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Alexander Weinlein
Das Duell der zwei Schwerter
Das schwierige Verhältnis von weltlicher
und geistlicher Macht
"Wieviele Divisionen hat der Papst?", soll der
sowjetische Diktator Josef Stalin während der Konferenz von
Jalta im Februar 1945 gefragt haben, als der britische
Premierminister Winston Churchill und US-Präsident Franklin D.
Roosevelt eine Beteiligung des Oberhauptes der katholischen Kirche
an der politischen Neuordnung Europas vorgeschlagen hatten. Der
ehemalige Generalsekretär der KPdSU, Michael Gorbatschow,
bewertete rund 50 Jahre später die politische Macht des
Vatikans weniger spöttisch: "Ohne Johannes Paul II. wäre
die Wende in Osteuropa nicht möglich gewesen."
Nein, über Divisionen verfügen die
Päpste der Neuzeit schon lange nicht mehr - auch die
himmlischen Heerscharen werden nicht aufmarschieren, selbst wenn es
der Stellvertreter Christi auf Erden wünschen würde, und
auch die rund 100-köpfige Schweizergarde ist kein
Instrumentarium des Krieges. Die Macht des Papstes liegt in seinen
Worten - zumindest dann, wenn die Bereitschaft besteht, ihnen zu
folgen.
Das Verhältnis von Religion zur Politik
war seit jeher kompliziert. Geistliche und weltliche Führer
gingen bis in die Neuzeit mal Hand in Hand, mal machten sie sich
das Leben gegenseitig schwer. So musste beispielsweise der
amerikanische Präsident George W. Bush die Erfahrung machen,
dass das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche ein sehr
unangenehmer Widerpart sein kann. Johannes Paul II. nahm sich die
Bush-Administration beziehungsweise ihre Irak-Politik mit
deutlichen Worten vor.
Diplomatie des Papstes
Bereits in seiner Weihnachtsbotschaft 2002
rief er dazu auf, "das unheilvolle Flackern der Gewalt
auszulöschen". Kurz darauf betonte der neu ernannte
Präsident des päpstlichen Rates "Justitia et Pacis"
(Gerechtigkeit und Frieden), Erzbischof Renato Martino, mit Bezug
auf die Kriegspläne der USA, einem Aggressionskrieg auch unter
dem Vorzeichen der Prävention, fehle jede Legitimität und
falle nach der kirchlichen Lehre nicht unter den Begriff des
"gerechten Krieges".
Johannes Paul II. bemühte sich redlich,
einen Waffengang an Euphrat und Tigris zu verhindern. In
Privataudienzen empfing er unter anderem UN-Generalsekretär
Kofi Annan und demonstrativ auch den irkaischen Außenminister
Tarik Aziz - ein Christ. Als Sondergesandten schickte er den
französischen Kardinal Roger Etchegaray Mitte Februar 2003
nach Bagdad und forderte Saddam Hussein zur besseren Zusammenarbeit
mit den UN-Waffeninspektoren auf. Anfang März ließ er
Kurienkardinal Pio Laghi dem US-Präsidenten eine Warnung vor
einem militärischen Alleingang im Irak zukommen, und Mitte
März erinnerte er die Staaten im UN-Sicherheitsrat daran, dass
der Einsatz von Gewalt das "letzte Mittel" bleiben müsse.
Außer für die betroffenen Menschen könne der Krieg
auch für das politische Gleichgewicht im Nahen Osten und die
Ausbreitung des Extremismus "schreckliche Folgen" haben. Wie
wahr.
Die Warnungen aus Rom haben den Krieg nicht
verhindern können und so mag die zynische Bemerkung Stalins
über die Ohnmacht des Papstes berechtigt erscheinen. Aber in
Washington dürfte man alles andere als "amused" gewesen sein
über die päpstliche Schelte aus Rom. Schon gar nicht mit
Blick auf die anstehenden Präsidentschaftswahlen, in denen ein
Katholik, John F. Kerry, das Weiße Haus erobern will. In den
USA, die sich als "god's own country" verstehen und die Religion
eine noch viel ausgeprägtere Rolle spielt als hierzulande, in
einem Land, in dem der Präsident nach jeder großen Rede
den Segen Gottes für die Nation erbittet, ist ein Rüffel
des Papstes keine Kleinigkeit. Immerhin sind rund 61 Millionen der
285 Millionen US-Amerikaner Katholiken. Kerry wiederum zieht sich
aber auch den Unwillen des Vatikans zu, wenn er für eine
liberale Politik gegenüber Homosexuellen und der Abtreibung
eintritt.
Innerhalb der christlichen Welt war das
Verhältnis zwischen Papst und den großen weltlichen
Führern von Anfang an gespannt. Der Grund hierfür ist
zunächst einmal ein biblischer. Im Lukas-Evangelium (22.
Kapitel) wird folgender Wortwechsel zwischen Christus und seinen
Jüngern wiedergegeben: "Da sagten sie: Herr, hier sind zwei
Schwerter. Er erwiderte: Genug davon!". Dies gilt als
Schlüsselstelle für die Entstehung eine Lehre, die das
Verhältnis zwischen geistlicher und weltlicher Macht bis in
die frühe Neuzeit nachhaltig prägen sollte - die Lehre
der zwei Schwerter. Sie besagt, dass Christus allein der Herr der
Christenheit ist. Er bestimmte zwei Mächte - die weltliche und
die geistliche - zur Regierung der Welt. Symbolisiert wurden diese
Mächte eben durch die zwei Schwerter. Beide habe Jesus
Christus dem Heiligen Petrus übergeben, damit er das
geistliche selbst führe und das weltliche an die Fürsten
- allen voran den Kaiser - übergebe. In letzter Konsequenz
hieß dies, dass die weltliche Macht eine von der geistlichen
Macht verliehene ist und somit auch wieder entzogen werden kann:
Königtum von Gottes Gnaden.
Der Gang nach Canossa
Vor allem zwischen den deutschen Königen
beziehungsweise Römischen Kaisern und dem Papst wurde diese
Thematik zu einem Dauerbrenner. Er eskalierte erstmals zwischen
Papst Gregor VII. und dem deutschen König Heinrich IV. im
Investiturstreit. Heinrich wollte den Papst absetzen lassen, der
Papst verhängte den Kirchenbann über seinen Widersacher.
Das Duell der beiden Schwerter gipfelte im theaterreifen und bis
heute sprichwörtlichen "Gang nach Canossa". Heinrich beugte
sein Knie vor Gregor. Wirklich beigelegt wurde der Konflikt jedoch
nicht.
Selbst zu Zeiten Napoleons sollte er noch
einmal zum Vorschein kommen. Als er sich am 2. Dezember 1804 in
Paris zum Kaiser der Franzosen im Beisein von Papst Pius VII.
krönen ließ, setzte er sich die Krone selbst auf's Haupt.
Eine klare Absage an das Prinzip der monarchischen Gewalt von
Gottes Gnaden.
In der heutigen Zeit spielen solche Konflikte
keine Rolle mehr und Päpste belegen Staatsoberhäupter
auch nicht mehr mit dem Kirchenbann. Aber Konfliktpotential
zwischen Kirche und Staat gibt es in Hülle und Fülle. Die
Diskussionen über die Frage, ob in Deutschlands Schulzimmern
ein Kruzifix an der Wand hängen oder eine muslimische Lehrerin
mit Kopftuch - als Zeichen ihrer freien Religionsausübung -
unterrichten darf, sind nur zwei Beispiele.
Der Autor ist Redakteur der Wochenzeitung
"Das Parlament".
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