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Andreas Elter
Bildungspolitik ist Standortpolitik
Schülerleistungen in
Bundesländern
Reicht ein internationaler Vergleich wie die PISA-Studie
überhaupt aus, um die Situation in Deutschland differenziert
zu bewerten? Unser Schul- und Universitätssystem ist im
Gegensatz zu anderen Ländern nicht zentralistisch organisiert.
Bildung ist Sache der Länder und nicht des Bundes. Deswegen
haben jetzt zwei Wissenschaftler des Instituts der deutschen
Wirtschaft im Auftrag der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft"
(INSM) erstmals einen Ländervergleich angestellt. Dabei wurde
eines ganz klar: Das bildungspolitische Nord-Süd Gefälle
vergrößert sich zusehends: "Daher wollen wir jetzt eine
Diskussion anstoßen."
"Die Länder sollen sich stärker untereinander
vergleichen; mehr positiver Wettbewerb täte allen gut", so die
beiden Autoren Oliver Stettes und Axel Plünnecke. Denn
Bildungspolitik ist auch immer Standortpolitik. In ihrem
Bildungsmonitor haben sie eine Rangfolge vergeben, für die
einzelnen Länder insgesamt und noch einmal einzeln unterteilt
für die verschiedenen Schulformen. Sachsen-Anhalt, Berlin und
Bremen erzielten die schlechtesten Ergebnisse. National und
international wurden sie abgehängt.
Die deutschen Spitzenreiter Bayern und Baden-Württemberg
hingegen halten auch international Kurs. Sie liegen zwar hinter den
Vorzeigenationen Finnland und Kanada, aber nur knapp. Warum? Die
süddeutschen Länder haben, ebenso wie die beiden
ostdeutschen Länder Thüringen und Sachsen, die ihnen auf
Platz drei und vier folgen, mehr Geld als andere in Schulen und
Universitäten gesteckt. Sie verstehen Bildung als
volkswirtschaftlichen Mehrwert. Doch das ist nicht ihr
ausschließliches Erfolgsgeheimnis. Denn die "Top Four" geben
nicht einfach nur mehr Geld für Bildung aus, sie investieren
auch an den richtigen Stellen. "In keinem anderen Bundesland
schaffen so viele Auszubildende neben ihrer Lehre auch noch das
Abitur wie in Baden-Württemberg. Die duale Ausbildung wird
dort besonders stark gefördert", berichtet Plünnecke.
Auch bei den Spitzenakademikern macht das "Musterländle"
seinem Ruf alle Ehre. Im Hochschulbereich liegt es auf Platz Eins.
Doktoranden und Habilitanden finden ein besonders gutes
Forschungsumfeld. Der Grund dafür, so der Bildungsmonitor, sei
die clevere Drittmittelpolitik. Die baden-württembergischen
Universitäten haben fast 15.000 Euro mehr pro Professor
eingeworben als der Bundesdurchschnitt.
In Bayern bleiben viele sitzen
Spitzenreiter Bayern landet hingegen bei den Hochschulen nur auf
Platz Fünf. Das scheint auf den ersten Blick verwunderlich,
bekommt der Freistaat doch bei den allgemein-bildenden Schulen die
Note Eins. Letztlich ist dies aber kein Widerspruch, es besteht
sogar ein Zusammenhang. Der Freistaat zahlt den Preis für
seine hohe Ausbildungsqualität in der Breite mit deutlichen
Abstrichen in der Spitze. Nirgendwo sonst müssen mehr
Schüler eine Ehrenrunde machen oder das Gymnasium verlassen.
Die Folge: Gerade einmal 30,9 Prozent eines Jahrgangs erreichen die
Allgemeine Hochschulreife. Das sind sieben Prozent weniger als im
Mittel. Doch das wäre gar nicht nötig. Potentieller
akademischer Nachwuchs liegt nämlich brach. Eine Verschwendung
von Ressourcen: "Viele Realschüler aus Bayern könnten in
anderen Bundesländern das Abitur machen", so die Autoren der
Studie. Das liegt aber nicht etwa daran, dass das Abitur in anderen
Ländern so viel einfacher wäre. Vielmehr werden in Bayern
Schüler aus so genannten "bildungsfernen" Schichten nicht
ausreichend unterstützt. Plünnecke und Stettes haben dies
näher untersucht: "Schon bei der Schulwegsempfehlung, also bei
der Auswahl der weiterführenden Schule nach der Grundschule,
orientieren sich die Lehrer am sozialen Status der Eltern." Ein
Kind aus einer Nicht-Akademiker-Familie hat also schon im Alter von
zehn Jahren in Bayern unter Umständen schlechtere Karten als
in anderen Bundesländern. Das mag auch erklären, warum
Kinder aus ausländischen Familien an bayrischen Hochschulen
seltener vertreten sind.
Ganz anders als in Hessen. Es steht zwar im Gesamtvergleich nur
auf Platz Sieben. Doch sind dort die Chancen für
ausländische Jugendliche, das Abitur zu machen, höher als
in jedem anderen Bundesland. Dieser Trend könnte sich in den
kommenden Jahren noch verstärken. Hessen beginnt schon in der
Grundschule mit einer Sprachoffensive. Ausländische Kinder mit
mangelnden Deutschkenntnissen werden nicht sofort eingeschult. In
speziellen Förderkursen bringen ihnen Lehrer zunächst die
Sprache bei, erst danach kommen sie auf die Grundschule. So
können sie dann dem Unterricht besser folgen und erzielen
bessere Noten, was ihnen wiederum einen Übergang zum Gymnasium
ermöglicht.
Erhebliche Qualitätsunterschiede gibt es nicht nur zwischen
den verschiedenen Ländern, sondern auch innerhalb der
Länder. So verdankt Schlusslicht Bremen die rote Laterne
seinen Vor- und Grundschulen, den allgemein bildenden Schulen und
den Berufsschulen. Hier landet der Stadtstaat auf dem letzten,
beziehungsweise vorletzten, Rang. Bei den Hochschulen hingegen
erreicht er Platz Zwei. Der Grund dafür liegt darin, dass
Bremen einer der stärksten Nettoimporteure von Studierenden
ist. Im Studienjahr 2002 haben 2.900 junge Menschen in Bremen ihr
Abitur gemacht. Ein Studium an der Weser begannen aber 5.200.
Dieser Hochschulstandort scheint für die Studierenden
besonders attraktiv zu sein.
Es macht also Sinn, genauer hinzusehen, will man die
unterschiedlichen Stärken und Schwächen der einzelnen
Länder erkennen. Unabhängig davon steht für den
Bildungsmonitor-Autoren Stettes aber fest: "Die Länder sollten
sich auf gemeinsame Mindestanforderungen verständigen und ihre
Bildungsstandards stärker angleichen." Möglichst nach
oben, versteht sich. Anders als in der Schule, wäre dabei das
Abgucken sogar erlaubt.
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