Astrid Pawassar
Klare politische Verhältnisse
Sachsen: Vor der Landtagswahl
In Sachsen herrschen seit 14 Jahren klare politische
Verhältnisse: Die CDU regiert mit absoluter Mehrheit, die PDS
kann mit einem Stammwählerpotenzial von mehr als 20 Prozent
rechnen und die Sozialdemokraten bekommen kein Bein auf den Boden.
10,7 Prozent der Wählerstimmen waren es bei der vergangenen
Landtagswahl, und manch ein Sozialdemokrat munkelt angesichts
aufreibender innerparteilicher Streitigkeiten und der allgemeinen
Stimmung gegen die Berliner Politik, dass dies am 19. September
womöglich noch ein gutes Ergebnis für Sachsens SPD
wäre.
Dabei hatte man so sehr gehofft, nach dem Ende der Ära
Biedenkopf gegen den Haushälter Georg Milbradt punkten zu
können. Doch der hat mit westfälischer Sturheit die
innerparteilichen Unruhen zu Beginn seiner Amtszeit ausgesessen und
auch manchen Sturm im Nachgang. Ein einziges Mal rückte
Milbradt von seiner Devise "keine Kabinettsumbildung" ab und
schickte Sozialministerin Christine Weber in die Wüste, weil
sie wegen der Inanspruchnahme von Mitteln zur Entschädigung
von Flutopfern in die Kritik geraten war. Innenminister Horst Rasch
durfte trotz oppositioneller Sperrfeuer gegen seine Polizeireform
bleiben, ebenso der als unbedarft und uneffizient gescholtene
Wirtschaftsminister Martin Gillo, der mittlerweile gut gelaunt
durchs Land reist, Chipfabriken einweiht und das hohe Lied der
Mittelstandsförderung singt. Milbradts Minister und seine
Lieblingsstaatssekretärin Andrea Fischer, die ihm schon als
Landrätin in Treue fest verbunden war, sind über
zuverlässige Direktwahlkreise oder die CDU-Landesliste
abgesichert und können ihrer politischen Zukunft als
Landtagsabgeordnete gelassen entgegensehen. Das Murren darüber
an der CDU-Basis ist bereits Geschichte und wurde durch
organisierte Mehrheiten auf den Wahlkreisversammlungen am
Jahresanfang im Keim erstickt.
Der Ministerpräsident hat derweil den Kampf auf die
bundespolitische Bühne verlagert, wo er beständig
für die Beibehaltung der Ostförderung wirbt und zur
Verwunderung aller im Bundesrat der Rentenbesteuerung zustimmen
ließ. Vielleicht, so hofft die Opposition, lässt sich ihm
in den Parlamentsferien noch ein Zacken aus der Krone brechen. Im
August muss der Ministerpräsident erneut vor dem
Untersuchungs-
ausschuss des Landtages erscheinen; diesmal geht es um
EU-Fördermittel, die in Milbradts Amtszeit als Finanzminister
in zweistelliger Millionenhöhe unkorrekt an eine
Weiterbildungsagentur gereicht worden sein sollen.
Wahlkampfthema Schmiergeld?
Der "Schwarze Filz in Sachsen" ist der SPD eine eigene
Internetseite wert; doch seit den Enthüllungen ähnlicher
Vorkommnisse im Rahmen der Olympiabewerbung der SPD-regierten Stadt
Leipzig ist fraglich, ob diese Karte im Poker um die
Wählergunst noch sticht. Zwar konnten die sächsischen
Sozialdemokraten bei den zurückliegenden Kommunalwahlen
gänzlich gegen den Trend in Leipzig zulegen, doch
Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee kam der Landespartei als
Hoffnungsträger abhanden. Als Gegenkandidat zu Georg Milbradt
mochte er nicht ins Feld ziehen. Und so war die Bühne frei
für ein entwürdigendes Drama an der Spitze der SPD, in
dem die Landesvorsitzende Constanze Krehl schließlich
frustriert das Handtuch warf. Mit knapp über 50 Prozent hatte
der Listenparteitag ihre Landtagskandidatur auf Platz zwei der
Landesliste nur außerordentlich widerwillig abgesegnet - eine
Ohrfeige für ihre unbeholfenen Versuche, eine
gemäßigte, im Einklang mit bundespolitischen Vorgaben
stehende und gegen Bündnisse mit der PDS gerichtete Politik in
ihrer eigenen Partei durchzusetzen.
Ihr ehrgeiziger Konkurrent, der Fraktionsvorsitzende Thomas
Jurk, hatte seine Truppen besser in Stellung gebracht. Die
Landesliste wurde kräftig durcheinandergeschüttelt, der
aussichtslos platzierte Juso-Vorsitzende Martin Dulig, auf Rang
zwei gehievt und der fleißige schulpolitische Sprecher der
Fraktion, Gunther Hatzsch, ins Nirwana entlassen. Sturm und Drang
kam in Gestalt von Karl Nolle auf Platz sieben, an dem sich die
Geister innerhalb der SPD scheiden. Der Dresdner Unternehmer hat
seine Rolle als wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion
kurzerhand umgemünzt in die des selbsternannten
Chefaufklärers mutmaßlicher Amigo-Affären der
Staatsregierung. Konservative Sozialdemokraten halten seine Art,
mit unbewiesenen Tatsachenbehauptungen an die Öffentlichkeit
zu gehen und Journalisten mit Verschlusssachen aus
parlamentarischen Gremien heraus zu versorgen, für unfein.
Post-Sozialisten von Erfolgen beflügelt
Über derartige Befindlichkeiten ist die PDS in Sachsen
erhaben. Sie hat zwar auch ihre liebe Not mit einer Truppe
blutjunger Landtagsabgeordneter, die den Weg zur Sacharbeit noch
nicht gefunden hat, aber weiß, dass die Alten langsam abdanken
sollten. Auch hier hat es bei der Listenaufstellung gewaltig
geknirscht. Doch die Erfolge bei den jüngsten Kommunalwahlen
haben die Sozialisten beflügelt. Sie träumen von
25 Stimmenprozenten und betrachten die Reformpolitik der
Regierungskoalition in Berlin dabei als Wahlkampfhilfe.
FDP und Bündnisgrüne - in Sachsen seit zwei
Legislaturperioden zur Bedeutungslosigkeit verdammt - schöpfen
nach den vergangenen Kommunal- und Europawahlen neuen Mut, das
Protestwählerpotenzial für sich mobilisieren zu
können. Doch gerade da sehen Wahlforscher das Hauptproblem. Im
Superwahljahr haben die Ostdeutschen bislang ihr abnehmendes
Interesse an der demokratischen Mitbestimmung signalisiert. Von der
geringen Wahlbeteiligung konnten dabei bisher lediglich die
Gruppierungen an den extremen Rändern des Parteienspektrums
profitieren.
Astrid Pawassar
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