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Cornelia Schmitz
Die Prinzessin auf der Erbse lebt nur noch im
Märchen
Ob Journalistin, Diplomatin oder Lehrerin: Die
Königinnen von morgen sind erfolgreiche
Karrierefrauen
Es war einmal eine Prinzessin, deren Vater ihre Mutter
hinrichten ließ, als sie drei Jahre alt war, sie selber
ließ der Vater für illegitim erklären - was sie von
der Thronfolge ausschließen sollte. Das war im Jahre 1533. Die
Prinzessin sprach mehrere Sprachen und übersetzte bereits als
Kind lateinische Dichter. Mit 21 Jahren ließ ihre 14 Jahre
ältere Halbschwester, die inzwischen als "Maria die
Katholische" den Thron bestiegen hatte, sie für vier Jahre
einkerkern. Das Land wurde derweil von innenpolitischen und
Kämpfen um die "richtige" Religion geschüttelt. Mit der
katholischen Großmacht Spanien fand ein (noch) nicht
erklärter Krieg statt, der jährlich Unsummen aus der
königlichen Kasse verschlingt.
Elisabeth, Prinzessin von England, Wales und Irland, wurde
schließlich trotz allem im Jahr 1558 mit 25 Jahren zur
Königin gekrönt. Als solche herrschte sie bis zu ihrem
Tod 1604 fast ein halbes Jahrhundert lang. Die innere Einheit im
politischen wie religiösen Sinn schaffte Königin
Elisabeth durch die Uniformitätsakte schon ein Jahr nach ihrem
Regierungsantritt, die spanische Flotte wurde 1588 vernichtend
geschlagen. Gefahr drohte ihrem Thron durch die Ansprüche
ihrer Cousine Maria, Königin von Schottland, die als Urenkelin
des englischen Königs Heinrich VII. auch Königin von
England werden wollte. Maria hatte mächtige Verbündete:
den Papst und die - katholischen - Königshäuser von
Spanien und Frankreich. Elisabeth blieb unbeeindruckt: Als Maria
wegen eines antikatholischen Aufstandes in Schottland bei ihrer
Cousine um Asyl bat, lässt diese sie kurzerhand einkerkern -
19 Jahre lang, bis Elisabeth 1587 nach langem Zögern das
Todesurteil ihrer Cousine unterschrieb. Elisabeth blieb
unverheiratet, mehrere Liebschaften wurden ihr nachgesagt, aber ihr
Leben widmete sie ganz England.
Weder befreit noch wachgeküsst
Es war einmal ein andere Prinzessin, Maria Antonia Josepha von
Habsburg-Lothringen, die wurde 1770 mit dem Thronfolger und Prinzen
Ludwig von Frankreich verheiratet; da war sie 15 und er 16 Jahre
alt. Der Bräutigam war kränklich, unansehnlich und ein
eher verschlossener Typ. Prinzessin Marie Antoinette focht das
nicht an: Sie feierte und gab viel Geld aus. Im Juli 1789 erhob
sich das hungernde, geknechtete Volk, die königliche Familie
versuchte zu fliehen, arrangierte sich dann zunächst mit den
neuen Verhältnissen. Ludwig und Marie wurde 1792 der Prozess
gemacht, der König wurde im Januar des Folgejahres zum Tode
verurteilt. Marie Antoinette blieb derweil in Haft, der Sohn wurde
ihr weggenommen. Im Oktober wurde sie geköpft, der kleine
Dauphin starb im Kerker an Tuberkulose. "Und wenn sie nicht
gestorben sind, …", dieses märchenhafte Ende der
Geschichte von der Prinzessin, die endlich von ihrem Ritter, ihrem
Prinzen gefunden, befreit, wachgeküsst und immer geheiratet
wird, dieses märchenhafte Dasein, dass alle kleinen
Mädchen fast weltweit für sich erträumen, hatte und
hat immer noch überhaupt gar nichts mit der Realität zu
tun. Zwar sind die Zeitalter, in denen Prinzessinnen wie ihre
männlichen Gegenparts aus politischen Gründen zur Heirat
regelrecht verschachert wurden, ihnen die eigenen Kinder unter
grausamen Umständen entrissen wurden, ihnen der kurze Prozess
zur Verbannung, Einkerkerung oder Hinrichtung gemacht wurde,
weitgehend vorbei. Aber wie romantisch ist ein Leben als Prinzessin
tatsächlich?
