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Sabine Rennefanz
Wie aus der Seifenoper: Die Königsfamilie
als Medien-Stars
Die Symbolkraft des englischen Königshauses
ist groß
Ausgerechnet eine Frau mit deutschen Wurzeln steht der
ältesten und traditionsreichsten Regierungsinstitution
Großbritanniens vor. Bis zum Ersten Weltkrieg wurde das Land
von der Dynastie Sachsen-Coburg-Gotha regiert, bis man den Namen
wegen der deutschfeindlichen Stimmung in Windsor umtaufte.
Königin Elizabeth II. ist mit dem deutschstämmigen Philip
Mountbatten, später Philip von Edinburgh, verheiratet. Sie ist
das offizielle Staatsoberhaupt einer parlamentarisch-demokratischen
Erbmonarchie von Großbritannien. Obwohl die Monarchin pro
forma Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und volles
Konsultationsrecht genießt, ist sie politisch bedeutungslos.
Selbst diejenigen Personen, die von der Queen zum Ritter geschlagen
werden oder den Orden des Empires verliehen bekommen, sucht sie
nicht selbst aus, sondern der Premierminister.
Dennoch sollte man die Symbolkraft des englischen
Königshauses nicht unterschätzen: Besonders die
Königin selbst personifiziert für einen Großteil der
Briten Kontinuität und Stabilität. Sie hat in über
52 Jahren Herrschaft die Fähigkeit erworben, sich in die
Umstände zu fügen - und mögen sie noch so widrig
sein. Sie gilt als Bewahrerin von Tugenden wie Pflichtbewusstsein,
Aufrichtigkeit und Zurückhaltung. Die alten Gebräuche,
seien es die Parlamentseinweihung, die sommerlichen Gartenpartys im
Buckingham Palace oder prunkvolle Staatsempfänge, gehören
zum gesellschaftlichen Leben Großbritanniens dazu. Sie sorgen
in Zeiten von Globalisierung, Terrorgefahr und wirtschaftlicher
Unsicherheit für Identifikation und Sicherheit. Wie emotional
die Briten ihren Traditionen verbunden sind, konnte man jüngst
bei den gewalttätigen Protesten gegen das Verbot der
traditionellen Fuchsjagd beobachten. Es ist unwahrscheinlich, dass
es zu einer ernsthaften Diskussion über die Abschaffung der
Monarchie zu Lebzeiten der 78 Jahre alten Regentin kommt.
Die Windsors haben in den vergangenen 15 Jahren massive
Veränderungen und die Verbürgerlichung des Lebensstils
verkraften müssen. Ein Wendepunkt war das Scheitern der Ehe
von Kronprinz Charles und Prinzessin Diana. Buckingham Palace
verlor Prinzessin Diana, die der oft verstaubt und veraltet
wirkenden englischen Monarchie ein modernes medientaugliches
Antlitz verliehen hatte, an die High Society. Und nicht nur das.
Die Königin selbst sprach vom "annus horribilis", dem
schrecklichen Jahr 1992, in dem sich auch zwei weitere der
Königskinder von ihren Ehepartnern trennten, Thronfolger
Charles beim unappetitlichen Telefon-Flirt mit seiner Geliebten
Camilla Parker-Bowles belauscht wurde und ein Großbrand
Schloss Windsor verwüstete.
Auch die Wahrnehmung durch die Medien hat sich verändert.
Die Royals wurden nicht mehr als mächtige Hoheiten
respektiert, sondern sind zu Medien-Stars geworden, auf einer Stufe
mit den Helden aus der Lieblings-Fernsehserie, die ihre Rollen je
nach Charakter und Geschick ausfüllen. Es gab kein Mitglied
der königlichen Familie, das nicht irgendwelche Dummheiten
anstellte. Die Medienfirma von Elizabeths drittgeborenem Sohn
Andrew ging Pleite, die Frau von Prinz Edward, Sophie, ruinierte
ihre PR-Karriere, als sie vor Journalisten über die Queen
lästerte. Prinz Charles machte zuletzt Schlagzeilen, als
herauskam, dass er königliche Geschenke verkaufen
ließ.
Als Prinzessin Diana 1997 bei einem Autounfall in Paris starb,
löste das eine ungekannte nationale Trauerhysterie aus. Je
mehr sie als Heilige glorifiziert wurde, umso stärker gerieten
die Queen persönlich und ihr als unmodern und in Tradition und
Volksferne erstarrt geltendes Königshaus unter Druck. Der
Essayist Tom Nairn analysierte: "Die Monarchie ist der Kern des
'britischen Problems': die Nostalgie für das verlorene Empire,
der Erhalt der Klassengesellschaft und der bestehende
Pseudo-Nationalismus." Briefe wurden gefunden, in denen Diana
darüber fantasierte, dass Charles sie umbringen wolle. Noch
heute bewegen die Briten unzählige Verschwörungstheorien
über den Tod der Prinzessin. Wie eine Untote geistert sie
durch die Medien. Wenn Diana auf dem Titel erscheint, so eine
Faustregel der Boulevardchefredakteure, steigt die Auflage um rund
ein Fünftel. Um die Diskussionen zum Schweigen zu bringen,
findet in diesem Jahr eine offizielle polizeiliche Untersuchung
über die Umstände des Unfalls von Paris statt.
