4.3
Globalisierungsbedingter Struktur-wandel auf dem deutschen
Arbeitsmarkt
4.3.1
Zusammenhang von Strukturwandel und Globalisierung
Der Theorie nach ist zu vermuten, dass die
Globalisierung mit wachsender internationaler Arbeitsteilung und
steigender Mobilität des Kapitals – teilweise auch der
hochqualifizierten Arbeitskräfte – einen Strukturwandel
auf den Arbeitsmärkten beschleunigt. Es kann damit gerechnet
werden, dass Deutschland mittelfristig insgesamt wie auch die
meisten anderen entwickelten Industrieländer zu den
Globalisierungsgewinnern zählt und demnach die
Beschäftigungssituation durch die Globalisierung sogar eher
verbessert als gefährdet wird.
Insgesamt führt die Globalisierung zu
deutlich höherem Wettbewerbs- und damit Innovationsdruck. Die
Anforderungen an die Fähigkeit zu schneller und flexibler
Anpassung an die rasch wechselnden Gegebenheiten der
internationalen Märkte nehmen folglich zu. Dabei steigen die
Arbeitsmarktchancen gut qualifizierter hochproduktiver
Beschäftigter tendenziell; sie sind – allerdings nur an
zweiter Stelle hinter den Kapitaleigentümern – die
Globalisierungsgewinner. Weniger gut qualifizierte
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, vor allem solche ohne
Berufsqualifikation, geraten dagegen in eine zunehmend schwierige
Lage, da sie sich mit ihrer geringen Qualifikation in den
Wettbewerb mit Beschäftigten aus Niedriglohnländern
begeben. Ihre Arbeitsmarktsituation und wahrscheinlich auch ihre
Einkommensposition verschlechtern sich.
Allerdings zeigt die Empirie keinen
eindeutigen und markanten Globalisierungsschub in den 90er Jahren,
sondern eher eine seit Jahrzehnten kontinuierliche Entwicklung mit
allmählichen Veränderungen. Eine signifikante
Beschleunigung der Internationalisierungstendenz ist, außer
bei den Finanzanlagen, nicht feststellbar (DIW 2000: 12). Einen
Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt gibt es auch ohne
Globalisierung, also aus der rein binnenwirtschaftlichen Dynamik
heraus. Es ist praktisch kaum möglich, den Strukturwandel in
eine interne und eine globalisierungsbedingte Komponente zu
zerlegen. Die vorhandenen Studien sind daher auch wenig ergiebig.
Keine vermochte eindeutig globalisierungsbedingte
Strukturveränderungsprozesse zu beziffern (vgl. zu empirischen
Befunden DIW 2000: 24f.).
Das Institut für Weltwirtschaft an der
Universität Kiel hat im Auftrag des
Bundeswirtschaftsministeriums hierzu eine Studie erarbeitet: Zum
einen wurde untersucht, ob die Intensivierung des Handels mit neu
in den Welthandel eintretenden Ländern, die über billige
unqualifizierte Arbeitskräfte verfügen, zu einer
erhöhten Arbeitslosigkeit gering qualifizierter
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland geführt hat.
Zum anderen wurde gefragt, ob die deutschen Direktinvestitionen im
Ausland zu Arbeitsplatzverlusten in Deutschland geführt haben
(Kleinert u.a. 2000).
Was die
Auswirkungen des Außenhandels auf Beschäftigung und
Strukturwandel betrifft, so konstatieren die Autoren zwar, dass die
Intensivierung des Welthandels in Deutschland parallel mit
erheblichen Arbeitsmarktproblemen verlaufen ist. Sie halten es
jedoch für vorschnell, in der Globalisierung die direkte
Ursache für diese Arbeitsmarktprobleme zu sehen.
Gleichwohl sind
indirekte Auswirkungen der Globalisierung auf
Beschäftigungsstruktur und Arbeitslosigkeit zu vermuten. So
kann die Nachfrage nach gering qualifizierter Arbeit auf dem Weg
über die Veränderung der Produktpalette, der
Produktionsstruktur und die Anforderungsprofile an
Arbeitskräfte abnehmen. Auf diese Weise kommt es
möglicherweise infolge der Globalisierung zur Substitution
gering qualifizierter durch höher qualifizierte Arbeit (Dostal
2001: 9).
In der Tat ist
auf dem deutschen Arbeitsmarkt ein erheblicher Strukturwandel zu
beobachten, der sich im Anstieg der Qualifikationsforderungen, im
Wandel der Erwerbsformen, in zunehmender
Arbeitszeitflexibilisierung aber auch in struktureller
Arbeitslosigkeit äußert. Als Ursache dieser
Veränderungen sind vor allem die Verschärfung des
Wettbewerbs, die Gewichtsverlagerung von der Produktion zu den
Dienstleistungen, die Ausbreitung der Mikroelektronik, die
Beschleunigung des Innovationstempos und die zunehmende
Differenzierung der Bedürfnisse und Produkte zu nennen. Auch
Arbeitsorganisation und Arbeitsqualität ändern sich.
Neben tayloristische Produktionskonzepte treten zunehmend flexible
Strukturen mit dezentralen Entscheidungskompetenzen (SPD 2001b).
Auf diese Weise nähert sich die berufliche Realität einer
wachsenden Zahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer derjenigen
der Selbstständigen an. Diese Änderungen lassen auch das
Bewusstsein der Menschen und die Sozialbeziehungen nicht
unberührt.
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