|
|
Jutta Witte
Zwei Jahre Haft für "Stalking"
Hessen startet Bundesratsinitiative
Stalking - zu Deutsch "heranpirschen" - ist längst kein
amerikanisches Phänomen mehr. 17,3 Prozent der Frauen und 3,7
Prozent der Männer sind laut einer repräsentativen Studie
des Mannheimer "Instituts für seelische Gesundheit" auch
hierzulande schon einmal zu Opfern von Stalkern geworden, die nicht
nur Prominente beobachten, verfolgen und belästigen, sondern
auch Ärzte, Anwälte, flüchtige Bekannte oder den
ehemaligen Partner. "Es gibt Tausende von Opfern in zerbrochenen
Beziehungen", sagt Hessens Justizminister Christean Wagner. Das
deutsche Recht hingegen, findet der CDU-Politiker, hält nur
unzureichende Instrumentarien bereit, um diesen Fällen zu
begegnen. Deswegen will Wagner Stalking als eigenen Straftatbestand
im Strafgesetzbuch verankern.
"Es gibt eine Gesetzeslücke, die geschlossen werden muss",
begründet Wagner seine Initiative, die am
9. Juli in den Bundesrat eingebracht wurde. Das hessische
"Stalking-Bekämpfungsgesetz" sieht vor, dass "unzumutbares
Nachstellen oder Verfolgen" zum Beispiel durch Telefonterror,
dauernde Versuche der Kontaktaufnahme, systematische Verfolgung und
Beobachtung oder durch die Bestellung von Waren im Namen des Opfers
künftig mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, in
besonders schweren Fällen bis zu zwei Jahren geahndet werden.
"Ich verspreche mir von dem Gesetz auch eine abschreckende
Wirkung", sagt der Justizminister.
Nach seiner Auffassung erreicht weder das geltende Strafrecht
das Verhalten der Täter noch reichen die Instrumentarien aus,
die das Anfang 2002 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz für
Stalking-Fälle bereit hält. Liegen keine
Verstöße vor, die wie Nötigung, Hausfriedensbruch
oder Körperverletzung ohnehin unter das Strafrecht fallen,
müssen Stalking-Opfer nach der derzeitigen Rechtslage auf dem
Wege des Zivilprozesses eine so genannte Unterlassungsanordnung
gegen den Täter erwirken. Erst bei einem Verstoß gegen
eine solche einstweilige Verfügung greift das
Strafgesetzbuch.
"Das Opfer selbst muss die Voraussetzungen schaffen, um
später strafrechtlichen Schutz zu genießen", moniert
Wagner. Die Betroffenen, die häufig unter Panikattacken,
Schlafstörungen und Depressionen leiden, sind damit nach
seiner Überzeugung häufig überfordert. "Wenn sie
gleich die Polizei mit ins Boot holen können, mindert das den
Konflikt", glaubt auch Jens Hoffmann von der "Arbeitsgruppe
Stalking" in Darmstadt. Ein Fünftel der Fälle, in denen
Betroffene versucht haben im Zivilverfahren ein Kontaktverbot zu
erreichen, seien eskaliert - schlimmstenfalls bis zur Tötung
der Kläger, hat der Psychologe beobachtet. Auch wenn laut
Hoffmann in vielen Fällen ein Kontaktverbot gut funktioniert,
hält der Experte die Gesetzesinitiative vor diesem Hintergrund
für sinnvoll. Ebenso unerlässlich sei aber auch eine
intensive individuelle Beratung der Opfer. Ein Gesetz, betont
Hoffmann, könne nur Teil des Managements sein.
Bund will Vorschlag kritisch prüfen
"Wenn dieses Gesetz so verabschiedet wird, ist die Zielsetzung
klar erkannt", begrüßt auch Walter Schwab vom
"Weißen Ring" den hessischen Vorstoß.
Stalking-Straftatbestände lägen häufig in einer
rechtlichen Grauzone. Der Vorsitzende des hessischen Richterbundes,
Ingolf Tiefmann, jedoch kann eine sachliche Begründung
für ein "Stalking-Bekämpfungsgesetz" derzeit nicht
erkennen. "Das Ministerium", kritisiert er, "hat uns bis jetzt
nichts schlüssig dargelegt". Nach seiner Überzeugung ist
der Strafrahmen eines Zivilprozesses, der Geldstrafen bis zu
250.000 Euro und Haftstrafen bis zu einem halben Jahr vorsehe,
ausreichend. "Wenn er all diese Leute im Gefängnis haben will,
muss er Gefängnisse bauen", wirft Tiefmann dem Minister
Populismus vor.
Zudem hält der Richter es für schwierig, angesichts
der großen Bandbreite an Motiven, Verhaltensweisen und
Täterprofilen den Straftatbestand Stalking genau zu definieren
- ein Einwand, den auch das Bundesjustizministerium teilt. "Das
entscheidende Problem ist, einen Straftatbestand zu bestimmen, der
dem Phänomen Rechnung trägt", meint
Ministeriumssprecherin Christiane Wirtz. Bundesjustizmininsterin
Brigitte Zypries (SPD) halte das Problem für ernst, die
Mechanismen des Strafgesetzes und Gewaltschutzgesetzes aber derzeit
für ausreichend. In Bezug auf die Sanktionen müsse die
Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben, betont Wirtz.
Einen akuten Handlungsbedarf sehe die Ministerin nicht, auch wenn
sie den Vorschlag aus Hessen kritisch prüfen wolle.
Ein "eindeutiges Stalking-Verhalten" gebe es nicht, sagt auch
Hoffmann. Den Experten gelinge es aber durchaus zu unterscheiden,
ob es sich um einen harmlosen Nachbarschaftsstreit, ein
kompliziertes Scheidungsverfahren oder eine wirkliche Bedrohung
handele. Der Fachmann verweist auf bestimmte, in der Forschung
mittlerweile aufgearbeitete Anhaltspunkte - etwa eine
Belästigung, die häufiger als zehnmal oder länger
als vierzehn Tage anhält. Das Gespräch mit einem
mutmaßlichen Stalker könne typische Verhaltensmuster
dieser Tätergruppe deutlich machen. "Man erkennt es, wenn man
es sieht", ist Hoffmann sicher.
Jutta Witte
Zurück zur
Übersicht
|