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Karl-Otto Sattler
Der Triumph des Kronprinzen
Baden-Württemberg: Günther Oettinger
wird neuer Ministerpräsident
The show is over, the show must go on. "Jetzt
freue ich mich, morgen geht die Arbeit los": Kaum hatte Noch-Regent
Erwin Teufel mit belegter Stimme den mit 60,6 Prozent
überraschend klaren Sieg Günther Oettingers bei der
Mitgliederbefragung der Südwest-CDU verkündet,
präsentierte sich der noch gar nicht inthronisierte
künftige Ministerpräsident selbstbewusst als Nummer eins
im "Ländle" - um von nun an die Zügel in die Hand zu
nehmen.
Eine etwas bizarr anmutende Situation: Teufel
selbst führt die Amtsgeschäfte bis zu seinem
Rücktritt im April, doch alle Augen richten sich fortan auf
den Fraktionsvorsitzenden als die nach dem Triumph beim
unionsinternen Basisreferendum unumstrittene neue
Führungsfigur. Die Opposition schießt sich bereits auf
dieses "Machtvakuum" ein.
Selten stand die Stuttgarter Landespolitik so
im bundesweiten Scheinwerferlicht wie beim Kampf zwischen Oettinger
und Kultusministerin Annette Schavan um die Nachfolge des seit 1991
regierenden Erwin Teufel. Die Akteure dieses Schauspiels boten auch
ein Bühnenstück, das sich gewaschen hatte. Zuerst machten
die Frondeure des Dauerkronprinzen Oettinger, der endlich ans Ruder
wollte, den populären Ministerpräsidenten monatelang in
einem Grabenkrieg mürbe. Die Ohrfeige, die auf dem
Höhepunkt dieser Schlammschlacht Staatsminister und
Teufel-Freund Christoph Palmer dem CDU-Bundestagsabgeordneten
Joachim Pfeiffer verpasste, wird in die bundesrepublikanische
Geschichte eingehen. Und die Rededuelle der Kontrahenten Oettinger
und Schavan auf sechs Regionalkonferenzen legten erneut tiefe
Gräben in der Partei offen, zumal sich die Ministerin
unschönen Angriffen wegen ihres Privatlebens ausgesetzt
sah.
Immerhin mobilisierte der Clinch um die Macht
die ansonsten eher träge Südwest-Union auf unvermutete
Weise. Beachtliche 56.000 der knapp 80.000 Christdemokraten
beteiligten sich an der Abstimmung, das sind rund 70 Prozent - eine
Quote, die kaum noch bei Parlamentswahlen erreicht wird. Oettinger
kann sich also auf ein breites basisdemokratisches Votum
stützen. Ein Parteitag am 11. Dezember, der den
51-Jährigen als Ministerpräsidenten und als
Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2006 formell bestimmt,
wird lediglich als Bühne zu Ehren des neuen Stars dienen.
Dessen Wahl im Landtag im April dürfte ebenfalls glatt
über die Bühne gehen: Hätte Schavan gewonnen,
wäre das große Zittern ausgebochen - weil in der
CDU-Fraktion, einer Bastion Oettingers, Heckenschützen
befürchtet worden wären.
Vorerst wird es in der Union darum gehen, die
aufgewühlte Partei wieder zu befrieden. Oettinger sagte denn
auch nach seinem Erfolg, er wolle die Gräben überwinden.
Schavan rief ebenfalls dazu auf, wieder zu einer "Atmosphäre
des Miteinanders zu finden". Einfach dürfte dies nicht werden.
Selbst bei der Verkündung des Resultats der
Mitgliederbefragung dokumentierte Teufel erneut, wie gespannt das
Klima ist und dass er Oettinger nicht als Nachfolger haben wollte:
Den Sieger beglückwünschte er knapp, der Ministerin
sprach er hingegen "großen Dank für ihren Einsatz
für das Land und die CDU" aus.
Schavan hat zwar verloren, aber mit knapp 40
Prozent ein achtbares Ergebnis erzielt, das ihren weiteren
Werdegang nicht beschädigt. So wird der 49-Jährigen ein
Wechsel nach Berlin im Zuge des Bundestagswahlkampfs 2006 nicht
verbaut, worüber immer wieder gemunkelt wird. Zwar betont die
Politikerin, auch unter Oettinger als Ministerin arbeiten zu
wollen. Nach dem jetzigen Clinch ist es indes kaum vorstellbar,
dass sie auf Dauer einfach wieder ins Glied
zurücktritt.
Da Erwin Teufel noch bis April in der Villa
Reitzenstein logiert, sind Spekulationen über Oettingers
künftige Ministerriege verfrüht. Die Kritik der
Opposition an dem seltsamen Interregnum der nächsten Monate
ist keineswegs aus der Luft gegriffen: Wenn der eine noch im Amt
ist, die Macht aber faktisch schon auf den anderen
übergegangen ist, dann sind Reibungsverluste unvermeidbar. Die
SPD-Vorsitzende Ute Vogt nutzt diese verquere Situation für
Attacken auf das "Machtvakuum": Baden-Württemberg habe jetzt
einen Regierungschef, "von dem jeder weiß, dass er nichts zu
sagen hat". Oettinger solle doch gleich darangehen, seine
Versprechungen etwa über einen Ausbau von Ganztagsschulen
umzusetzen, stichelt Vogt.
Der Stil in Stuttgart dürfte sich
zukünftig schon etwas ändern. Beherrschte bislang der
katholisch-konservative "Landespater" Teufel aus der Provinz die
Szene, pflegt der großstädtisch geprägte
Schnellredner Oettinger einen anderen Habitus: Der Protestant
besucht gern Rockkonzerte und bleibt bei Feten schon mal bis zum
Schluss. Politisch wird sich aber wohl kaum etwas Neues tun:
Oettinger, der keinerlei bundespolitische Ambitionen erkennen
lässt, will die Linie Teufels fortsetzen. So plädiert der
künftige Regent wie der Altvordere für die
Atomkraftnutzung oder verficht einen strikten Law-and-order-Kurs,
weswegen etwa die Polizei von Einsparungen im verschuldeten Etat
ausgenommen werden soll. Zudem betont Oettinger: "Die Wirtschaft
muss im Vordergrund der Landespolitik stehen" - im Schwabenland ist
ein solches Bekenntnis einfach unabdingbar.
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