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Karl-Otto Sattler
Verjüngungskur mit Schrammen
Kabinettsumbildung in
Baden-Württemberg
Angriff ist die beste Verteidigung. Auf dieses
bewährte Motto besann sich Erwin Teufel, um bei der vom
Rücktritt des affärengeschüttelten
FDP-Wirtschaftsministers Walter Döring erzwungenen
Kabinettsumbildung aus der Defensive herauszukommen. Teufel: "Noch
nie wurden so junge Männer und Frauen zu Ministern berufen".
Mit einer spürbaren Verjüngung der Ministerriege trat der
Stuttgarter Regierungschef die Flucht nach vorn an, um nicht
zuletzt Kritikern in den CDU-Reihen Wind aus den Segeln zu
nehmen.
Vor allem der Joker, den der Dauerregent mit
der Berufung der landespolitisch weithin unbekannten
CDU-Bundestagsabgeordneten Tanja Gönner (34) an die Spitze des
Sozialressorts aus dem Ärmel zog, überraschte Freund und
Feind. Allerdings provozierte die Versorgung der ausscheidenden
Minister Friedhelm Repnik (Soziales) und Thomas Schäuble
(Innen) mit Führungsjobs bei staatlichen Unternehmen nicht nur
Protest bei SPD und Grünen, sondern auch Kritik bei der FDP
und selbst in der Union. Und erneut umschiffte der 64-jährige
Teufel, seit 1991 Herr in der Villa Reitzenstein, eine Antwort auf
die Frage aller Fragen: ob er selbst bei der Landtagswahl 2006 noch
einmal antritt oder nicht.
In aller Ruhe wollte der
Ministerpräsident in der zweiten Jahreshälfte sein
Kabinett neu sortieren. Ausgelöst hatte diese Pläne der
amtsmüde Innenminister Thomas Schäuble, der seinen
Rückzug aus der Politik angekündigt hatte. Einen Strich
durch diese Rechnung machte Wirtschaftsressortchef Döring,
dessen Affäre um die ungeklärte Bezahlung einer Umfrage
samt seltsamer Spendenzuflüsse an die FDP aus der Kasse des
PR-Gurus Moritz Hunzinger Mitte Juni in den Rücktritt
gemündet war. Teufel musste nun schneller als geplant handeln,
zumal die Liberalen mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Ernst Pfister
(57) umgehend einen neuen Wirtschaftsminister nominierten. Doch
wiederum wollte sich der Patriarch Zeit lassen und erst am 14. Juli
mit den neuen CDU-Namen herausrücken. Indes kochte
öffentlich und unionsintern die Gerüchteküche immer
heißer hoch. Manche Ressortchefs geisterten tagelang als
Wackelkandidaten durch die Medien, potenzielle Karriereaspiranten
wurden gehandelt und verschwanden wieder in der Versenkung.
Verkehrs- und Umweltminister Ulrich Müller setzte Teufel
schließlich entnervt unter Zugzwang und bot sich
öffentlich in einem Interview zum Auswechseln an.
So präsentierte der Regierungschef schon
vergangene Woche seine neuen Minister. Müllers bisheriger
Staatssekretär Stefan Mappus leitet nun das Verkehrs- und
Umweltressort. Innen-Staatssekretär Heribert Rech (54)
rückt an die Stelle von Thomas Schäuble. Und als neue
Sozialministerin Tanja Gönner, deren Name in den ausufernden
Spekulationen keine Rolle gespielt hatte: Teufel lobt die
Abgeordnete aus Sigmaringen, die dem Bundesvorstand der Partei
angehört, als "eines der hervorragendsten Nachwuchstalente,
die die CDU anzubieten hat". Freilich hat sich die
Rechtsanwältin Gönner, die im Bundestag im
Umweltausschuss saß, landes- und sozialpolitisch noch kaum
profiliert. Der Beifall in der Union über Gönners
Aufstieg ist so auch nicht gerade von überbordender
Begeisterung. Annette Widmann-Mauz, Vorsitzende der Frauenunion und
Sozialpolitikerin in der Bundestagsfraktion, offerierte der neuen
Ministerin, sie besonders in der Phase der inhaltlichen
Einarbeitung zu unterstützen - eine interpretationsfähige
Äußerung.
Kritik an Versorgung der
Ex-Minister
"Teufel schickt sein letztes Aufgebot ins
Rennen": So kommentiert die SPD-Landesvorsitzende Ute Vogt die
Regierungsmannschaft. Der grüne Fraktionsvorsitzende Winfried
Kretschmann sieht in der Kabinettsumbildung "keinen neuen Schub".
Bei der Opposition, aber auch in den Reihen der Koalition
führte die Berufung Repniks und Schäubles auf lukrativ
besoldete Posten zu einer Debatte über Filz und
Vetterleswirtschaft. Schäuble steht künftig an der Spitze
der landeseigenen Rothaus-Brauerei, Repnik soll die staatliche
Toto-Lotto-Gesellschaft leiten. Eine Ministertätigkeit, weist
Teufel Vorwürfe zurück, könne ja wohl der
Übernahme solcher Positionen nicht im Wege stehen. Der neue
FDP-Fraktionsvorsitzende Ulrich Noll sagt dazu trocken, die
Liberalen hätten Versorgungsposten immer abgelehnt. Auch
Ulrich Zeitel, Vorsitzender des CDU-Wirtschaftsrats, kritisiert das
Vorgehen bei Repnik und Schäuble: Bei der Besetzung von
Leitungsfunktionen dürfe es nicht um Versorgung
gehen.
Weiter gerätselt werden darf über
die Zukunftspläne Erwin Teufels. Dies trifft vor allem den
Fraktionsvorsitzenden Günther Oettinger und Kultusministerin
Annette Schavan, die konkurrierenden Nachfolgeaspiranten. Noch aber
ist offen, ob der Herr der Villa Reitzenstein überhaupt das
Feld räumen oder ob er 2006 noch einmal antreten will. Teufels
Autorität in der CDU ist angekratzt, seit er von einem
Parteitag nur mit 75 Prozent als Landesvorsitzender
wiedergewählt worden ist. Der Ministerpräsident will sich
"rechtzeitig" erklären, bevor ein Parteitag im Februar 2005
den CDU-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl kürt. Die
jetzige Kabinettsumbildung fiel größer aus als erwartet,
aber doch nicht so tiefgreifend, dass sie unbedingt als Indiz
für ein Weiterregieren Teufels auf lange Sicht verstanden
werden könnte. Aber will eine jetzt publizierte
Allensbach-Umfrage, wonach die Südwest-CDU mit Teufel momentan
auf 50,5 Prozent käme, etwas besagen? Vielleicht; vielleicht
auch nicht.
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