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Barbara Schweizerhof
Es gibt keinen Glamour hinter verschlossenen
Türen
Wer profitiert von wem? Das schwierige
Verhältnis zwischen Medien und Monarchen
Schwere Anklagen, die bis zu Mordvorwürfen
reichen und Auseinandersetzungen vor Gericht, die europäische
Strafkammern beschäftigen - in Wahrheit sind sie also
erbitterte Feinde, die europäischen Königshäuser und
die Medien. Auf den ersten Blick in die gängigen Postillen
würde man das allerdings gar nicht merken. Ganz im Gegenteil,
"Maxima - die Liebe siegt", "Kronprinzessin Letizia und
Königin Sofia - Aus Feindinnen wurden Freundinnen" - stets
herrscht hier ein Ton voller Mitgefühl und Vertrautheit.
Schaut man sich die endlose Serie der
indiskreten Fotos an, versehen mit einfühlsamen oder auch
dreisten Kommentaren zum Einkaufs-, Autofahr- oder Dating-Verhalten
von Stefanie, Caroline, Märtha Louise - schon die Tatsache,
dass sie alle beim Vornamen genannt werden, suggeriert ein nahezu
intim-paternalistisches Verhältnis -, dann bekommt man ein
Gefühl für den Belagerungszustand, unter dem sich die
Prominenz ganz allgemein und die Königsfamilien noch einmal im
Besonderen befinden. Die Medien müssen in der Tat für sie
so etwas darstellen wie eine Plage, die sie nie mehr
loswerden.
Tatsächlich hat sich spätestens
seit Prinzessin Dianas Tod, der sich - was immer die genauen
Unfallursachen auch waren - auf der Flucht vor Paparazzis
ereignete, die Vorstellung verfestigt, dass die Medien eine fast
lebensbedrohliche Belästigung darstellen und man ihr Vorgehen
und ihre Einblicke beschränken und reglementieren müsse.
Doch auch wenn man diese Einschätzung teilt, fiele es doch
schwer, gleich die Abschaffung der Boulevardpresse zu fordern.
Irgendetwas an ihr scheint auch wieder notwendig oder zumindest auf
die Befriedigung ganz legitimer Bedürfnisse von Seiten der
Leser und Zuschauer ausgerichtet. Und noch weiter gedacht: Wo, wenn
nicht in der Boulevardpresse, begegnen uns die Königsfamilien
denn überhaupt noch? Was wüssten wir von ihnen ohne
"Gala", "Bunte", "Neue Post" und "Spiegel der Frau"? Anders herum
gefragt: Sind die modernen Monarchien Europas nicht eigentlich
bereits Medien-Monarchien? Ist es nicht vielleicht sogar so, dass
der europäische Adel als anachronistisches Überbleibsel
aus vordemokratischer Zeit seine heute recht unangefochtene
Stellung im Grunde den viel bescholtenen Medien zu verdanken
hat?
Von ihren ersten Anfängen an standen die
modernen Massenmedien im Verdacht, für die Zerstörung von
etwas sehr Wertvollem verantwortlich zu sein, von etwas, das lange
als Wesen der Monarchie angesehen wurde, nämlich der
"königlichen Würde", eine spezifische Aura, die wohl als
Zwitter zwischen Naturphänomen und religiösem Erleben
aufzufassen ist. Der Vorwurf, dieses flüchtige, aber
konstituierende Moment durch banales massenhaftes Abbilden zum
Verschwinden zu bringen, erging insbesondere an die visuellen
Medien. Wilhelm im Ornat und Pickelhaube auf dem Marktplatz und
derselbe im Fernsehen, das kann nicht das gleiche sein, meinte noch
Medienphilosoph Vilem Flusser. Man ist schnell versucht, dem
zuzustimmen, wird doch in unserer Mediengesellschaft die Erinnerung
an das "Echte" und "Authentische" so hoch gehalten wie sonst nur
der Glaube an das "Gute" Buch. Jedoch zeichnet sich die
gängige Medienkritik durch die Tendenz aus, den
alltäglichen Umgang der Mediennutzer außer Acht zu
lassen. Für den normalen Fernsehzuschauer ist die
Gewöhnung an mediale Vermittlung nämlich nicht immer
gleichbedeutend mit einer Gewöhnung an Verblendung, sondern
besteht aus dem geübten Umgang mit medialen
Übersetzungsvorgängen. Soll heißen: Wir sehen etwas
im Fernsehen, wir wissen, es wäre etwas Anderes, vor Ort dabei
zu sein, und wir verrechnen das eine mit dem anderen. Wer
regelmäßig fernsieht, wird vom Medium hinlänglich
darüber aufgeklärt, wie Sendungen zustande kommen. Dass
kaum ein Beifall spontan ist und kaum ein längerer Text frei
vorgetragen wird - der geübte Zuschauer weiß, dass es
sich dabei um mehr oder weniger sorgfältig inszenierte
Illusionen handelt. Und was die Aura betrifft: Wenn die Medien sie
zerstören könnten, wären sie zwar einerseits die
besten Aufklärungsorgane, weil sie den Zuschauer
befähigten, "dahinter" zu schauen - aber andererseits
würden sie gerade das kaputt machen, von dem sie selbst am
meisten profitieren.
