Bürger beziehen müsse, die ihren Wohnsitz beziehungsweise ihren ständigen Aufenthalt im Inland hätten, dort ihr Einkommen erwirtschafteten und so die staatlichen Strukturen zur Steigerung ihrer finanziellen Leistungsfähigkeiten nutzten. Solms: "Soweit in Deutschland darüber nachgedacht wird, auch die deutsche Staatsangehörigkeit zum Anlass eines Steuerzugriffs zu wählen, weil zum Beispiel prominente Bürger zur Minimierung ihrer Steuerlast ins Ausland ziehen, ist das genau der falsche Weg." Dies würde allenfalls dazu führen, dass betroffene Personen sich veranlasst sähen, neben dem Wohnsitz auch die Staatsangehörigkeit aufzugeben. Stattdessen sollte sich Deutschland dem Steuerwettbewerb stellen und das Steuersystem so reformieren, dass das Land in diesem Wettbewerb auch erfolgreich bestehen könne.

Bei dieser parteiübergreifenden Einigkeit kann kein Zweifel daran bestehen, dass Schumi & Co. auch in Zukunft mit deutschen Pässen in ihren jeweiligen Steuerparadiesen leben können, ohne befürchten zu müssen, vom deutschen Fiskus behelligt zu werden.

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