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Volker Koop
Signale stehen auf Mehrarbeit
Sollen kirchliche und weltliche Feiertage
für die Wirtschaft geopfert werden?
Die Deutschen sollen mehr arbeiten, dann gehe es
der Wirtschaft wieder besser, mehr Arbeitsplätze könnten
erhalten oder sogar neue geschaffen, die Kassen der
Sozialversicherungssysteme gefüllt werden. Diese
Überzeugung ist weit verbreitet, und entsprechend mehren sich
die Vorschläge, wie dieses Ziel zu erreichen ist: Längere
Wochenarbeitszeiten werden ins Spiel gebracht, ein höheres
tatsächliches Renteneintrittsalter oder auch die Streichung
von Feiertagen. Schon einmal ist von der letztgenannten
Möglichkeit Gebrauch gemacht worden, als es darum ging, die
Pflegeversicherung zu finanzieren. Nahezu alle Bundesländer
hatten damals den Buß- und Bettag als arbeitsfreien Feiertag
aufgegeben.
Ein gutes Jahr im Sinne des
Bruttoinlandsproduktes ist 2004. Viele Feiertage fallen auf
Wochen-enden, aber zwangsläufig sieht dies im kommenden Jahr
wieder anders aus. Sollen also weitere arbeitsfreie Feiertage
gestrichen werden, um die Wirtschaft anzukurbeln? Der zweite
Osterfeiertag etwa, der in einer Reihe von EU-Mitgliedsländern
- und damit Mitbewerbern - gänzlich unbekannt ist?
Der FDP-Abgeordnete Rainer Brüderle
hält davon wenig. Er gesteht zu, dass die Deutschen unterm
Strich 2004 mehr arbeiten als in anderen Jahren - und das ohne den
so genannten Lohnausgleich. Die feiertagsbedingte Mehrarbeit trage
in diesem Jahr zu einem Drittel zum Wirtschaftswachstum bei.
Für mehr Wachstum müsse das volkswirtschaftliche
Arbeitsvolumen bei gleichen Lohnkosten gesteigert werden, sagt er.
Das sei nicht nur arbeitgeber-, sondern auch
arbeitnehmerfreundlich, denn ein höheres Wirtschaftswachstum
nutze allen.
Um das Bruttoinlandsprodukt auch in den
kommenden Jahren zu steigern, wenn wieder mehr Feiertage auf
Werktage fielen, brauche man dennoch nicht Feiertage je nach
Kalenderlage streichen. Der stellvertretende
FDP-Fraktionsvorsitzende: "Nächstes Jahr keinen arbeitsfreien
1. Mai oder 3. Oktober? Das ist gar nicht nötig." Der
FDP-Parlamentarier hat auch gleich einen konkreten anderen
Vorschlag parat. "Wenn alle Deutschen pro Woche eine Stunde
länger arbeiten, sind das aufs Jahr gerechnet rund sechs
zusätzliche Arbeitstage. Eine Stunde Mehrarbeit in der Woche
ist für fast jeden zu verkraften. Trotzdem hätten wir
dann immer noch mehr Freizeit als die meisten anderen
Industrieländer." Dieser Weg sei viel wirksamer, als
womöglich einen Oster- oder Pfingstfeiertag zu opfern. Im
Übrigen, so Rainer Brüderle, seien die kirchlichen
Festtage wie auch alle anderen Feiertage ein Stück unserer
Kultur, das nicht ohne Not preisgegeben werden sollte. "Zeit
für Familie, für Entspannung - davon profitieren auch
diejenigen, die sich beispielsweise den religiösen Traditionen
nicht mehr so stark verbunden fühlen."
An Feiertagen festhalten will auch der
CDU-Abgeordnete Karl-Josef Laumann. Es sei unbestritten, dass sich
Deutschland in einer tiefen Strukturkrise befinde - und mit weniger
Arbeit sei noch niemand aus einer Krise herausgekommen. Einfach nur
Feiertage abzuschaffen, hält der Vorsitzende der Arbeitsgruppe
Wirtschaft und Arbeit seiner Fraktion für falsch, denn sie
hätten einen Sinn auch für die Werte in unserem Land.
Tage, an denen die meisten Menschen frei hätten,
förderten die Gemeinschaft und ehrenamtliche Tätigkeit.
Aus der Krise führt für Karl-Josef Laumann ein anderer
Weg: "Wir müssen wieder mehr arbeiten, eher ins Berufsleben
einsteigen, die Frühverrentung stoppen, und vor allem brauchen
wir flexiblere Wochen-, Monats- und Jahresarbeitszeiten. Dies kann
auch eine Verlängerung der tariflichen Arbeitszeit bedeuten.
