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Das Parlament
Nr. 43 / 18.10.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Peter Burghardt

Im Zweifel gegen das Protokoll

Die spanische Monarchie als Geburtshelfer der Demokratie
Die Welt sah zu, als Spanien am 22. Mai die Hochzeit des Jahres beging, wie Thronfolger Felipe de Borbon y Grecia und die vormalige Nachrichtensprecherin Letizia Ortiz Rocasolano vor den Traualtar traten und anschließend im Rolls-Royce durch Madrid fuhren. Am Ort litt die Stimmung zwar unter dem Dauerregen, der erst aufhörte, als der alte Prinz von Asturien und die neue Prinzessin von Asturien mit 1.400 Monarchen, Präsidenten, Regierungschefs und sonstigen Auserwählten im Königspalast das Festessen einnahmen. Nach monatelangen Vorbereitungen mit umfangreichem Marketing erlebte das Königshaus und mit ihm die Gesellschaft dennoch einen Höhepunkt.

Einige Spanier kritisierten den immensen Aufwand des Spektakels, dessen Kosten von mindestens 20 Millionen Euro zum Teil Staat und Kommune übernahmen. "Ich war auch nicht zu der Hochzeit eingeladen, habe sie aber mitbezahlt", stand auf schwarzen T-Shirts verärgerter Steuerzahler. Erzmonarchisten wiederum zweifeln an der Eignung der gelernten Journalistin Letizia, die obendrein schon einmal verheiratet war und sich erst mit dem katholischen Glauben befassen musste. Die meisten Interessenten allerdings waren zufrieden, manche sogar erleichtert, dass nach seinen Schwestern Elena und Cristina nach 36 Jahren endlich auch Kronprinz Felipe in den Hafen der Ehe einlief. Seine letzte Freundin, ein norwegisches Dessous-Modell, hatten seine Eltern ja entsetzt abgelehnt. Der Festakt bewies, dass die königliche Familie beim Volk einen hervorragenden Ruf genießt. Das gilt vor allem für Juan Carlos. Nach Umfragen halten ihn 84 Prozent der Spanier für einen guten bis sehr guten König.

Das Image musste sich der Bourbone mühsam erkämpfen. Zunächst war er der Schützling des Diktators Francisco Franco, der im Bürgerkrieg 1936 bis 1939 die Republik gestürzt hatte. Der kleine Prinz war zwar im Exil aufgewachsen, kehrte aber als Jugendlicher nach Spanien zurück und wurde von Franco später zum Nachfolger nach seinem Tod bestimmt. Zwei Tage, nachdem der Caudillo am 20. November 1975 entschlief, wurde der Erbe im Parlament gekrönt, als erster König nach seinem Großvater Alfonso XIII., den 1931 die Republik vertrieben hatte. "Willst du eine franquistische Monarchie retten?" fragte sein Vater Don Juan, dem der Thron dynastisch zugestanden hätte und der erst 1977 seinen Verzicht erklärte. Der Sohn wollte - nur anders, als Franco es vorgesehen hatte. "Die Institution, die ich personifiziere, integriert alle Spanier", erklärte Juan Carlos I. bei seiner Antrittsrede, dabei war damals und ist heute noch gelegentlich von "den zwei Spanien" die Rede, dem linken und dem rechten, dem progressiven und dem konservativen.

Der König war Geburtshelfer der Verfassung, die am 6. Dezember 1978 per Referendum angenommen wurde, und ist seit mehr als 25 Jahren ihr oberster Verteidiger. Die größte Gefahr bannte er, als am 23. Februar 1981 wildgewordene Militärs putschten. In einer dramatischen Fernsehansprache rief Seine Hoheit als Oberbefehlshaber die Streitkräfte die Meuterer in die Kasernen zurück. Prinz Felipe, damals 13, soll jene Nacht in Papas Arbeitszimmer verbracht haben, auf dass er in jungen Jahren Krisenmanagement lerne. Über die gescheiterte Revolte gibt es unterdessen allerhand Verschwörungstheorien, der beherzte Einsatz für die Demokratie jedenfalls überzeugte seinerzeit auch Kritiker. Der König habe das republikanische Exil und die Opposition für sich gewonnen, lobte Kommunistenführer Santiago Carrillo. Anfangs hatte Carrillo noch gespottet, Juan Carlos (1,90 Meter) werde als "der Kurze" in die Geschichte eingehen.

