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Das Parlament
Nr. 43 / 18.10.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Alexander Weinlein

Der Hirte ist auch ein Herrscher

Der Vatikan als die letzte absolute Monarchie Europas

Bischof von Rom, Statthalter Jesu Christi, Nachfolger des Apostelfürsten, Oberhaupt der Gesamtkirche, Patriarch des Abendlandes, Primas von Italien, Erzbischof und Metropolit der Kirchenprovinz Rom, Souverän des Staates der Vatikanstadt, Diener der Diener Gottes" - die offizielle Titulatur des Papstes muss keinen Vergleich mit den Titeln gekrönter Häupter scheuen. Und der Papst ist ein gekröntes Haupt, eben nicht nur ein geistlicher Hirte, sondern auch ein weltlicher Herrscher.

Sein Reich ist klein - der Staat Vatikanstadt ist mit 0,438 Quadratkilomtern Fläche der kleinste souveräne Staat der Erde und liegt als Enklave mitten in Italiens Hauptstadt Rom -, aber über dieses Minireich gebietet der Papst uneingeschränkt: absolute priesterliche Wahlmonarchie nennt man eine solche Staatsform. Und der Kirchenstaat hat alles, was eine Monarchie neben dem Regenten eben so braucht: Untertanen (524 Menschen besitzen die vatikanische Staatsbürgerschaft), eine Hymne, eine Fahne, ein Wappen, eine Krone (Tiara), eigene Briefmarken, eigenes Geld (der Vatikan darf Euro-Münzen in Umlauf bringen), eine Art Armee (rund 100 Mann der Schweizergarde), einen Radiosender (Radio Vaticana), eine Fernsehzentrum (Centro Televisio Vaticano), eine Tageszeitung (L'Osservatore Romano), eine eigene Bank und so weiter - fehlt eigentlich nur die Prinzessin, wäre man geneigt zu sagen.

Der Papst hält als weltlicher Herrscher eine Machtfülle in Händen, von denen jeder andere Monarch Europas nicht einmal im Geheimsten träumen darf: er ist Inhaber der exekutiven, legislativen und judikativen Gewalt. Zudem besitzt er das Medienmonopol, organisierte Parteien existieren keine, lediglich eine kleine und weitgehend bedeutungslose Gewerkschaft.

Mit der Wahl zum Kirchenoberhaupt durch das Kardinalskollegium beginnt auch seine Amtszeit als Souverän des Kirchstaates. Wahlberechtigt sind alle Kardinäle bis 80 Jahre. Die Wahl erfolgt geheim und mit Zweidrittelmehrheit. Gewählt wird der Papst auf Lebenszeit. Eine vorherige Abdankung ist zwar möglich, Gebrauch gemacht hat davon aber zuletzt Papst Cölestin V. im Jahr 1294.

Nun ist der Papst zwar ein absoluter Herrscher, aber wie jedes Staatsoberhaupt verfügt auch er über einen Regierungs- und Verwaltungsapparat. Allerdings muss hier unterschieden werden zwischen den Belangen, die die Kirche betreffen und dem Staat Vatikanstadt. Die "Regierung" der Kirche wird gebildet durch das Staatssekretariat, neun Kongregationen, drei Gerichtshöfe, eine Reihe von Päpstlichen Räten und Büros. An der Spitze des Staatssekretariats steht ein Kardinalsstaatssekretär, der als höchster Repäsentant aller politischen und diplomatischen Aktivitäten de facto die Rolle eines Ministerpräsidenten einnimmt. Die Kongregationen kann man mit Ministerien vergleichen.

Die Verwaltung des Stadtstaates liegt in den Händen der Päpstlichen Kommission für den Staat Vatikanstadt. Sie besteht aus fünf Kardinälen, von denen einer als Kommissionspräsident fungiert, einem geistlichen Sekretär und einem weltlichen Sonderbeauftragten.

Die Mitglieder der Kurie und der Kommission werden auf fünf Jahre vom Papst ernannt und unterstehen seinem Primat.

Das in republikanisch-weltlichen Augen anachronistisch anmutende monarchisch-religiöse System ist im so genannten Staatsgrundgesetz verankert - sozusagen der Verfassung. Verabschiedet wurde es zeitgleich mit der Ratifizierung der Lateranverträge im Jahr 1929, in denen die Beziehungen zwischen Italien und dem souveränen Vatikanstaat geregelt sind.

In diesen Verträgen wurde dem Kirchenstaat auch die internationale Souveränität eingeräumt. Diese mutet annähernd so kompliziert an, wie der innere Aufbau des Vatikans. Denn auch hier gilt zu unterscheiden zwischen dem Staat Vatikanstadt und der Institution des Heiligen (auch Apostolischen) Stuhls. Beide Gebilde sind völkerrechtlich anerkannt - doch während der Staat Vatikanstadt als rein weltliches Gebilde zu verstehen ist, umfasst der Begriff Heiliger Stuhl den religiösen Charakter, sprich die Funktion des Papstes als Kirchenoberhaupt. Und eigentlich agiert er auch nur in dieser Funktion als "global player". So ist der Heilige Stuhl Vollmitglied bei der OSZE und der IAEA, ist bei der UNO, der EU, der WTO und der OAS durch Beobachter und beim Europarat durch einen Sonderbeauftragten vertreten und unterhält diplomatische Beziehungen zu 173 Staaten (Stand: 2003). Der Staat Vatikanstadt als weltliches Gebilde ist hingegen lediglich Mitglied des Weltpostvereins sowie der Internationalen Fernmeldeunion. Die Erklärung für diese strikte Trennung: es geht in erster Linie um die Belange der katholischen Kirche weltweit.

Bleibt die Frage, warum braucht die römisch-katholische Kirche beziehungsweise der Papst und die Kurie eine eigene weltliche "Heimstätte", in der sie schalten und walten kann nach eigenem Gusto? Die Erklärung ist simpel und plausibel: Das erklärte Ziel ist die Unabhängigkeit des Papstes von anderen weltlichen Mächten - schließlich gelten für die Kirche und den Papst eine Art Neutralitätsgebot zwischen politischen Streitparteien.

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