Seit dem Tod Dianas mag die Beziehung zwischen Medien und
Buckingham Palace nicht besonders herzlich sein, aber man
weiß, man braucht einander. Nicht zuletzt, weil die Monarchie
jüngst wieder einen Aufschwung im Ansehen der Untertanen
feierte. Sehen konnte man das nach dem Tod der Königinmutter
im Frühjahr 2002, als Tausende von Menschen Stunde um Stunde
in der Kälte warteten, um ihr den letzten Dienst zu erweisen.
Oder auch bei dem 50. Thronjubiläum Elizabeths im August des
Jahres: Millionen Menschen nahmen an den Feierlichkeiten in Londons
Zentrum teil und jubelten der Königsfamilie zu.
"Großbritannien hat das Land von Hoffnung und Ruhm wieder
entdeckt", schrieb die konservative Zeitung "Daily Mail"
überrascht unter Bezug auf jene patriotische Hymne ("Land of
Hope and Glory") von Edward Elgar, die die Menschen auf der Mall
vor dem Palast sangen, um der Queen auf dem Balkon zuzujubeln. "Die
Königin hat ihre Fähigkeit bewiesen, nicht nur eine
Konstante zu sein, sondern sich auch mit der Zeit zu
verändern."
Tatsächlich gibt es Zeichen, dass die britische Monarchie
aus den Skandalen der vergangenen Jahre gelernt hat. Eines ist
beispielsweise die Transparenzmachung der Finanzen. Wichtigste
Geldquelle von
Queen Elizabeth II. ist die "Civil List", ihre Apanage, die vom
Parlament alle zehn Jahre festgelegt wird. Derzeit und noch bis
2011 beläuft sie sich auf 9,9 Millionen Pfund im Jahr.
Insgesamt beläuft sich der Betrag der aus verschiedenen
öffentlichen Kassen finanzierten Ausgaben des königlichen
Haushaltes auf 36,8 Millionen Pfund - 1991/92 waren das noch 87
Millionen. Seit neun Jahren zahlt die Königin zudem Steuern
auf private Einnahmen aus den königlichen Besitztümern.
Im Steuerjahr 2003/2004 waren das 170 Millionen Pfund.
Auch Prinz Charles konnte mit der Veröffentlichung seiner
Finanzen sein Image etwas aufbessern. Jahrelang war der
"Thronfolger in Dauerwartestellung" wegen seines verschwenderischen
Lebensstils in der Kritik. Nun versucht er sich als
Wohltätigkeitsveranstalter zu profilieren, der im Jahr nach
eigenen Angaben 100 Millionen Pfund aufbringt. In seinem
jährlichen Report wurde auch erstmals seine
Lebensgefährtin Camilla Parker-Bowles, mit er seine Londoner
Residenz Clarence House teilt, erwähnt. Für Beobachter in
Großbritannien war das ein Zeichen dafür, dass Camilla
endgültig als Mitglied der Familie wahrgenommen wird. Selbst
eine Heirat, lange Tabu, scheint nicht mehr ausgeschlossen. Die
Church of England ließ durchblicken, dass man sich im Falle
des Falles nicht widersetzen werde. Bisher war es dem Thronfolger
und künftigen Oberhaupt der anglikanischen Kirche verboten,
sich nach einer Scheidung neu zu verheiraten. Doch es ist unklar,
ob Prinz Charles jemals den Thron besteigen wird. Wenn seine Mutter
die guten Gene ihrer Mutter geerbt hat, lebt sie noch 20 Jahre.
Dann wäre Prinz Charles 76 Jahre alt. Passender Kandidat
wäre dann die Nummer zwei in der britischen Thronfolge, sein
ältester Sohn William. Er hat bisher keinen Zweifel daran
gelassen, dass er seine königlichen Pflichten wahrnehmen
möchte. Bis 2005 studiert er an der schottischen
Universität St. Andrews Kunstgeschichte. Danach, so heißt
es aus dem Palast, wird er einen zivilen Beruf ergreifen und nicht,
wie unter Thronfolgern bisher üblich, zum Militär gehen.
Diese Karriere ist seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Harry
vorbehalten, der sich derzeit auf den Eintritt in die
Streitkräfte vorbereitet.
Die Prinzen verkörpern das neue, moderne Gesicht der
britischen Monarchie. Sie haben von einer relativ normalen
Erziehung durch ihre Mutter profitiert. Beide eroberten die Herzen
der Briten durch ihr soziales Engagement, das sie bei ausgedehnten
Auslandsaufenthalten in Südamerika (William) und Afrika
(Harry) zeigten. Bei den Feiern des 50. Thronjubiläums der
Queen vor zwei Jahren kommentierte der "Daily Mirror", der lauteste
Jubel habe William und Harry gegolten. "Die Monarchie ist für
zwei weitere Generationen gesichert. Das hätte man vor wenigen
Jahren nicht zu sagen gewagt."
Sabine Rennefanz ist London-Korrespondentin für die
"Berliner Zeitung".
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