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Das Parlament
Nr. 29-30 / 12.07.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Hartmut Hausmann

Verhandlungen mit der Türkei in Sicht

Niederlande haben den EU-Vorsitz
Der niederländische Premier Jan Peter Balkenende hat am 1. Juli für die nächsten sechs Monate die Präsidentschaft in der EU übernommen und dabei ein schlechtes Los gezogen. Denn mit einer Amtsperiode, gespickt mit politischen Meilensteinen, werden der Niederländer - anders als ihre irischen Amtsvorgänger - am Ende nicht aufwarten können. Nach einer dilettantischen italienischen Präsidentschaft in der zweiten Hälfte 2002, in der Ministerpräsident Silvio Berlusconi die EU an den Rand einer ernsten Krise brachte, konnte der Ire Berti Ahern mit seiner geschickten Verhandlungsführung die Lorbeeren einheimsen.

Zehn neue Mitgliedstaaten wurden in die EU aufgenommen, die Europäische Verfassung ist allen Widerständen zu Trotz verabschiedet worden, und zwei Tage vor der Stabübergabe gelang es auch noch, mit dem Portugiesen Durao Barroso den neuen Kommissionspräsident zu nominieren. Die Niederländer wollen aber an den Erfolg anknüpfen und als erstes EU-Land noch im Herbst ein Referendum über die EU-Verfassung abhalten. Die Stimme des Volkes ist allerdings für die anschließende Ratifizierung durch das Parlament nicht bindend. Ein überzeugendes Ja der Niederländer könnte aber Vorbildfunktion für die Volksabstimmungen in anderen EU-Ländern haben.

Als nächstes entscheidendes Thema steht die Finanzausstattung der Union für den Zeitraum 2007 bis 2013 an. Auch wenn hier erst im kommenden Halbjahr unter Luxemburger Führung Entscheidung anstehen, will Balkenende bereits für Weichenstellungen sorgen. Ob er sich aber die Aufgabe erleichtert hat, indem er die von einigen Mitgliedstaaten ins Spiel gebrachte Erhebung einer eigenen, wenn auch aufkommensneutralen EU-Steuer in das Programm aufnahm, darf bezweifelt werden. In keinem anderen Bereich ist das nationale Beharrungsvermögen schließlich so stabil wie in Steuerfragen.

Auch mit der Verabschiedung wichtiger Gesetzesvorhaben werden die Holländer am Jahresende kaum glänzen können. Das soeben neu gewählte Europaparlament muss sich konstituieren und wird erst nach der Sommerpause wirklich arbeitsfähig sein. Zudem folgt im Oktober der Wechsel in der EU-Kommission mit einer weitgehend neuen Mannschaft und veränderter Aufgabenverteilung.

So spricht Balkenende bei der Vorstellung seines Arbeitsprogramms denn auch eher grundsätzliche Themen an, wobei die Reform der EU-Wirtschaft für ihn eindeutig im Mittelpunkt steht. In den USA sei die Gründung einer Firma elfmal leichter als in Europa, Japan verfüge pro Kopf um die Hälfte mehr Forscher, erklärte er vor Journalisten. Diese Schwächen werfen uns nicht nur gegenüber den USA und Japan zurück, sondern auch gegenüber aufsteigenden Wirtschaftsnationen wie China und anderen fernöstlichen Ländern. Die Probleme seien zwar längst bekannt, die Lösungen auch, aber wir bringen die notwenigen Reformen einfach nicht energisch genug voran, stellt Balkenende bedauernd fest und will auch hier einen Schwerpunkt seiner Arbeit setzen.

Eher umstrittener Natur sind die Impulse, die Balkenende von der Union auch bei Fragen der Sicherheit verlangt. Die Anschläge in Madrid hätten gezeigt, dass Recht und Sicherheit nicht durch ein Land allein garantiert werden könnten, unterstreicht er. "In der EU darf es keine Schlupflöcher für Terroristen geben." Zugleich sehen die Niederländer unter dem Thema "Sicherheit" aber auch die Herausforderung durch den Zustrom von Asylanten und Flüchtlingen, den es zu regeln gelte. Er verweist auf die eigene Politik, die er zur Grundlage eines neuen EU-Programms für die Asyl- und Einwanderungspolitik machen möchte. Diese Ausländerpolitik war aber wegen ihrer rigorosen Abwehrhaltung in anderen EU-Staaten keineswegs auf Zustimmung gestoßen, sondern als Abkehr von der früher gerühmten niederländischen Liberalität aufgefallen.

Zum Jahresende aber steht dann mit der Entscheidung über die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei doch noch das "große Thema" an, auch wenn die Würfel schon längst gefallen sind, wie der niederländische Europaminister Atzo Nicolai meint. Mit der Anerkennung des Status eines Beitrittskandidaten habe die EU die Grundsatzentscheidung über eine Aufnahme schon vor Jahren getroffen. Im Dezember sollen die Regierungschefs der 25 Mitgliedstaaten über einen Termin zur Aufnahme konkreter Beitrittsverhandlungen mit Ankara beschließen.

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