Von heute aus lässt sich sagen: Ja, es
wurde Aura zerstört. Das öffentliche Bild und damit auch
das Ansehen der Adelsfamilien in der Gegenwart verglichen mit dem
von vor 50 Jahren hat sich grundlegend gewandelt. Wahrscheinlich
muss man sogar zugeben, dass der Adel heute sehr viel weniger
Respekt in der "gemeinen" Bevölkerung genießt als noch in
der unmittelbaren Nachkriegszeit. Diese Veränderung haben wir
nicht nur, aber wahrscheinlich zum größten Teil, der
Wirkung der Massenmedien zu verdanken. Es wäre jedoch falsch
zu glauben, die Medien hätten die Aura oder das Ansehen der
Monarchen sozusagen dekonstruktivistisch zersetzt oder banalisiert,
kam doch durch sie auch wieder eine neue Wirkungsweise hinzu:
nämlich die Ausstrahlung mittels einer speziellen Art von
"medialer Aura". In allen Schichten, und so auch dem Adel, gibt es
Personen, die besonders gut in den Medien "rüberkommen".
Prinzessin Diana war eine davon, beziehungsweise: Sie war ein
herausragendes Beispiel für "Medien-Aura". In Bezug auf ihren
beliebtesten Beinamen könnte man sagen: Sie war mehr eine
Königin des Tabloids als eine der Herzen.
Denn wenn es den ausspähenden Blick der
Medien nicht gäbe, diese Form der Berichterstattung mit ihrer
Mischung aus Dichtung und Wahrheit, die einen zufällig
fotografierten Seitenblick zum Eifersuchtsdrama hoch zu stilisieren
vermag, dann hätte es Diana die Königin der Herzen auch
nicht gegeben. Diana - die viel beneidete und doch
unglückliche, die betrogene Gattin und essgestörte junge
Frau - war ein moderner Mädchenroman in
Fortsetzungen.
Rohstoff für neuen
Gegenwartsroman
Die königlichen Familien sind der
Boulevardpresse liebster Rohstoff für eine endlose Soap-Opera.
Ganz wie bei fiktionalen TV-Vorbildern ist es ein Erzählstoff,
der an den Interessen einer weiblichen und älteren Klientel
ausgerichtet ist. Es sind klassische Frauenthemen, die ihn
bestimmen: schwierige Verhältnisse zu Schwiegermüttern,
unerfüllte Kinderwünsche und unverhofftes
Kinderglück. Die Entsagungsleistungen und Einsamkeiten von
Ehegattinnen an der Seite ehrwürdiger Männer - hier
werden sie besprochen und bedauert. Die typisch weiblichen
Beziehungsfantasien von Mutterglück und Aufgehen in der
Paarsymbiose - hier werden sie bedient. Es ist ein fast
erschreckend altmodisches Bild, das die adligen Familien Europas
hier abgeben; mit um so größerer Spannung wird deshalb
der Einbruch des modernen Lebens in diese trauten Sphären
verfolgt: Schwierigkeiten wie Magersucht und
Drogenabhängigkeit, uneheliche Kinder und männliche
Beziehungsunfähigkeit. Worauf man bislang allerdings
vergeblich wartet, ist ein offenerer Umgang mit
Homosexualität.