So recht was fürs Mädchen- und Frauenherz sind immer
noch die Märchenhochzeiten, die seit der Verbreitung des
Fernsehens weltweit am Bildschirm mitverfolgt werden. Eine der
ersten war die des Königs Baudouin von Belgien mit der
spanischen Adeligen Fabiola de Mora y Aragon 1960. Eine der
spektakulärsten Hochzeiten war die des Prinzen von Wales mit
Lady Diana Spencer 1981. Aber auch deren Ehe wurde mit allen
Höhen und Tiefen und mit ihrem Scheitern quasi öffentlich
geführt. Der Unfalltod der traurigen Prinzessin, die seit
ihrer Hochzeit mit dem Prinzen von ihm betrogen worden war,
erschütterte die Welt. Auch die böse Schwiegermutter, die
die ehemalige Kindergärtnerin aus der königlichen Firma
geschmissen hatte, gehört zu diesem Märchen ohne Happy
End.
Die geborenen Prinzessinnen des 21. Jahrhunderts haben ein
umfangreiches Ausbildungs- und Arbeitspensum zu absolvieren. Die
allermeisten erhalten eine Hochschulausbildung, gehen dann
bürgerlichen Berufen nach: Infanta Elena de Borbon von Spanien
zum Beispiel ist von Beruf Englischlehrerin, Kronprinzessin
Märtha Louise von Norwegen Physiotherapeutin. Auch für
direkte Anwärterinnen auf königliche Weihen bedeutet das
zukünftige Leben als Königin alles andere als Romantik
und rauschende Feste in opulenten Ballkleidern. Viktoria von
Schweden etwa, für die erst 1980 als Erstgeborene das
schwedische Thronfolgerecht zeitgemäß auch für
Mädchen geöffnet wurde, hat sich ganz umfassend für
den "Beruf" Königin vorbereiten lassen: Nach dem Studium der
Geschichte und Politik hat sie sowohl bei der UNO als auch in
diplomatischen Vertretungen sowie im Parlament ihres Landes
gearbeitet.
Die angeheirateten Prinzessinnen sind mittlerweile
bürgerliche Frauen wie du und ich: Sie arbeiten als
Journalistin, Studentin, Bankerin, Werbefachfrau, als
Selbständige in Public Relations - und fast alle haben
studiert. Der Übergang in ein Leben unter höfischen
Etiketten ist jedoch oft schmerzvoll: Die Gazetten berichten von
Depressionen, Magersüchten, von Vereinsamung und dem Druck,
einen männlichen Thronfolger produzieren zu müssen.
Kronprinzessin Masako von Japan zum Beispiel, in ihrem
früheren, bürgerlichen Leben eine Karrierediplomatin mit
Havard-Abschluss, steht wegen der ungebrochen
männerzentrierten Traditionen in ihrer Heimat massiv unter
Druck - hat sie doch bisher "nur" eine Tochter geboren.
Kein Ausstieg möglich
So oder ähnlich hat sich bei den Royals aller Länder
bis heute einige Strenge erhalten. Einst musste sich Edvard VIII.,
der knapp zwölf Monate auf dem englischen Thron saß,
zwischen Krone und Geliebter entscheiden; er dankte ab, um die
zweifach geschiedene - bürgerliche - Amerikanerin Wallis
Simpson zu heiraten. Das war 1936. Fast 70 Jahre später haben
sich die Probleme nicht wesentlich geändert: Johan Friso,
zweiter in der Thronfolge der Niederlande, verzichtete auf seinen
Platz in der Thronfolge, um die bürgerliche Mabel Wisse Smit
heiraten zu können. Hier war nicht deren Herkunft das Problem;
vielmehr soll die Braut einst Umgang mit einem Drogenboss gehabt
haben. Das niederländische Abgeordnetenhaus verweigerte seine
Zustimmung zur Hochzeit. Mit seinem Verzicht ist das Ehepaar
offiziell nicht mehr Mitglied des niederländischen
Königshauses. Und wenn sich Mette Marit, Kronprinzessin von
Norwegen, einmal von ihrem Herzensprinzen scheiden ließe, so
müsste sie die in der Ehe geborenen Kinder der Fürsorge
der Krone überlassen.
"Es war einmal …" ist also tatsächlich wörtlich
zu nehmen, denn das Dasein als Prinzessin - oder eben als Prinz -
bedeutet heute vor allem pausenloses Repräsentieren,
fortwährendes Verstecken vor Paparazzi, enormer Druck durch
die Öffentlichkeit, die eigenen Familien und gelegentlich auch
durch die Parlamente der jeweiligen Länder. Gut, meistens geht
mit dem Leben an einem Königshof auch eine Menge Geld einher,
aber anders als Menschen, die sich durch "normale" Arbeit ihr Geld
verdient haben, ist es für Mitglieder einer Königsfamilie
eher schwer, auszusteigen, sich zurückzuziehen, in Ruhe
gelassen zu werden. So richtig herrschen - das war einmal.
Cornelia Schmitz arbeitet als freie Journalistin in Bonn.
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