4.9.2 Strategien zur Reduzierung der digitalen
Spaltung unter besonderer Berücksichtigung von Qualifikation
und „Brain Drain“
4.9.2.1 Die digitale Revolution
Die digitale Revolution führt zu
globalen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei
spielt das Internet eine zentrale Rolle, indem es räumliche
und zeitliche Kommunikationsbarrieren überwindet. Mit der
digitalen Revolution sind vielfältige Auswirkungen auf die
Arbeitswelt verbunden, die sich u.a. in einem steigenden Anteil von
Tätigkeiten im IuK-Sektor, einer erhöhten
Dienstleis tungsnachfrage und einem beschleunigten
Tätigkeitswandel manifestieren. Mit dem Wandel von
Tätigkeitsinhalten und Arbeitsanforderungen geht auch ein
Wandel der Arbeitsorganisation einher. Flache Hierarchien und
dezentrale Entscheidungsstrukturen bis hin zu auf Telekooperation
basierenden und standortungebundenen Netzwerken sind für die
veränderte Arbeitsorganisation kennzeichnend (BMA 2001: 13,
Sommer 2001).
Die neuen IuK-Techniken sind für
Entwicklungsländer zur Überwindung herkömmlicher
Entwicklungsbarrieren und die Verringerung von Armut von hoher
Relevanz. Zum einen ist der Einsatz von IuK-Techniken für
Entwicklungsländer unabdingbar, um die Gefahr einer weiteren
Abkopplung von der Weltwirtschaft zu verhindern. Gleichzeitig
eröffnen sich neue Entwicklungspotenziale. Die Erstellung von
IuK-Produkten und -Dienstleistungen ist unter wirtschaftlichen
Aspekten und mit dem Ziel, nachhaltige Beschäftigung zu
schaffen, besonders wichtig.
Das Volumen des weltweiten Markts für
Software Produkte wird für das Jahr 2000 auf über 500
Milliarden US-Dollar geschätzt, hinzu kommen umfangreiche
weitere IuK-bezogene Dienstleistungen (Arora 2001: 1269, nach
Angaben der International Data Corporation). Vor allem bei
Dienstleistungen wie Datenerfassung und -pflege, Kundenbetreuung in
Call Centern etc. sind die Zutrittsbarrieren auch für neue
Anbieter verhältnismäßig niedrig. Länder wie
Indien, China, Südafrika und Jordanien haben mit der
arbeitsteiligen Übernahme von Programmiertätigkeiten
bereits Marktanteile im IuK-Sektor erobert, Wachstum generiert und
Arbeitsplätze geschaffen. Nach Angaben der National
Association of Software and Service Companies (NASSCOM) wurden Ende
2000 ca. 410 000 Arbeitskräfte in der indischen
Softwareindustrie beschäftigt. Der Export von
Software-Produkten und IuK-bezogenen Dienstleistungen lag in Indien
2000/2001 bei 6,2 Milliarden US-Dollar (NASSCOM 2001). Trotzdem ist
die Bedeutung des IuK-Sektors für den gesamten Arbeitsmarkt in
diesem bevölkerungsreichen Land relativ gering. Der Anteil der
Arbeitskräfte in der Softwareindus trie an den gesamten
Beschäftigungsverhältnissen beträgt 0,1
Prozent.51
Die Erstellung eigener Software in Schwellen-
und Entwicklungsländer kann dazu führen, dass Nischen des
Weltmarktes bedient und hochwertige Arbeitsplätze geschaffen
werden. In Costa Rica konnten beispielsweise durch den Aufbau der
Softwareindustrie und dem Export von Software in Höhe von 50
Millionen US-Dollar (1999) über direkte
Beschäftigungseffekte ca. 2000 neue Arbeitsplätze
geschaffen werden. Über sekundäre
Beschäftigungseffekte in Form von technischem Support,
Dienstleistungen etc. liegen noch keine Zahlen vor. Auch Uruguay,
Brasilien, Singapur und Malaysia gelang es, Marktnischen im
IuK-Sektor zu bedienen (Stamm 2001a, 2001b: 2, OECD 2001e: 47).
Tabelle 4-9 ist dem World Employment Report 2001 der ILO
entnommen und verdeutlicht die Beschäftigungsanteile des
IuK-Sektors in ausgewählten Ländern.
Zentrale Voraussetzung für eine breite
Nutzung von IuK- Techniken in Entwicklungsländern ist jedoch
zunächst die Deckung überlebenswichtiger
Grundbedürfnisse und die Stärkung des nationalen
Bildungs- und Ausbildungssys tems sowie der Infrastruktur
für IuK-Techniken. Der Zugang zu international
verfügbarem Wissen und die ra sche Verbreitung von Informationen
an zentrale Gesundheitseinrichtungen können positive
Auswirkungen auf die medizinische Versorgung eines Landes haben
(Stamm 2001b, 2001c, Weltbank 1999: 30, OECD 2001e: 47).
Die Zugangs-, Nutzungs-, und
Anwendungsmöglichkeiten von IuK-Techniken fallen weltweit sehr
ungleich aus. Es wird deshalb auch von einer „digitalen
Kluft“ gesprochen. Eine genaue Analyse der digitalen
Spaltung, die zwischen Ländern aber auch zwischen
Personengruppen eines Landes erkennbar ist, erfolgt in Kapitel 5.2.
Neben den derzeit noch bestehenden
technischen und institutionellen Problemen wird das Hauptproblem
für Entwicklungsländer der Mangel an qualifizierten
Arbeitskräften im IuK-Bereich sein, der durch die dauerhafte
Emigration von Akademikern und Fachkräften noch
verschärft wird. Dieses sogenannte „Brain Drain“
führt oftmals zu einem enormen Humankapitalverlust in
Entwicklungsländern (Stamm 2001: 7, BMZ 2001a: 29-32).
Politisch kann die globale Vernetzung
über die Stärkung zivilgesellschaftlicher Organisationen
zur Demokratisierung und politischen Partizipation beitragen. Die
globale Wissens- und Informationsübertragung sowie die
weltweite Netzwerkbildung sind dabei von zentraler Bedeutung (Stamm
2001a, Stamm 2001b: 1, ILO 2001b: 58).
51 Die Gesamtzahl der Beschäftigten betrug in
Indien im Jahre 1996 411 020 000 Personen (World Labour Report
1997: 263).
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