Das Parlament mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen
-
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen
-
Homepage des Bundestages | Startseite | Volltextsuche | Ausgabenarchiv | Abonnement | Impressum | Links
-

Volltextsuche
Das Parlament
Nr. 29-30 / 12.07.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

Zur Druckversion
Hartmut Hausmann

Der Europarat empfiehlt, Gewalt gegen Kinder generell zu verbieten

Züchtigung verstößt gegen die Menschenrechte

Eine körperliche Züchtigung von Kindern als Erziehungsmaßnahme darf in Zukunft in Europa keinen Platz mehr haben. Von diesem Leitsatz ausgehend hat die Parlamentarische Versammlung des Europarats die Regierungen der 45 Mitgliedstaaten am 24 Juni in Straßburg aufgefordert, die körperliche Bestrafung von Kindern vollkommen zu verbieten.

Zwar ist inzwischen in allen Europaratsstaaten die körperliche Züchtigung in Schulen abgeschafft worden, aber nur eine geringe Zahl von Ländern hat diese antiquierte "Erziehungsmaßnahme" auch innerhalb der Familie und an anderen Orten generell unter Strafe gestellt, wie es internationale Verträge fordern. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in mehreren Urteilen festgestellt, dass die körperliche Züchtigung eine Verletzung der Menschenrechte darstellt. In ihrer Empfehlung fordern die Abgeordneten, dass Europa zu einem Raum ohne körperliche Bestrafung für Kinder wird.

Helena Bargholtz, die liberale schwedische Berichterstatterin, erklärte, wenn eine solche Bestrafung gegen Erwachsene gerichtet wäre, würde das zu Recht als Körperverletzung strafrechtlich verfolgt werden. Doch wenn es um Kinder gehe, würden deren fundamentalen Grundrechte europaweit noch immer systematisch missachtet. Schweden sei habe auf diesem Gebiet eine Vorbildfunktion übernommen. Helena Bargholtz zeigte sich überzeugt, dass weitere Länder bald ebenfalls ihre Gesetze ändern.

Auch der Europarat hat diese Frage bisher vernachlässigt, wie die Parlamentarische Versammlung jetzt feststellte. Die Staatengemeinschaft hätte sich schon längst dafür einsetze müssen, damit alle Formen der körperlichen Züchtigung verboten werden, um die Verpflichtungen aus der Europäischen Sozialcharta zu erfüllen. Die Europäische Kommission für Menschenrechte und der Straßburger Menschenrechtsgerichtshof haben wiederholt in ihrer Rechtsprechung der Argumentation widersprochen, dass das Verbot jeglicher körperlicher Züchtigung nicht gegen das Recht auf Privat- oder Familienleben verstößt. Gewalt gegen Kinder könne auch nicht durch das Recht auf religiöse Freiheit begründet werden.

Der Bericht verweist auf Untersuchungen an kroatischen Universitäten, wonach 93 Prozent der Studenten in ihrer Kindheit körperlich bestraft wurden. Das Land hat diese Strafe mittlerweile offiziell verboten. In Griechenland wird eines von drei Kindern wenigsten einmal pro Woche verprügelt, in Rumänien werden 75 Prozent der Kinder zwischen elf und 13 Jahren körperlich bestraft, in Großbritannien sogar 91 Prozent, wie eine Studie aus den 90er-Jahren ergab.

Unrechtsbewusstsein fehlt den Eltern in Europa offensichtlich. In der Slowakei waren drei Viertel der Befragten der Meinung, dass dann und wann ein Klaps erlaubt sein müsse. Rund 42 Prozent hielten gelegentliches Schlagen für vertretbar, 23 Prozent sogar wiederholtes Prügeln. H. H.

Zur Inhaltsübersicht Zurück zur Übersicht