Zwar liefert sämtliche Prominenz dieser
Real-Life-Soap-Opera zu, aber die Adelsfamilien bilden darin so
etwas wie den Grundstock. Anders als etwa Hollywoodstars kommen sie
nicht aus der Mode oder können darauf hoffen, eines Tages
vergessen zu werden und zurück zu kehren in die
Anonymität. Vor allem in Ländern, die keine Monarchen
mehr haben, wie der Bundesrepublik, bildet der Adel nur noch den
Rohstoff zu einem Gegenwartsroman im Modus des Kitsches.
Ideologiekritisch betrachtet sind diese Erzählungen von
erschreckender Affirmativität. Das Milieu könnte kaum
konservativer und traditioneller sein. Aber darin liegt wohl auch
das Geheimnis ihrer Beständigkeit: Die Königsfamilien
verkörpern in der großen Medienerzählung eine Art
Urfamilie, und damit tatsächlich so etwas wie Heimat und
Herkunft. Sie sind Repräsentanten, nicht mehr einer Regierung
oder Exekutive, sondern einer Landeskultur. Wer etwas über den
Katholizismus der Spanier erfahren wollte, konnte dafür keine
bessere Gelegenheit finden als die Hochzeit von Kronprinz Felipe
und seiner Letizia. Im "Typisch-Sein" nämlich sind die
Monarchenfamilien den Hollywoodstars weit überlegen. Auch sind
sie in der physischen Erscheinung um einiges weniger "perfekt" als
diese und bilden schon deshalb willkommene
Identifikationsangebote.
Was sich in den gerichtlichen
Auseinandersetzungen niederschlägt, die jüngst wieder mit
dem "Caroline-Urteil" Schlagzeilen machten, ist der Kampf der
Prominenz und speziell der Adelsfamilien um die Autorschaft an der
"großen medialen Erzählung". Die längste Zeit seiner
privilegierten Existenz hatte der Adel seine Inszenierung
nämlich selbst in der Hand. Es gehörte geradezu zur
Definition von "Hoheit", dass sie mit Theatralisierungen und
Ritualisierungen regierte, ihre Macht und Befugnisse symbolisch
fürs Volk in Szene setzte. Mit der realen Entmachtung und der
Einführung der Massenmedien wurde diese Inszenierungshoheit
gleich von zwei Seiten bedroht.
Dass man sie durch Ausschluss der Medien
nicht einfach zurückgewinnt, das hat Queen Elisabeth bereits
bei ihrer Krönung begriffen und zum Ausdruck gebracht. Ihre
Berater und ihr Kabinett hatten entschieden, das damals noch in den
Kinderschuhen steckende Fernsehen bei den Feierlichkeiten in der
Westminster Abbey nicht zuzulassen - mit der Begründung, das
grelle Licht der Scheinwerfer und die Hitze würden die
emotionale und physische Belastung der zu krönenden Prinzessin
unzulässig vergrößern. Hinter den Kulissen wurde
auch gemunkelt, dass die Peers sich um ihr verbürgtes Privileg
gebracht sahen, als einzige unmittelbare Zeugen bei der
Krönung dabei zu sein. Als Sir Winston Churchill der jungen
Elisabeth den Beschluss des Kabinetts mitteilte, dass ihr die
Strapaze der Live-Übertragung nicht zuzumuten sei, soll sie
ihn höflich daran erinnert haben, dass schließlich sie es
sei, die gekrönt würde, und nicht das Kabinett, und dass
ihrer Ansicht nach alle Untertanen die Möglichkeit erhalten
sollten, sie zu sehen.
