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Dirk Klose
Hessisches Gebabbel
Kurz notiert
Hessen liegt in der Mitte der Republik, hier schneiden sich die
großen Handels- und Verkehrswege, aber auch die der
Mentalitäten und der Kultur. Und so kann man, etwas
verallgemeinernd, sagen, dass hessische Geschichten immer auch
deutsche Geschichten sind und umgekehrt.
Der Hessische Rundfunk hatte unlängst die
gleichermaßen witzige wie historisch fundierte Sendung "Hessen
schamlos" ausgestrahlt. Schamlos, das bedeutet heute immer
geringere Skrupel, sich öffentlich auszuleben, moralische
Urteile beiseite zu schieben und Hemmschwellen in Sitte und Anstand
zu durchbrechen. Und es war für die Funkleute leicht, viel
"schamloses" Verhaltens in Hessen festzumachen, wie dieser kleine
Band beweist. Fünf Kapitel weisen auf belehrend-amüsante
Weise in die unterschiedlichsten Bereiche schamlosen
Verhaltens.
Bei den "Männern" reicht der Bogen von Napoleons lustigem
Bruder Jeróme in Kassel bis zu Fassbinders Skandalstück
"Der Müll, die Stadt und der Tod". Bei den Vereinen wird
menschliches Verhalten am Beispiel von Karnevalsclubs bis zur
Klasse der Frankfurter Finanzmanager ausgeleuchtet, wofür in
einer bissigen Satire Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann steht. Und
wer einmal auf Hessens Autobahnen gefahren ist und die vielen
Hinweisschilder auf "Hessischen Fachwerkbau" kennt, den wird nicht
wundern, dass auch tief in die hessische Provinz eingetaucht wird,
- in das Gerangel in Kassel um den Abriss der documenta-Treppe, in
die Erinnerung an zwei in Seligenstadt beigesetzte Heilige, in
Streiterein über historische Gebäude im
südhessischen Lorch.
Am schönsten sind die Frauengeschichten, aus denen der mit
"Fleischliche Dialektik" überschriebene Bericht über das
Busenattentat auf Theodor W. Adorno im April 1969 an der
Frankfurter Universität herausragt ("Ach, was muss man doch
von bösen/Mädchen hören oder lesen" begann damals
Robert Gernhardt sein unsterbliches Gedicht!). Insgesamt
bestätigt der hübsche Band den Slogan aus alten
Wahlkämpfen: "Hessen vorn". Bei solchen Begebenheiten kann man
ja auch gar nicht hinten liegen!
Martin Maria Schwarz, Ulrich Sonnenschein (Hrsg.)
Hessen schamlos. Orte verwegener Taten.
Jonas Verlag, Marburg 2004; 144 S., 15,- Euro
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