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Walter Haubrich
Juan Carlos rettete Spanien vor Anhängern
seines Ziehvaters Franco
Die Rolle des Königs während des
Militärputsches 1981
Ausländische Politiker haben häufig übertrieben,
wenn sie bei Besuchen in Spanien etwas freundliches über den
König Juan Carlos sagen wollten. Sie sprachen dann "vom jungen
König, der den Spaniern die Demokratie geschenkt hat." Die
Demokratie - nach vier Jahrzehnten Diktaktur - wurde den Spaniern
natürlich nicht geschenkt; das spanische Volk - zumindest ein
großer Teil - hat sich die Rechte und Freiheiten
erkämpft.
Doch hat Juan Carlos manches dazu beigetragen, um den
Übergang zu einem demokratischen System zu ermöglichen.
In einem entscheidenden Moment, am Abend des 23. Februars 1981,
hatte er den Ausschlag gegeben, um einen militärischen
Staatsstreich gegen die Demokratie zum Scheitern zu bringen.
Der Diktator und General Francisco Franco hatte den Prinzen Juan
Carlos, Sohn des eigentlichen Thronfolgers Don Juan von Bourbon,
ausgewählt, sein Nachfolger im Amt des Staatschefs zu werden.
Juan Carlos war im Spanien Francos erzogen worden, und er musste zu
Lebzeiten des Diktators dessen Politik mitrepräsentieren, ohne
aber bei irgendeiner politischen Entscheidung Francos gefragt oder
konsultiert zu werden. Viele Spanier glaubten zunächst, der
Prinz werde die Politik Francos weiterführen. Doch hatte Juan
Carlos, schon bevor er den Thron bestieg, ausländischen
Freunden gesagt, er wolle König in einer Demokratie sein, so
"wie der Bundespräsident Staatschef in Deutschland ist". Auch
hatte der Prinz - gewöhnlich über Mittelsmänner -
Kontakte zu demokratischen Politikern aufgenommen, unter ihnen
Vertreter der in der Diktatur illegalen Parteien.
Dem zuerst von ihm ernannten Ministerpräsidenten Adolfo
Suárez - Reformer aus dem Franco-Regime - hatte er seine
Vorstellungen über eine Umwandlung Spaniens in einen
demokratischen Staat mitgeteilt. Doch weder der König noch
Suárez hatten einen Plan. Sie ließen sich von den
Ereignissen wie den Demokratie fordernden Demonstrationen oder den
Verhandlungen mit Politikern der Linken und der Mitte leiten. Dabei
mussten sie mit dem Widerstand der Rechtskonservativen und
antidemokratischen Gruppen und Institutionen rechnen, die jede
Reform ablehnten. Das waren in erster Linie die Streitkräfte,
Inhaber der realen Macht im Lande; sie waren vom Diktator nicht nur
zum Kampf gegen den Marxismus erzogen worden, vielmehr auch zur
Abwehr der parlamentarischen Demokratie, von Franco abschätzig
"Demoliberalismus" genannt.
Der König und Suárez haben, auch mit Erfolg, die
Führer der linksgerichteten Parteien um Verständnis
für ihre Rücksicht auf die so genannten faktischen
Mächte ersucht, zu denen auch ein großer Teil der
Wirtschaft und des Finanzkapitals gehörte. Der Verband der
Bürgerkriegsveteranen und extreme Gruppen der ehemaligen
Einheitspartei "Falange" organisierten konspirative Treffen gegen
den Aufbau der Demokratie. Ihre Anführer wie der frühere
Arbeits- minister Girón und andere, die unter Franco in kurzer
Zeit sehr reich geworden waren, veröffentlichten Artikel voll
drohender Andeutungen über einen notwendigen Schlag gegen die
Demokratie, die "Spaniens geheiligte Traditionen" in Gefahr bringe,
zu Unruhen und "allgemeinem Sittenverfall" führe.
König von Francos Gnaden
Dem König kam in jenen schwierigen Zeiten zugute, dass er
über eine doppelte Legitimität verfügte. Für
die große Mehrheit der Spanier war er legitimer Staatschef,
weil die Bevölkerung in einer Volksabstimmng die
parlamentarische Monarchie als Staatsform akzeptiert hatte. Den
rechtsextremen und frankistischen Teil der Militärs
interessierte weder die demokratische Verfassung noch die
Bestätigung von Juan Carlos durch eine große Mehrheit des
spanischen Volkes; für sie war Juan Carlos der von Franco
ausgesuchte Nachfolger, König durch den Willen und von Gnaden
Francisco Francos. Die Verschwörer, die am 23. Februar 1981
putschten und das Parlament von der militarisierten
Guardia-Civilpolizei besetzen ließen, versicherten, um
Mitkämpfer zu gewinnen, der König sei über den
Staatsstreichversuch informiert und mit dem Plan einverstanden.
Manche Generäle und Admiräle, unter ihnen
Oberkommandierende der einzelnen Militärregionen, sagten den
Anführern der Verschwörung deshalb ihre
Unterstützung zu, vergaßen diese Zusage aber gleich
wieder, als Juan Carlos I. in einer kurzen Fernsehansprache den
Putsch verurteilte.
Am Abend des 23. Februar 1981 warteten 40 Millionen Spanier
viele Stunden auf ihren König und Staatschef. Juan Carlos I.,
seit gut fünf Jahren König von Spanien, war als einziger
innerhalb der Führungsspitze des Staates auf freiem Fuß.
