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Das Parlament
Nr. 29-30 / 12.07.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Hartmut Hausmann

Eklat bei Rede des EZB-Präsidenten

Die EU soll den neuen Mitgliedern den Weg zum Euro erleichtern

Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat die bisherigen zwölf Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion (EWU) am 21. Juni in Straßburg aufgerufen, die zehn neuen Mitgliedsländer der EU auf ihrem Weg zum Euro tatkräftig zu unterstützen. Vor dem Hintergrund der enormen Bemühungen der Beitrittsstaaten, den Schritt in die Eurozone bei der nächstmöglichen Gelegenheit zu vollziehen, sollten von den EWU-Ländern alle Anstrengungen unternommen werden, diesen Prozess im Interesse der europäischen Solidarität und stetiger wirtschaftlicher Integration sowie wirtschaftlichen Wachstums zu erleichtern, heißt es in einer von den Parlamentariern der 45 Europaratsstaaten verabschiedeten Entschließung.

Das Verfahren zum Beitritt zur EWU verspreche trotz der guten Vorbereitungen alles andere als leicht zu werden, da es eine starke Belastung für die Währungsstabilität und die öffentlichen Finanzen darstelle. Deshalb sollten die Bedingungen für den Beitritt ausreichend flexibel gestaltet werden. Das gelte vor allem für die erlaubte Fluktuationsspanne im Wechselkursmechanismus II des Europäischen Währungssystems. Der Mechanismus sieht vor, dass die Währung eines Landes, das den Euro übernehmen möchte, mindestens zwei Jahre lang eine Schwankungsbandbreite von 15 Prozent zum Eurokurs nicht überschreiten darf. Außerdem sind die übrigen Maastricht-Kriterien bei der Inflation, des Haushaltsdefizits und der Staatsverschuldung einzuhalten. Aber auch all zu große und häufige Schwankungen innerhalb der Bandbreite können die Aufnahme in die Eurozone verzögern. So hält Dänemark, dessen Bevölkerung eine Übernahme des Euro vorerst ablehnte, freiwillig eine schmale Bandbreite von +/- 2,25 Prozent ein.

Mit Besorgnis verweist die Versammlung auf die Probleme, die Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, die Niederlande und Portugal mit der Einhaltung der Maastricht-Kriterien haben. Diese Verletzungen des Stabilitätspakts drohten das Vertrauen in die gemeinsame Währung zu erschüttern und könnten zugleich zu Komplikationen beim Beitritt weiterer Länder führen.

Die Abgeordneten bedauern, dass die Verletzungen des Pakt daraus resultieren, dass er nur die unmittelbar zurückliegenden aktuellen Daten als Messgröße erfasse, nicht aber die Ergebnisse eines vollen Wirtschaftszyklus berücksichtige. In dieser Hinsicht sollte dringend über eine Verbesserung seiner Funktionsweise nachgedacht werden. Solange der Pakt aber in der gegenwärtigen Form existiere, müsse er eingehalten werden.

Als besondere Herausforderung wird die deutliche Stärke des Euro gegenüber dem Dollar bezeichnet, welche die beginnende Erholung der wichtigsten europäischen Wirtschaften bedrohe. Da auch andere Länder oft ähnliche Probleme hätten, wäre es daher vernünftig, wenn diese, wobei ausdrücklich Japan und China genannt werden, die Last einer Aufwertung gegenüber dem Dollar zusammen mit dem Euro teilten.

In der Vorlage zu der Entschließung, machte der konservative britische Berichterstatter Robert Walter aber auch deutlich, dass selbst auferlegte finanzpolitische Disziplin der beste Weg zum Erfolg sei. So hatte Litauen seine Währung 1994 zunächst fest an den Dollar und ab 2002 zusammen mit Estland an den Euro gebunden. Mit der niedrigsten Inflationsrate aller alten und neuen EU-Staaten von O,4 Prozent sowie einer Neuverschuldung von 1,4 und einer Gesamtverschuldung von 23 Prozent erfüllte das Land 2002 als einziges der Kandidatenländer alle Kriterien zur Teilnahme an der Währungsunion. Sechs Tage nach dieser Entschließung traten die drei Länder Estland, Litauen und Slowenien offiziell dem EWS II bei und verpflichteten sich, ihre Wechselkurse in den engen Bandbreiten zum Euro zu halten. Litauen und Estland hielten ihre feste Bindung an den Euro bei und streben eine Übernahme der Gemeinschaftswährung für Mitte 2006 an und wollen 2005 mit der Prägung der eigenen Münzen beginnen.

Französische Abgeordnete zogen aus

Zu Beginn der Debatte hatte Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank, die Erweiterung als große wirtschaftliche Chance für die EU bezeichnet. Die zehn neuen Mitgliedstaaten verfügten über ein enormes Wachstumspotential, von dem die ganze Union profitieren könne. Im Gegensatz zur Versammlung warnte er aber vor einer zu schnellen Übernahme des Euros durch die neuen Länder. Dieser Schritt müsse äußerst sorgfältig vorbereitet werden, da sonst die Wirtschaftskraft und die Stabilität in diesen Ländern gefährdet würde. Schließlich könne ein Land nur einmal beitreten, ein Zurück gebe es nicht.

Trichets Rede, die er je zur Hälfte in den beiden Arbeitssprachen des Europarats, in Englisch und Französisch hielt, führte zu einem Eklat. Als er mit dem englischen Teil, der Arbeitssprache der Zentralbank begann, verließen französische Abgeordnete wegen der Missachtung ihrer Sprache durch ihren Landsmann den Saal - ein bisher einmaliges Verhalten, wofür sich Versammlungspräsident Peter Schieder bei dem Gast entschuldigte. H. H.

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