Bernward Janzing
Deutschland ist Windweltmeister
Ökoenergie genießt in der
Bundesrepublik einen vergleichsweise hohen Stellenwert
Selbst Optimisten wurden von der Realität längst
überholt. Als Greenpeace im Herbst 1991 ein Energiekonzept
für Deutschland vorstellte, schien das "Öko-Szenario"
geradezu visionär: Im Jahr 2010, so hatten seinerzeit die
Umweltschützer vorgerechnet, könnten Windkraftwerke in
Deutschland 30 Milliarden Kilowattstunden erzeugen. Heute ist diese
Perspektive längst Makulatur - sie war zu pessimistisch. Schon
viel früher, vermutlich im kommenden Jahr, wird das Ziel von
30 Milliarden Kilowattstunden Windstrom in Deutschland erreicht
sein.
Denn es ahnte damals niemand, wie schnell Deutschland sich als
"Windweltmeister" profilieren würde. Die Zahlen sind
beachtlich: Zum Jahresende 2003 waren in Deutschland gut 14.600
Megawatt installiert. Damit erreicht der Anteil des Windstroms in
Deutschland in einem mittleren Windjahr inzwischen fast die
Sechs-Prozent-Marke. In Schleswig-Holstein liegt er bereits bei
mehr als einem Drittel, in guten Monaten gar bei über der
Hälfte. Und spätestens wenn in wenigen Jahren die
Offshore-Windkraft vor den deutschen Küsten startet, wird
Schleswig-Holstein alleine durch die Windkraft zum Strom-Exporteur
mutieren.
Steigende Leistungen der Anlagen sind eine Ursache für den
Erfolg der Windkraft. 1992 leistete jede in Deutschland neu
installierte Turbine im Mittel etwa 160 Kilowatt, im Jahr 2000
waren es bereits gut 650 Kilowatt und im vergangenen Jahr bereits
fast 1,6 Megawatt. Heute werden Serienanlagen mit 2,5 und 3,6
Megawatt Leistung ausgeliefert und sogar schon Prototypen mit 4,5
und fünf Megawatt gebaut.
International steht Deutschland bei der Windkraft mit Abstand an
der Spitze - rund 40 Prozent der globalen Windkraftleistung sind
heute in Deutschland installiert. Auf den Plätzen zwei und
drei folgen Spanien und die USA, an vierter Stelle Dänemark.
Pro Kopf, oder auch je Quadratmeter des Landes kalkuliert, liegt
allerdings Dänemark noch in Führung. Und auch andere
Länder haben sich viel vorgenommen: Großbritannien etwa
möchte massiv die Offshore-Windkraft voranbringen. Drei
Viertel der weltweiten Windkraftleistung ist heute in Europa
installiert.
Auch beim Solarstrom steht die Bundesrepublik an der Spitze -
zusammen mit Japan. Zwar bewegt sich selbst in Deutschland der
Sonnenstrom mit 300 Millionen Kilowattstunden pro Jahr (2003) im
Vergleich zum Verbrauch noch auf niedrigem Niveau - der Solarstrom
deckt noch nicht einmal 0,1 Prozent des nationalen Verbrauchs. Doch
das Wachstum ist enorm; seit 1990 ist die Menge des Solarstroms im
deutschen Netz um mehr als das Hundertfache gestiegen. Und mit den
verbesserten Einspeisekonditionen nach dem novellierten
Erneuerbare-Energien-Gesetz wird das Jahr 2004 den Solarboom
nochmals beschleunigen.
Mit bis zu 200 Megawatt neu installierter Kraftwerksleistung
rechnet die Branche für das laufende Jahr in Deutschland,
nachdem es im vergangenen Jahr rund 120 Megawatt waren. Die
Entwicklung ist rasant: Mitte der 90er-Jahre lagen die
jährlichen Installationszahlen hierzulande noch im
einstelligen Megawatt-Bereich. Damit wird Deutschland seine vordere
Position im internationalen Vergleich weiter festigen.
Auch die Wachstumsraten des solaren Wärmemarktes sind
beachtlich. Zwischen Oder und Rhein hat sich die Fläche der
Solarkollektoren zur Warmwassergewinnung in den Jahren 1990 bis
2003 um das Zwölffache erhöht. Mit derzeit rund fünf
Millionen installierten Quadratmetern erzielt Deutschland auch in
dieser Sparte eine internationale Führungsposition.
Ebenso hat die Bioenergie in der Bundesrepublik in den
vergangenen Jahren eine rasante Entwicklung erfahren. Binnen
fünf Jahren wurde die Stromerzeugung aus Biomasse
verfünffacht; mit über fünf Milliarden
Kilowattstunden deckt Biomasse heute etwa ein Prozent des
Stromverbrauchs. Zehnfach höher liegt die Energiemenge, die
jährlich an Biowärme bereitgestellt wird. Und auch die
Nutzung von Biodiesel wurde in den vergangenen sieben Jahren
verzehnfacht.
Im europäischen Vergleich gehört Deutschland bei der
Bioenergie inzwischen zu den führenden Ländern.
Frankreich führt allerdings mit deutlichem Abstand, etwa
gleichauf folgen neben der Bundesrepublik Schweden, Italien und
Finnland, die in absoluten Werten jährlich auf gut 60
Milliarden Kilowattstunden genutzter Biomasseenergie kommen.
Recht weit hinten liegt der Windweltmeister im internationalen
Vergleich indes bei der Wasserkraft - denn manches andere Land der
Erde hat schlicht und einfach mehr Potenzial zu bieten. In
Deutschland werden heute je nach Niederschlagsmenge jährlich
zwischen 20 und 25 Milliarden Kilowattstunden erzeugt, was etwa
vier bis fünf Prozent des nationalen Stromverbrauchs
entspricht. Weltweit werden dagegen heute 19 Prozent des
Strombedarfs mit Wasserkraft gedeckt. Damit ist die Wasserkraft
weltweit auch die derzeit meistgenutzte regenerative Energie im
Stromsektor.
In jüngster Zeit hat Deutschland begonnen, seine Defizite
auf dem Sektor der Erdwärme aufzuholen. Bis 2003 war
Stromerzeugung aus Erdwärme in Deutschland ein Fremdwort. Dann
ging in Ostdeutschland das erste einschlägige Kraftwerk ans
Netz. So ist die Bundesrepublik aus internationaler Sicht bei der
Erdwärmenutzung derzeit alles andere als führend.
Weltweit werden heute bereits 8.000 Megawatt Strom (das entspricht
der Produktion von etwa acht Atomkraftwerken) und 15.000 Megawatt
Wärme aus Geothermie genutzt. Im Wärmemarkt führt
Europa mit knapp 6.000 Megawatt, im Strommarkt sind Amerika und
Asien führend.
Doch seit das Erneuerbare-Energien-Gesetz im Jahr 2000 in
Deutschland erstmals auch für Strom aus Erdwärme eine
Mindestvergütung festgelegt hat, entwickelt das Thema
hierzulande wieder eine starke Dynamik. Der Vorteil der Geothermie:
Die Kraftwerke können rund um die Uhr mit konstanter Leistung
laufen. Ihre Erzeugung ist nicht vom Wetter abhängig - die
Anlagen sind daher ein wichtiger Baustein im erneuerbaren
Energiemix. Bernward Janzing
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