Erst vor solchen Hintergründen erschließt sich die aktuelle Bedeutung der Monarchie, die in Spanien eine Jahrhunderte lange Tradition hat und nur 44 Jahre unterbrochen war. Die unmittelbaren Befugnisse sind ja beschränkt. "Die politische Form des spanischen Staates ist die parlamentarische Monarchie", heißt es in Artikel 1, Absatz 3 der Verfassung. Artikel 56 macht den König als Staatschef zum "Symbol von Einheit und Kontinuität", allerdings auch zu einer Art Schiedsrichter der Institutionen und obersten Repräsentanten in den internationalen Beziehungen. Er ist Anführer der Armee, billigt und verkündet die vom Parlament beschlossenen Gesetze, schreibt Wahlen aus, kann das Parlament auflösen, schlägt den Regierungschef vor und ernennt die Mitglieder des Kabinetts. Das sind jedoch nur Formalitäten. El Rey, die Nummer eins von 398 spanischen Granden und 2.723 weiteren Adligen, mischt sich kaum ins Tagesgeschäft ein. Die Entscheidungen fällen der Premier, nunmehr der Sozialist Jose Luis Rodriguez Zapatero, seine Minister und das Parlaments. Auch die Entsendung von Truppen durch den damaligen Ministerpräsidenten Jose Maria Aznar in den Irak hielt er nicht auf, obwohl 90 Prozent der Spanier dagegen waren. Dennoch haben sein Wort und seine Gesten Gewicht, vor allem in schweren Zeiten.

Juan Carlos eilte nach der Tankerkatastrophe an die galicische Küste, nicht Aznar. Er war der wichtigste Tröster nach Eta-Attentaten, dem Absturz von Soldaten und vor allem den Madrider Bomben vom 11. März, dem schlimmsten Terroranschlag der europäischen Geschichte mit 191 Toten und mehr als tausend Verletzten. "Der König leidet mit euch allen", verkündete er bei seinem TV-Auftritt. Beim Gottesdienst in der Almudena-Kathedrale liefen ihm, Königin Sofia und den Kindern Tränen übers Gesicht, nach der Zeremonie schüttelten sie den Angehörigen der Opfer lange die Hände. Die bewegenden Szenen festigten seinen Ruf als Vater der Nation, der auf Protokolle im Zweifel keinen Wert legt.

König als Kumpel

Ansonsten ist die Casa Real ein Unternehmen, das der Staat jährlich mit offiziell ungefähr sieben Millionen Euro aus dem Haushalt finanziert. Angeblich steht dahinter auch ein umfangreiches Vermögen. Residenz ist das Jagdschloss Palacio de Zarzuela am Rande Madrids, in der Nähe wohnt Felipe, der seinen Vater zur täglichen Besprechung trifft. Staatsakte finden im Königspalast oder den Sommerpalästen statt. Die Rollen und Aufgaben der Familienmitglieder sind exakt verteilt. Felipe und Letizia tragen den Titel Prinzen von Asturien, wobei Letizia nach anfänglichen Versuchen der Emanzipation mittlerweile brav hinter dem Gemahl zurück steht. Elena und Jaime de Marichalar sind die Herzöge von Lugo, Cristina und Inaki Urdangarin (wohnhaft in Barcelona) die Herzöge von Palma de Mallorca, in der Verfassung kommen die Königskinder aber nicht vor. Die Organisation der Firma Königshaus leitet ein vormaliger Staatsekretär aus dem Außenministerium. Skandale werden anders als in Großbritannien von den Medien weitgehend verschwiegen und kompromittierende Fotos in der Regel nicht gedruckt, dabei galt der Hausherr früher als Freund der Nacht. Bekannt sind außerdem seine Leidenschaften für schnelle Motorräder und Schiffe.

Die meisten Spanier schätzen seine unkomplizierte, zuweilen sehr direkte Art, es gibt darüber Anekdotensammlungen. Allerdings wirkte der Kumpel König, 66 Jahre alt, zuletzt mitunter müde. Gerüchte über vermeintliche Krankheiten machen insgeheim immer wieder das Thema Thronfolge aktuell. Dynastisch ist dies eindeutig geregelt, Nachfolger wird der ausgezeichnet ausgebildete und polyglotte Kronprinz Felipe, der dann Felipe VI. hieße - als erster Bourbone hatte 1701 Felipe V. den Thron bestiegen. Nummer zwei wäre die Infantin Elena, seine ältere Schwester. Das wollen die Sozialisten ändern, indem sie das Recht des Erstgeborenen einführen. Dazu müsste jedoch die Verfassung reformiert werden, was kompliziert wird. Vorläufig wartet die Nation darauf, dass Prinzessin Letizia bald einen künftigen Kronprinzen zur Welt bringt.

Peter Burghardt ist Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung" in Madrid.

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