Alexander Weinlein
Bundestag bleibt Herr über die Armee
Beschlossen: Parlamentsbeteiligungsgesetz /
Erteilt: Mandat für Sudan-Einsatz
Zehn Jahre nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
über Einsätze deutscher Streitkräfte im Ausland hat
der Bundestag am vergangenen Freitag das so genannte
Parlamentsbeteiligungsgesetz (15/2742) mit den Stimmen der
Koalition gegen das Votum der Opposition verabschiedet. Das Gesetz
regelt, für welche Art von Einsätzen ein Bundestagsmandat
benötigt wird. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem
Urteil vom 12. Juli 1994 über den Einsatz von
Bundeswehrsoldaten in NATO-Aufklärungsflugzeugen während
der Balkan-Kriege den Bundestag aufgefordert, Form und Ausmaß
der parlamentarischen Mitwirkung an Auslandseinsätzen zu
bestimmen.
Nach dem Gesetz gilt wie bisher auch, dass die Bundesregierung
für neue Auslandseinsätze der Armee einen entsprechenden
Antrag zur Genehmigung vorlegen muss. Das Parlament kann diesen
Antrag allerdings nur ablehnen oder annehmen, aber nicht
verändern. Er muss Angaben über Auftrag, Einsatzgebiet,
Höchstzahl der eingesetzten Soldaten, die geplante Dauer sowie
die Kosten beinhalten.
Für Mandatsverlängerungen und Einsätze so
genannter "niedriger Intensität und Tragweite" gelten
vereinfachte Regeln: Hier gilt die Zustimmung als erteilt, wenn
nicht mindestens eine Fraktion oder fünf Prozent der
Abgeordneten innerhalb einer Woche dem vorgelegten Antrag
widersprechen. Als Einsätze "niedriger Intensität und
Tragweite" gelten beispielsweise die Entsendung von
Erkundungskommandos und einzelner Soldaten zu Friedensmissionen der
Vereinten Nationen, der NATO oder der EU.
Keine voherige Zustimmung benötigen Einsätze bei
Gefahr in Verzug, etwa bei der Befreiung von Geiseln. Darüber
sollen die zuständigen Vertreter der Fraktionen vertraulich
informiert werden, um die Mission nicht durch vorheriges
Bekanntwerden zu gefährden.
Grundsätzlich neu an dem verabschiedeten Gesetz ist das
Rückholrecht des Bundestages. "Wenn ein Einsatz sich im
Charakter verändert und das Parlament zu einer neuen
Auffasssung kommt, kann es sagen, der Einsatz wird beendet",
erläuterte der Grünen-Abgeordnete Volker Beck. Damit
könnten Soldaten aus kritischen Einsätzen wieder
abgezogen werden.
Gernot Erler, stellvertretender Frakionsvorsitzender der SPD,
charakterisierte das Gesetz als Stärkung der besonderen
Verantwortung, die der Bundestag bei Auslandseinsätzen der
Bundeswehr trage.
Kritik am Gesetzentwurf übten für die Union der
verteidigungspolitische Sprecher Hans-Christian Schmidt und sein
Fraktionskollege Eckhardt von Klaeden. Sie bemängelten, dass
keine näheren Angaben über Einsätze der Bundeswehr
im Rahmen von NATO-Verbänden, zum Beispiel in der Schnellen
Eingreiftruppe, gemacht werden. Die Verlässlichkeit
Deutschlands im Bündnis dürfe nicht gefährdet
werden. Die FDP-Fraktion kritisierte das Gesetz vor allem wegen
unzureichender Regelungen für geheime Einsätze. Über
solche Missionen solle ein besonderer Ausschuss entscheiden. Die
Liberalen hatten einen entsprechenden Gesetzentwurf (15/1985)
eingebracht, der von der Koalition jedoch abgelehnt wurde.
Die fraktionslose PDS-Politikerin Petra Pau erklärte, das
Parlamentsbeteiligungsgesetz verdiene seinen Namen nicht, da es
lediglich einer "beschleunigten Militarisierung der
Außenpolitik diene".
Vor der Entscheidung über das Gesetz hatte der Bundestag
bereits die Beteiligung an der Überwachungsmission der
Afrikanischen Union im Sudan (AMIS) gebilligt. In namentlicher
Abstimmung votierten 540 Abgeordnete für den entsprechenden
Antrag der Regierung (15/4227), zehn stimmten mit Nein. Geplant ist
die Entsendung von "Transall"-Maschinen der Luftwaffe, die
tansanische Friedenstruppen in die Krisenregion Dafur
transportieren sollen. Die Kosten der auf sechs Monate
beschränkten Mission, an der sich 200 deutsche Soldaten
beteiligen sollen, werden mit 6,75 Millionen Euro veranschlagt. Es
ist der 43. Auslandseinsatz der Bundeswehr seit dem
Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1994.
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