Die Krönung von Elisabeth II. am 2. Juni
1953 wird heute als Geburtstunde der Fernseh-Live-Übertragung
gefeiert. Zum ersten Mal in der Geschichte des Mediums verfolgten
mehr Menschen das Ereignis am Bildschirm als am Radio. Die
Beschreibungen der Übertragung betonen immer wieder, wie
würdig der Senderahmen war und wie diskret sich die
Moderatoren verhielten. Von solcher Zurückhaltung kann man
heute nur noch träumen. Im Nachhinein muss man auch
feststellen, dass die Live-Übertragung der Krönung dem
Medium Fernsehen mehr geholfen hat als der Monarchie. Wie danach
nur noch die Mondlandung hat sie zur Popularisierung der
Geräte und des Mediums beigetragen, ganz zu schweigen vom
Anschub des Verkaufs und der Erprobung neuester technischer
Möglichkeiten.
Elisabeth II., so heißt es in einem
Eintrag in einer Internetenzyklopädie, verdanke ihre
große Popularität den Medien. Sie seien es gewesen, die
sie dem Volk näher gebracht haben, und das, obwohl ihr
Auftreten stets sehr formell und unemotional war und noch immer
ist. Einen Bruch erlitt ihre immense Beliebtheit erst seit Mitte
der 80er-Jahre, als die "Tabloids" die unglücklichen
Ehegeschichten ihrer Kinder auszuschlachten begannen. So schlug die
Medienfreundlichkeit, die Elisabeth II. bei sich selbst noch so
geschickt durch ihre "Eckigkeit" und Beherrschtheit konterkarierte,
auf einmal zurück. Mit den ganz realen Geschichten von Anne
und Marc, Andrew und Fergie, Charles und Diana, in denen sich jeder
Bürger wiedererkennen konnte, zeichnete sich ab, dass die
einmal geladenen Kameras nicht so einfach wieder hinaus gebeten
werden konnten.
Umstrittenes "Caroline-Urteil"
Im September dieses Jahres machte das so
genannte "Caroline-Urteil" Schlagzeilen. Die Prinzessin von Monaco
bekam auf europäischer Ebene bestätigt, wofür sie
seit Jahren kämpft: dass Privatfotos von ihr nur noch
veröffentlicht werden dürfen, wenn ein "berechtigtes
Interesse der Öffentlichkeit" daran besteht. Die
Boulevardpresse protestierte heftig, sprach von Zensur und dem
unverbrüchlichen Recht auf freie Berichterstattung,
schließlich bestehe ein legitimes Interesse daran,
"gesellschaftliche Leitbilder", wie sie Caroline nun mal darstelle,
"realistisch" abzubilden. So gut man Carolines Kampf um das Recht
am eigenen Bild nachvollziehen kann, fragt man sich doch auch, ob
sie mit der Unterbindung der Berichterstattung über ihr
Privatleben nicht auf längere Sicht die eigenen Interessen
untergräbt. Was ist Glamour noch wert, wenn er nur noch hinter
verschlossenen Türen stattfindet?
Einen anderen Weg, die Hoheit über die
eigene Inszenierung zurück zu erlangen, hat Prince Charles in
jüngster Zeit eingeschlagen. Er holte sich als Pressesprecher
den früheren "communications director" von Manchester United
ins Haus. Mit diesem Schritt, der noch vor ein paar Jahren als
unziemlich gegolten hätte, bewies Charles aber vielleicht ein
ähnlich vorausschauendes professionelles Kalkül, wie es
seine Mutter 1953 an den Tag gelegt hatte. Monarch zu sein ist
heute tatsächlich ein Beruf, den man mit dem des
Fußballprofis durchaus vergleichen kann. Dass Kameras und
Reporter dabei sind, ist ungeheuer wichtig, für den einen beim
Spiel, für den anderen beim Händeschütteln und
Wohltätig-Sein. Und die Einblicke ins Private müssen
gezielt gewährt werden, weil sie das Unterpfand der
Popularität sind. Und Charles braucht Popularität wie ein
Fußballer den Torerfolg; sie zu erlangen ist aber ohne Medien
heute nicht mehr möglich. Weshalb man wohl tatsächlich
konstatieren müsste: Ohne Medien - gäbe es zumindest in
Europa auch keine Monarchen mehr.
Barbara Schweizerhof ist Redakteurin der
Wochenzeitung "Freitag".
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