Hartmut Hausmann
Im Falle von Gewaltanwendung werden Sanktionen
angedroht
EU befürwortet Einheit der
Ukraine
In einer Dringlichkeitsdebatte des
Europäischen Parlaments in Brüssel haben sich die
Europaabgeordneten am 2. Dezember für eine Wiederholung des 2.
Wahlgangs zur Wahl des Staatsoberhaupts in der Ukraine noch vor dem
Jahresende ausgesprochen. Die Abgeordneten lehnten die Entscheidung
der Zentralen Wahlkommission ab, Viktor Janukowitsch zum Sieger der
Präsidentschaftswahlen zu erklären, ohne die
Gültigkeit der Wahlen und des Wahlvorgangs gründlich und
umfassend geprüft zu haben.
Sie fordern die ukrainischen Staatsorgane
auf, die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen für
ungültig zu erklären und sie bis Ende dieses Jahres unter
Mitwirkung internationaler Beobachter zu wiederholen. Hierbei
müssen offene und transparente Wahlen gemäß
internationalen demokratischen Standards sowohl während des
Wahlkampfs als auch bei der Abstimmung und Stimmauszählung
gewährleistet werden. Das Parlament wandte sich so auch gegen
die von dem noch amtierenden ukrainischen Präsidenten Kutschma
zunächst vorgeschlagenen Neuwahlen.
Zugleich werden die Behörden und
Parteien weiterhin zur Gewaltlosigkeit aufgefordert. Für den
Fall, dass die ukrainische Regierung dennoch gewaltsam gegen
friedliche Demonstranten vorgehen sollte, wird in der gemeinsam von
sechs Fraktionen eingebrachten Entschließung mit dem
sofortigen Aussetzen des Part-nerschaftsabkommens der EU mit der
Ukraine sowie weiteren Sanktionen gedroht. In der Debatte hatten
sich Sprecher aller Fraktionen in großer Einmütigkeit
gegen die Aufspaltung der Ukraine in einen zur EU tendierenden
Westteil und einen sich zu Russland orientierenden Ostteil
ausgesprochen.
Als neue EU-Kommissarin für die
Außenbeziehungen der Union sprach sich die frühere
österreichische Außenministerin Benita Ferrero-Waldner
für eine gewaltfreie Lösung aus. Aufgabe der
Europäischen Union sei es, aktives Krisenmanagement zu
betreiben. Europa versuche zurzeit in Kiew zu vermitteln. Dabei
gehe es nicht um Einmischung zugunsten eines bestimmten Kandidaten.
Die Ukraine müsse als funktionsfähiger Staat intakt
bleiben, eine Spaltung würde zu einer großen Krise
führen.
Zu den weiteren Beziehungen zwischen der EU
und der Ukraine bemerkte die Kommissarin, die Qualität der
weiteren Partnerschaft hänge von der Qualität der
Demokratie in dem osteuropäischen Land ab. In dem von der EU
1998 mit Kiew abgeschlossenen Partnerschafts- und
Kooperationsabkommen seien der Ukraine mehr als eine Milliarde Euro
an Unterstützung aus dem Tacis-Programm gewährt
worden.
Für den Ministerrat zeigte sich der
niederländische Staatsekretär Nicolai besorgt über
den am 30. November von der Opposition erklärten Abbruch der
Gespräche mit der Regierung. Die EU stehe in dieser Situation
jedoch weiterhin für eine Vermittlerrolle bereit. Jedoch
ständen auch die OSZE, die USA und Russland in der
Verantwortung für eine demokratisch-gewaltfreie Lösung
der Krise, bei der die Achtung der territorialen Integrität
des Landes ebenso gewährleistet sein müsse wie die
Überwindung der in dieser Krise erkennbar gewordenen Spaltung
der ukrainischen Gesellschaft.
Als Sprecherin der EVP sah sich die polnische
Abgeordnete Saryusz-Wolski (EVP) ebenso wie ihr Landsmann, der
frühere Ministerpräsident Bronislaw Geremek von den
Liberalen, durch den Demokratisierungsprozess in ihrem
östlichen Nachbarland an die Solidarnosz-Bewegung von 1980 in
Danzig (Gdansk) erinnert, an dessen Ende hoffentlich die Entstehung
eines vollwertigen Rechtsstaates stehe. Das Europäische
Parlament sei mit den Menschen auf den Straßen von Kiew
solidarisch. "Die Ukraine öffnet sich für Europa - die EU
muss sich nun für die Ukraine öffnen", deutete Geremek
als langfristige Perspektive an.
Martin Schulz (SPE/Deutschland)
begrüßte die Einigkeit im Parlament. Wenn es um Frieden
und die Garantie der bürgerlichen Grundrechte und Freiheiten
gehe, dann stehe man in Europa gemeinsam auf einer Seite. Die EU
sei das erfolgreichste multinationale Demokratie-modell der Welt.
Vor Ort sei eine Massenbewegung wie die in der Ukraine nur schwer
zu steuern; zwischen einer friedlichen Lösung und einem
Blutbad sei nur ein schmaler Grat. Daher sei eine Vermittlung
seitens der EU enorm wichtig.
Elmar Brok (EVP/Deutschland) ergänzte,
das Parlament stelle sich dabei nicht auf die Seite eines
Kandidaten, sondern auf die der Demokratie. Wahlbetrug könne
nicht zur Anerkennung von Wahlen führen. Das Recht auf
Selbstbestimmung der Völker dürfe nicht in Frage gestellt
werden.
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