4.2.1.4 Ressourcenorientierte Definition
internationaler Wettbewerbsfähigkeit
Hier wird
Wettbewerbsfähigkeit als das Vermögen begriffen, die
einheimischen Ressourcen unter den Bedingungen weltoffener
Märkte effizient zu nutzen. So schlägt z.B. das
ifo-Institut in Anlehnung an die OECD vor, den Lebensstandard
– Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner – und die
Beschäftigungsrate – Anteil der Erwerbstätigen an
der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter – als
Indikatoren für die Fähigkeit zur Ressourcennutzung zu
verwenden (Gerstenberger 2001). Dieser Ansatz ist in vielerlei
Hinsicht plausibler als der außenhandels-, kosten- oder
kapitalorientierte Ansatz, hat aber nur noch mittelbar mit den
Konkurrenzbeziehungen zwischen den in- und ausländischen
Unternehmen bzw. den Produktionsfaktoren zu tun.
Das ifo-Institut kommt, gemessen an diesen
Indikatoren, zu dem Ergebnis, dass Deutschland wegen seines
geringen Arbeitsmarkterfolges im internationalen Vergleich
ungünstig abschneidet. Zu einem im Prinzip
übereinstimmenden Ergebnis kommt mit ähnlicher Methodik
die Standortberichterstattung, die das Wirtschafts- und
Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung
(WSI) seit 1998 regelmäßig veröffentlicht (Hein u.a.
2001, Heise u.a. 2000, Heise u.a.
1998). Der WSI-Standort-Indikator –
„Leistungsfähigkeit im internationalen Vergleich“
– besteht aus zwei Komponenten: Die Effizienz des Faktors
Arbeit wird durch die Erwerbstätigenproduktivität –
BIP je Erwerbstätigen, international vergleichbar gemacht
durch Kaufkraftparitäten – gemessen. Der Nutzungsgrad
des Faktors Arbeit wird durch die Beschäftigungsquote –
Erwerbstätige je zivile Erwerbspersonen – angegeben. Der
Gesamtindikator für die Leistungsfähigkeit wird dann
durch das arithmetische Mittel aus
Erwerbstätigenproduktivität und Beschäftigungsquote
gebildet.
Tabelle 4-1 zeigt diesen Indikator und seine Komponenten
für das Jahr 2000 und die fünf größten
OECD-Länder Deutschland, Frankreich, Großbritannien, USA
und Japan, jeweils ausgedrückt im Verhältnis zum
Durchschnitt aller 15 EU-Länder.
Abbildung 4-7 stellt dar, wie sich die
WSI-Leis tungsfähigkeitsindikatoren für die
fünf größten OECD-Länder und seine beiden
Komponenten in den 90er Jahren verändert haben.
In den USA und in Großbritannien haben sich
sowohl Effizienz als auch Nutzungsgrad des Faktors Arbeit von 1991
bis 2000 relativ zum EU-Durchschnitt positiv entwickelt. In
Japan und Frankreich – im letzteren Fall weniger
ausgeprägt – haben sich beide Indikatoren
verschlechtert. Deutschland hat eine gemischte Bilanz mit zwei
gegenläufigen Trends: die Produktivitätsentwicklung ist
positiv und auch günstiger als in allen anderen zum Vergleich
herangezogenen Industrieländern10, die deutsche
Beschäftigungsentwicklung war dagegen die ungünstigste
aller fünf Länder. Die Veränderung des
Gesamtindikators zeigt – auf Grund der gewählten
Gleichgewichtung beider Teil indikatoren – insgesamt
noch eine leichte Verbesserung der Leistungsfähigkeit
Deutschlands im internationalen Vergleich (s. 4-7).
Dabei bedarf die im internationalen Vergleich
relativ günstige Produktivitätsentwicklung in den USA
einer ergänzenden Interpretation: Zum einen handelt es sich um
die Produktivität je
Erwerbstätigen, nicht je Arbeitsstunde; hier spiegelt sich die
Tatsache, dass die Arbeitszeit in den USA im fraglichen Zeitraum im
Unterschied zu den anderen Ländern nicht gesunken, sondern
gestiegen ist. Zweitens verbergen sich hinter den US-Zahlen
möglicherweise starke Disparitäten, d.h. es handelt sich
um eine Durchschnittsbildung aus hochproduktivem modernem
und geringproduktivem Niedriglohnsektor (vgl. Scharpf 2002). Zu
prüfen wäre, ob sich in den Zahlen auch ein starker
Konjunktureffekt spiegelt. Dies würde bedeuten, dass im
amerikanischen Aufschwung seit 1995 die Produktivität
kapazitätsaus lastungsbedingt stärker gestiegen ist
als in den eher von rezessiven Tendenzen bestimmten
Vergleichsländern.
Das Ergebnis ist identisch mit der
Einschätzung anderer Sachverständiger: Im internationalen
Vergleich liegt die Schwachstelle der Leistungsfähigkeit der
deutschen Wirtschaft in den 90er Jahren in der ungünstigen
Arbeitsmarktentwicklung. Das zeigt sich unter anderem darin, dass
die Erwerbsquote11 der
Frauen in Deutschland vergleichsweise niedrig ist. Im Jahr 2000
betrug sie 63,2%, in Japan 59,6%, in den Niederlanden 64,5%, in
Großbritannien 68,9%, in den USA 70,8% und in Dänemark
75,8%; in den großen OECD-Ländern war die
Frauenerwerbsquote nur in Frankreich (61,7%) und Italien (46,3%)
niedriger als Deutschland (OECD 2001a: 336–395).
10 Der hier verwendete Produktivitätsvergleich auf
Basis von Kaufkraftparitäten führt nicht unbedingt zum
gleichen Ergebnis wie Produktivitätsvergleiche in jeweiliger
Landeswährung oder mit einer einheitlichen
Vergleichswährung.
11 Anteil der Erwerbspersonen an der jeweiligen
Bevölkerungsgruppe (Altersgruppe der OECD-Angaben: 16–64
Jahre).
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