Beide Tarifpartner sind gefordert, sich im Interesse der
Beschäftigten und zur Schaffung von neuen Jobs
zusammenzuraufen und Regelungen zu finden, die den Betrieben vor
Ort auch wirklich ein Mehr an Beschäftigung
ermöglichen."
Eine Streichung von Feiertagen hat auch die
stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die
Grünen, Thea Dückert, nicht im Sinn. Im Gegenteil, denn
sie sagt. "Die religiöse Bedeutung der Feiertage ist für
viele Menschen in den Hintergrund getreten. Dennoch bleiben
Feiertage wichtig. Ostern zum Beispiel ist mit vier freien Tagen
hintereinander eine Ruhepause, die man mit Freunden oder Familie
verbringen kann. Das ist fest in unserem kulturellen Bewusstsein
verankert. Traditionelle Feiertage strukturieren das Jahr. Menschen
können Rituale entwickeln, die mit dem ursprünglichen
religiösen Gehalt des Tages nichts mehr zu tun haben, wie etwa
ein jährliches Treffen alter Schulfreundinnen immer an Christi
Himmelfahrt oder das große Weihnachtsessen mit der Familie."
Solche Rituale förderten den sozialen Zusammenhalt einer
Gesellschaft. Im Übrigen, so Thea Dückert, hätten
die einzelnen Bundesländer ohnehin unterschiedlich viele
Feiertage. Sie glaube nicht, dass der Wegfall eines Feiertages
dauerhaft die Konjunktur verbessern würde. Allerdings:
"Künstlich gesetzte Feiertage wie der 3. Oktober könnten
auf einen Sonntag verlegt werden. Das würde nicht als
gesellschaftlicher Verlust empfunden."
Arbeitszeitverlängerung betrachtet die
Abgeordnete nicht als Allheilmittel. Ob ein Feiertag wegfalle, alle
eine Stunde länger arbeiteten oder ob Urlaubstage gestrichen
werden - mit solchen Maßnahmen könne ein
Konjunkturproblem nicht gelöst werden: "Viel besser ist es,
flexibel zu reagieren. Jeder Branche, jeder Betrieb ist anders. Es
gibt Zeiten, da kann Arbeitszeitverkürzung die richtige
Lösung sein. Darum brauchen wir flexible Tarifverträge
und Lebensarbeitszeitmodelle - wie die ‚demographische
Arbeitszeit' bei VW, die es Jüngeren erlaubt, künftig
deutlich über die übliche Wochenarbeitszeit hinaus zu
arbeiten, damit sie im Alter weniger lange arbeiten müssen.
Solche Lösungen sind nachhaltiger als immer wieder
aufflackernde Diskussionen um die Streichung eines
Feiertags."
Auffallend bei den Debatten sei, dass in
erster Linie kirchliche Feiertage den ökonomischen Interessen
geopfert werden sollten, stellt Alexander Dobrindt (CSU) fest.
Gerade sie hätten jedoch einen hohen religiösen und
kulturellen Symbolwert und seien als solche zu schützen.
Kirchliche Feiertage bedeuteten auch freie Zeit für das
Familienleben oder die Möglichkeit zur Begegnung mit Freunden
und gewährleisteten die Möglichkeit für die
Religionsausübung. Auf eine Besonderheit in den Diskussionen
macht der Abgeordnete aufmerksam. "Wenn zur Ankurbelung der
deutschen Wirtschaft darüber nachgedacht wird, Feiertage
abzuschaffen, ist es nur konsequent, auch die weltlichen Feiertage
1. Mai und 3. Oktober zur Disposition zu stellen.
Selbstverständlich ist an eine Abschaffung der beiden
Feiertage nicht zu denken. Aber warum sollten der Tag der Arbeit
und der Tag der Deutschen Einheit nicht auf einen Sonntag gelegt
werden, wenn sich im Gegenzug die Arbeitgeber, ähnlich dem
erst kürzlich geschlossenen Ausbildungspakt verpflichten, eine
angemessene Anzahl an Arbeitsplätzen zu schaffen?" In einer
gemeinsamen Kraftanstrengung könnte so die Bevölkerung
wirtschaftliches Wachstum schaffen und gleichzeitig der Bedeutung
der beiden Feiertage gebührend Rechnung tragen.
Allerdings sieht Alexander Dobrindt, dass
damit die deutsche Wirtschaft noch nicht aus der Krise wäre.
Vielmehr sei die Jahresarbeitszeit auf ein wettbewerbsfähiges
Niveau anzuheben, wolle man Wirtschaftswachstum und Wohlstand
schaffen, wobei der Fokus auf flexiblen, branchen- und
unternehmensspezifischen Konzepten zur Verlängerung der
Arbeitszeit gerichtet werden müsse.
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