5.3.1.6 Gesundheit
Das TRIPS-Abkommen verpflichtet die
WTO-Mitgliedsländer, für alle Medikamente, die nach 1995
patentiert wurden, innerhalb von 20 Jahren einen Patentschutz
einzuführen. Darüber hinaus spielt hier die Patentierung
von Genen eine besondere Rolle. In der europäischen Richtlinie
gilt der Patentschutz automatisch für alle Funktionen, die zum
Zeitpunkt der Patenterteilung noch nicht bekannt waren, obwohl man
wissenschaftlich davon ausgeht, dass die Mehrzahl der Gene
unterschiedlichste Funktionen hat. Damit können Konzerne, die
ein Genpatent halten, alle zukünftig möglichen
Anwendungen kontrollieren. Die Entwicklung neuer Medikamente auf
der Grundlage patentierter Gene wird so weitgehend ausgeschaltet.
Auch die Patentierung therapeutischer Verfahren ist
äußerst umstritten. In den USA wurden bereits Patente auf
gentherapeutische Verfahren vergeben, und auch beim EPA sind
zahlreiche Anträge auf therapeutische Verfahren gestellt
worden. Zwar sind sie bisher in der europäischen Richtlinie nicht
zulässig, doch dies wird in der Praxis weitgehend
unterlaufen.
Folgende aktuelle Fälle aus dem Jahr
2000 verdeutlichen dies:
– So erhielt die
Firma Millenium Pharmaceuticals (USA) ein Patent auf ein Gen, mit
dem Diagnose und Verhütung der Ausbreitung von Tumoren
kontrolliert werden soll. Nach Ansicht der Firma kann dieses Gen
Ärzten und Patienten entscheidende Informationen geben in der
Beurteilung des Verlaufes von Krebserkrankungen der Brust, der
Haut, von Magen und Darm, der Fortpflanzungsorgane, der Lunge, des
Pankreas, der Lymphgefäße und anderer Organe.
– Die John Hopkins
University (USA) erhielt ein Patent auf ein Gen, das u.a. für
die Diagnose von Dickdarmkrebs wichtig sein soll. Die General
Hospital Corporation ließ ein Gen patentieren, das bei
bestimmten Tumoren des Nervensystems die Ausbreitung der Krankheit
steuern soll. (Knirsch 2001: 87)
In all diesen Fällen wurden nicht nur
bestimmte Anwendungen, sondern die Gene mit all ihren Funktionen
patentiert. Greenpeace stellte dazu fest: „Bei diesen
erteilten Patenten stellt sich nicht nur die grundsätzliche
Frage, wo die Grenze zwischen Entdeckung und Erfindung zu ziehen,
oder was unter der Funktion eines Gens zu verstehen ist. Auch die
konkreten Auswirkungen für Ärzte, Patienten und
Krankenkassen müssen beurteilt werden. Die Folgen derartiger
Patente können weit in die ärztliche Praxis hinein
reichen. Zwar ist die Heilung vieler Erkrankungen in weiter Ferne,
doch bei der Beurteilung des Krankheitsverlaufes, der
Heilungsaussichten und der Wahl der bes ten Therapie erlangen
bestimmte Gene als Hilfsmittel zur Diagnose zunehmende Bedeutung.
Obwohl das Europäische Patentübereinkommen Patente auf
therapeutische und diagnostische Verfahren am menschlichen
Körper verbietet, sind die Patente so abgefasst, dass sich die
Firmen die Zustimmung für entsprechende Verfahren in jedem
einzelnen Fall vorbehalten könnten. So wurde im Patent der
General Hospital Corporation sogar die Entnahme von Proben von
Patienten und deren individuelle Untersuchung auf das fragliche Gen
patentiert.“ (Knirsch 2001: 88)
So bilden Patente für Gene auch die
Grundlage für Ansprüche, die aus der Ausweitung auf
therapeutische Verfahren resultieren. Auch im Zusammenhang mit dem
Brustkrebs-Gen BRCA befürchten Ärzte in England bspw. die
Verdoppelung der Kosten, wenn sich die Firma Myriad mit ihrer
Forderung auf Patentierung auf zwei wichtige Gene durchsetzt. Die
Bundesärztekammer und der Dachverband der gesetzlichen
Krankenkassen haben anlässlich des englischen Streits gegen
die Patentierung von Brustkrebsgenen ausgesprochen. Die
Senatskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft forderte
bereits 1997, dass die Wahlfreiheit der Ärzte bei Therapie und
Diagnoseverfahren nicht angetastet werden dürfen und
Heilverfahren von der Patentierung ausgeschlossen werden
müssten.
Die besondere Betroffenheit der
Entwicklungsländer wurde am Prozess der 37 Pharmakonzerne
gegen Südafrika wegen Patentschutzverletzung bei der
Herstellung von Aids-Medikamente deutlich.
Infolge dieser Entwicklung setzten die
Entwicklungs- und Schwellenländer auf der WTO Konferenz eine
Ausweitung der Möglichkeit von Zwangslizenzen durch, deren
Bedingungen jetzt im TRIPS-Rat noch detailliert verhandelt werden.
Im Rahmen der EU-“Strategie“ zur Armutsreduzierung
werde ein Aktionsprogramm für eine beschleunigte Hilfe bei
HIV/AIDS, Malaria und TBC entwickelt. Im Kern ihrer
Lösungsbemühungen stehen darüber hinaus die
Einrichtung eines Finanzfonds sowie freiwillige Anstrengungen von
Pharmaunternehmen, neueste, wirksame und noch unter Patentschutz
stehende Mittel kostenlos oder zumindest zu deutlich reduzierten
Preisen abzugeben.
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