*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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4.3          Globalisierungsbedingter Struktur-wandel auf dem deutschen Arbeitsmarkt

4.3.1       Zusammenhang von Strukturwandel und Globalisierung

Der Theorie nach ist zu vermuten, dass die Globalisierung mit wachsender internationaler Arbeitsteilung und steigender Mobilität des Kapitals – teilweise auch der hochqualifizierten Arbeitskräfte – einen Strukturwandel auf den Arbeitsmärkten beschleunigt. Es kann damit gerechnet werden, dass Deutschland mittelfristig insgesamt wie auch die meisten anderen entwickelten Industrieländer zu den Globalisierungsgewinnern zählt und demnach die Beschäftigungssituation durch die Globalisierung sogar eher verbessert als gefährdet wird.

Insgesamt führt die Globalisierung zu deutlich höherem Wettbewerbs- und damit Innovationsdruck. Die Anforderungen an die Fähigkeit zu schneller und flexibler Anpassung an die rasch wechselnden Gegebenheiten der internationalen Märkte nehmen folglich zu. Dabei steigen die Arbeitsmarktchancen gut qualifizierter hochproduktiver Beschäftigter tendenziell; sie sind – allerdings nur an zweiter Stelle hinter den Kapitaleigentümern – die Globalisierungsgewinner. Weniger gut qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, vor allem solche ohne Berufsqualifikation, geraten dagegen in eine zunehmend schwierige Lage, da sie sich mit ihrer geringen Qualifikation in den Wettbewerb mit Beschäftigten aus Niedriglohnländern begeben. Ihre Arbeitsmarktsituation und wahrscheinlich auch ihre Einkommensposition verschlechtern sich.

Allerdings zeigt die Empirie keinen eindeutigen und markanten Globalisierungsschub in den 90er Jahren, sondern eher eine seit Jahrzehnten kontinuierliche Entwicklung mit allmählichen Veränderungen. Eine signifikante Beschleunigung der Internationalisierungstendenz ist, außer bei den Finanzanlagen, nicht feststellbar (DIW 2000: 12). Einen Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt gibt es auch ohne Globalisierung, also aus der rein binnenwirtschaftlichen Dynamik heraus. Es ist praktisch kaum möglich, den Strukturwandel in eine interne und eine globalisierungsbedingte Komponente zu zerlegen. Die vorhandenen Studien sind daher auch wenig ergiebig. Keine vermochte eindeutig globalisierungsbedingte Strukturveränderungsprozesse zu beziffern (vgl. zu empirischen Befunden DIW 2000: 24f.).

Das Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel hat im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums hierzu eine Studie erarbeitet: Zum einen wurde untersucht, ob die Intensivierung des Handels mit neu in den Welthandel eintretenden Ländern, die über billige unqualifizierte Arbeitskräfte verfügen, zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit gering qualifizierter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland geführt hat. Zum anderen wurde gefragt, ob die deutschen Direktinvestitionen im Ausland zu Arbeitsplatzverlusten in Deutschland geführt haben (Kleinert u.a. 2000).

Was die Auswirkungen des Außenhandels auf Beschäftigung und Strukturwandel betrifft, so konstatieren die Autoren zwar, dass die Intensivierung des Welthandels in Deutschland parallel mit erheblichen Arbeitsmarktproblemen verlaufen ist. Sie halten es jedoch für vorschnell, in der Globalisierung die direkte Ursache für diese Arbeitsmarktprobleme zu sehen.

Gleichwohl sind indirekte Auswirkungen der Globalisierung auf Beschäftigungsstruktur und Arbeitslosigkeit zu vermuten. So kann die Nachfrage nach gering qualifizierter Arbeit auf dem Weg über die Veränderung der Produktpalette, der Produktionsstruktur und die Anforderungsprofile an Arbeitskräfte abnehmen. Auf diese Weise kommt es möglicherweise infolge der Globalisierung zur Substitution gering qualifizierter durch höher qualifizierte Arbeit (Dostal 2001: 9).

In der Tat ist auf dem deutschen Arbeitsmarkt ein erheblicher Strukturwandel zu beobachten, der sich im Anstieg der Qualifikationsforderungen, im Wandel der Erwerbsformen, in zunehmender Arbeitszeitflexibilisierung aber auch in struktureller Arbeitslosigkeit äußert. Als Ursache dieser Veränderungen sind vor allem die Verschärfung des Wettbewerbs, die Gewichtsverlagerung von der Produktion zu den Dienstleistungen, die Ausbreitung der Mikroelektronik, die Beschleunigung des Innovationstempos und die zunehmende Differenzierung der Bedürfnisse und Produkte zu nennen. Auch Arbeitsorganisation und Arbeitsqualität ändern sich. Neben tayloristische Produktionskonzepte treten zunehmend flexible Strukturen mit dezentralen Entscheidungskompetenzen (SPD 2001b). Auf diese Weise nähert sich die berufliche Realität einer wachsenden Zahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer derjenigen der Selbstständigen an. Diese Änderungen lassen auch das Bewusstsein der Menschen und die Sozialbeziehungen nicht unberührt.




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