Regierungschef Suárez, das gesamte Kabinett und die
gewählten Abge-ordneten wurden von Angehörigen der
Guardia Civil im Kongressgebäude festgehalten. Am späten
Nachmittag dieses 23. Februars war das geschehen, was viele seit
Jahren befürchtet hatten: Ein Teil der spanischen
Streitkräfte hatte sich gegen den jungen demokratischen Staat
erhoben. Rundfunk- und Fernsehsender waren von den
Aufständischen besetzt; in der großen Region Valencia
hatten die Militärs schon die zivilen Behörden entmachtet
und die Panzer auf die Straße geschickt; in anderen
Städten und Regionen war die Lage unentschieden oder
unklar.
Die erste Nachricht über den Verbleib des Königs kam
mehrere Stunden nach dem Überfall auf das Parlament vom
Regierungschef der autonomen Region Katalonien, Jordi Pujol. Juan
Carlos habe ihm, Pujol, telefonisch gesagt, er arbeite
ununterbrochen für die Rettung der Demokratie. Doch weder
Jordi Pujol noch die Spanier hatten Grund, ruhig zu bleiben.
Mehrere Stunden nach dem Überfall erhielten die
Parlamentsbesetzer Unterstützung von Militärs aus der
Panzerdivision Brunete, die mit Hauptmann Pardo Zancada, wegen
seiner rechtsradikalen Ansichten bekannt, in das Parlament
eindrangen, um dem Überfallkommando unter Leitung von
Oberstleutnant Tejero beizustehen.
Von einer hochschwangeren Abgeordneten, die freigelassen wurde,
erfuhren die draußen wartenden Journalisten, dass die
wichtigsten Parteiführer, unter ihnen der amtierende
Ministerpräsident Suárez, der Chef der sozialistischen
Opposition und spätere Ministerpräsident Felipe
González und der bekannte Eurokommunist Santiago Carrillo, aus
dem Plenum herausgeführt und in einen Nebenraum gebracht
worden waren. Den Beginn der Parlamentsbesetzung konnten die
Fernsehzuschauer außerhalb Spaniens miterleben. Die
Putschisten hatten eine Kamera übersehen und diese nicht, wie
alle anderen, zerschlagen. Von dieser Kamera aus kamen die Bilder
direkt ins spanische Fernsehen und von dort in die Eurovision. Der
Überfall auf das spanische Parlament war so der erste
Putschversuch, der vom Fernsehen direkt übertragen wurde.
Der König wurde genauso wie fast alle anderen Spanier von
dem Überfall auf das Parlament und dem Putschversuch
überrascht. Er und seine engsten Ver-trauten mussten
zunächst herausfinden, wer in ihrer Umgebung, vor allem unter
den Militärs am Königshof, loyal geblieben und wer
möglicherweise in den Staatsstreich verwickelt war. Doch
konnte der König sich schnell versichern, dass wichtige
Militärs wie der Staatschef des Heeres, Generalleutnant
Gabeiras, und der Oberkommandierende der Panzerdivision Brunete
nicht in der Verschwörung steckten.
Juan Carlos telefonierte an diesem bis dahin wichtigsten Abend
seines Lebens auch lange mit seinem Vater, Don Juan von Bourbon in
Lissabon. Don Juan, ein überzeugter Demokrat, riet seinem Sohn
Juan Carlos erwartungsgemäß, mit aller Energie, doch mit
taktischem Geschick sich dem Putsch entgegenzustellen. Das
bedeutete, der König musste mit den Oberkommandierenden der
Militärregionen, die möglicherweise in die
Verschwörung verwickelt waren, sich aber noch nicht offen zum
Putsch bekannt hatten, reden und ihnen deutlich machen, dass der
Staatsstreich auch ein Akt der Meuterei gegen ihn, den König
und Oberkommandierenden der spanischen Streitkräfte,
darstellte.
Der damalige spanische militärische Geheimdienst, "Cesid"
genannt, bestand zur Hälfte aus demokratischen Offizieren und
zur anderen Hälfte aus Putschisten. Die Mitglieder des
Geheimdienstes verbrachten ihre Zeit damit, sich gegenseitig zu
überwachen und zu annullieren. Deshalb konnten sie weder dem
König noch der Regierung stichhaltige Informationen über
die Verschwörung geben. Die Ansprache von Juan Carlos um 01.15
Uhr über das Fernsehen war militärisch knapp, bestand vor
allem aus Befehlen an die aufständischen Generäle und
wiederholte in wenigen, aber eindeutigen Worten "die Treue der
Krone zum demokratischen Prozess und zur Verfassung", die sich das
spanische Volk gegeben hatte. Der Oberkommandierende der Region
Valencia zog daraufhin seine Truppen zurück und wurde ins
Gefängnis eingeliefert. Die Besetzer des Parlaments gaben am
Morgen des 24. Februars auf.
Der König hatte einen Erfolg des Putsches verhindert, und
die Monarchie hatte unter den Spaniern - ein nicht gerade
begeistert monarchistisches Volk - viele neue Freunde gewonnen.
Juan Carlos I. wird jedenfalls mit seiner Leistung in der
Putschnacht als eine der positivsten Figuren unter den spanischen
Königen seinen Platz in der Geschichte des Landes einnehmen.
Auch in Zukunft wird die Popularität der Institution und
Staatsform Monarchie in Spanien vor allem vom Verhalten des
Monarchen abhängen.
Walter Haubrich arbeitete lange Jahre für die "Frankfurter
Allgemeine Zeitung" in Spanien.
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