"Ich fordere eine Task Force"
Interview mit Conny Mayer (MdB)
Conny Mayer ist Berichterstatterin der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion für HIV/AIDS im Ausschuss für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Über die
Bekämpfung der Krankheit sprach mit ihr Claudia Heine.
Das Parlament
Seit Beginn der AIDS-Epidemie vor 20 Jahren
haben sich in Deutschland ungefähr 67.000 Menschen mit dem
Virus angesteckt; jährlich kommen ungefähr 2.000
Neuinfektionen hinzu. Wie erklären Sie sich diese niedrigen
Zahlen im Vergleich zu globalen Werten von 40 Millionen infizierten
Menschen?
Conny Mayer In Deutschland wurde,
insbesondere in den 80er-Jahren, als die Krankheit entdeckt wurde,
sehr viel für Prävention getan. Das Bewusstsein ist
deshalb bei uns glücklicherweise höher als in anderen
Ländern der Erde.
Das Parlament
Worauf lässt sich der in den letzten
Jahren beobachtete sorglosere Umgang Jugendlicher mit dem Thema
AIDS zurückführen?
Conny Mayer Es liegt sicher am
Rückgang der Prävention und am Rückgang der
gesellschaftlichen Diskussion über HIV/AIDS. In den
80er-Jahren wurde an den Schulen sehr intensiv diskutiert. Ein
Trend, der nachlässt und dazu führt, dass Jugendliche
nicht mehr so sensibilisiert sind, wie in den 80er-Jahren oder auch
noch zu Beginn der 90er-Jahre. Ein zweiter wichtiger Grund ist,
dass mittlerweile lebensverlängernde Medikamente existieren.
Das erweckt vielleicht bei manchen Menschen den Anschein, HIV/AIDS
sei eine Krankheit, die heilbar ist.
Das Parlament
Migranten aus Regionen mit einer sehr hohen
AIDS-Quote wie in Südostasien aber auch Osteuropa bilden die
zweitgrößte Gruppe der HIV-Infizierten in der
Bundesrepublik. Müssen die Beratungsangebote für diese
Zielgruppe nicht ausgebaut werden, und wie realistisch ist das
angesichts sinkender staatlicher Zuschüsse für solche
Angebote?
Conny Mayer Wichtig ist, die
Präventionsbemühungen, die
Aufklärungsbemühungen aber auch die Betreuungsangebote
bereits infizierter Menschen so aufrecht zu erhalten, wie das im
Moment der Fall ist. Das ist angesichts leerer Kassen bei Bund,
Ländern und Kommunen nicht ganz einfach. Aber ich werbe sehr
dafür, insbesondere in den Vorsorgemaßnahmen nicht
nachzulassen, gerade im Bereich der angesprochenen
Zielgruppe.
Das Parlament
Wo sehen Sie die Schwerpunkte einer auch
künftig erfolgreichen Präventionspolitik?
Conny Mayer Ein Schwerpunkt muss die
gezielte Information junger Menschen sein. Zweitens sollte mehr in
die Aufklärung der großen Gruppe von Migrantinnen und
Migranten investiert werden, die aus Ländern mit einer sehr
hohen HIV-Quote zu uns kommen. Drittens muss aber auch eine
gesellschaftliche Debatte über HIV/AIDS und die Folgen
stattfinden. HIV/AIDS darf nicht stigmatisiert werden.
Das Parlament
Vom Nationalen AIDS-Beirat wird gefordert,
die Prävention in Deutschland als Teil der Bekämpfung der
globalen Epidemie anzuerkennen und entsprechend auch außerhalb
der Landesgrenzen zu agieren. Welche Überlegungen und
Strategien gibt es hierzu derzeit von politischer Seite?
Conny Mayer HIV/AIDS muss einen noch
größeren Stellenwert in der Entwicklungszusammenarbeit
erhalten. Wichtig ist, wenn man das Thema politisch betrachtet, die
unterschiedlichen Bereiche besser zu bündeln. HIV/AIDS ist ein
Thema in der Forschung in Deutschland, in der Entwicklungspolitik,
im Gesundheitsbereich. All diese Anstrengungen müssen
stärker koordiniert werden. Das gilt ganz besonders für
die Ministerien in Berlin. Ein zweiter Punkt ist: Es gibt im
Bereich HIV/AIDS eine sehr engagierte Szene aus
Nicht-Regierungs-Organisationen, deren Empfehlungen wir politisch
noch stärker aufgreifen und einbinden müssen.
Das Parlament
Gibt es für eine solche Bündelung
derzeit konkrete Pläne?
Conny Mayer Es gibt leider noch keine
konkreten Pläne auf Seiten der Bundesregierung. Ich fordere,
dass wir eine Art "Task-Force" zur Bekämpfung von HIV/AIDS
einrichten, um die unterschiedlichen Ministerien stärker
miteinander koordinieren zu können. Nehmen sie das Beispiel
Osteuropa. Die Problematik, dass Menschen, die aus diesen
Ländern zu uns kommen und hier dazu beitragen, dass unsere
Prävalenz höher wird, ist ja da. Für Osteuropa und
HIV/AIDS ist aber de facto keines der beschriebenen Ministerien
zuständig. Das können wir uns nicht leisten - wir
müssen uns dieses Themas annehmen!
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