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Asbjörn Svarstad
"Nett anzusehende Könige mit gutem
Benehmen"
Weil 1905 schnell eine richtige Staatsform
gefunden werden musste, erklärte sich Norwegen zur
Monarchie
Streng genommen hat es der norwegische König Harald einem
Polarforscher zu verdanken, dass er heute zu den wenigen
europäischen Kronenträgern gehört. Denn es war
Fridtjof Nansen, der im Herbst 1905 seine immense Popularität
dazu nutzte, landauf, landab in Vorträgen für die
Errichtung einer norwegischen Monarchie zu plädieren - aus
Sorge um den gerade erst unabhängig gewordenen Staat.
Das bis dato von den Schweden beherrschte Norwegen hatte am 7.
Juni eben dieses Jahres einseitig die Auflösung der
Zwangs-Union verkündet. In einer am 13. August
durchgeführten Volksabstimmung entschied sich zudem die
überwältigende Mehrheit der Wahlberechtigten für die
Selbständigkeit. Dass es überhaupt zu diesem Plebiszit
gekommen war, lag an der eklatanten Fehleinschätzung der
politischen Situation durch den schwedischen Geheimdienst. Die
Norweger würden sich klar gegen die Unabhängigkeit
entscheiden, berichteten die Agenten, und so war die Abstimmung in
Erwartung des sicheren Sieges vom schwedischen König Oscar II.
eben nicht einfach verboten worden. Wie das militärisch hoch
überlegene Schweden auf diese nicht gewollte
Unions-Auflösung reagieren würde, war unklar. Norwegen
musste daher so schnell und von so vielen Ländern wie
möglich völkerrechtlich anerkannt werden - und
entsprechend nach der für diesen Zweck optimalen Staatsform
suchen. Die konnte eigentlich, so erkannten selbst die
ausgewiesenen Republikaner unter den Führungspolitikern des
Landes, nur eine Monarchie sein. Mit Frankreich und der Schweiz
existierten in Europa damals schließlich gerade zwei
Republiken, während die monarchistisch regierten
Großmächte Deutschland, Russland und Großbritannien
keinen weiteren republikanischen Staat in ihrem Einflussgebiet
sehen wollten, da man neue Impulse für die heimischen
Anti-Royalisten fürchtete.
Wen aber sollte man auf die Schnelle zum norwegischen König
machen? Der dänische Prinz Carl aus dem Hause Glücksburg
war in mehrfacher Hinsicht die Idealbesetzung: Er sprach
norwegisch, hatte mit seinem zweijährigen Sohn bereits einen
potenziellen Thronfolger vorzuweisen - und seine Frau Maud war die
Tochter des britischen Königs Edward VII.; die
Unterstürzung des britischen Imperiums wäre Norwegen
sicher gewesen. Der Prinz stürzte sich jedoch nicht begeistert
auf die unerwartete Chance, doch noch König zu werden. Der
spätere Friedensnobelpreisträger Fridtjof Nansen musste
mehrmals nach Kopenhagen reisen, bis Carl schließlich
zustimmte. Allerdings unter einer Bedingung: Der künftige
König wollte durch eine Volksabstimmung legitimiert
werden.
Nachdem sich 79 Prozent der Wahlberechtigten im Plebiszit
für die Monarchie ausgesprochen hatten, wurde Carl am 18.
November 1905 unter dem Namen Håkon V. gekrönt. Knapp 35
Jahre später sollte sich zeigen, wie sehr er bereit war, sein
gewähltes Motto "Alt for Norge" (alles für Norwegen) in
die Tat umzusetzen. Als am 9. April 1940 deutsche Truppen das
neutrale Land angriffen, waren sich Regierung und König sofort
einig: Man würde sich den Nazis nicht kampflos unterwerfen.
Nach 62 Tagen wurden die norwegischen Truppen und ihre britischen,
französischen und polnischen Verbündeten jedoch von der
militärischen Übermacht besiegt. Am 7. Juni 1940 mussten
König Håkon und sein Kabinett auf einem britischen
Kreuzer nach Großbritannien fliehen. Während der
folgenden, fast fünf Jahre dauernden Exilzeit arbeiteten der
Monarch und sein Sohn Olav eng mit der den Widerstand im Heimatland
steuernden "Londonregierung" zusammen, regelmäßig hielt
er über den Sender BBC Radioansprachen an seine unter dem
Terror der Besatzer leidenden Untertanen.
Als Håkon nach Norwegen zurückkehrte, wurde er nicht
nur als König, sondern auch als Volksheld bejubelt. Er wolle
"König aller Norweger" sein, erklärte er umgehend; selbst
ausgesprochene Monarchiegegner erkannten seine Leistungen an.
Der Nachfolger, König Olav, wurde aufgrund seiner
Volksnähe ebenfalls sehr verehrt, obwohl er sehr strenge
Vorstellungen von der Position eines Monarchen hatte. So setzte er
durch, dass die gesetzliche Regelung, nach der das Siezen in
Norwegen abgeschafft wurde, nicht für ihn und seine Familie
gilt - bis heute sind sie die einzigen Menschen, die dort nicht
geduzt werden.
Und als 1968 sein Sohn Harald erklärte, eine
Bürgerliche zur Frau nehmen zu wollen, war der "Folkekongen",
der Volkskönig, über die Maßen entsetzt. Erst als
der Thronfolger erklärte, seine Sonja zur Not auch ohne die
väterliche Zustimmung zu heiraten und dann fortan eben ein
bürgerliches Leben führen zu wollen, knickte Olav ein und
stimmte der Ehe zu.
Seit 1991 heißt der norwegische König nun Harald, und
sein Amt unterscheidet sich nur unwesentlich von dem seines Vaters
und Großvaters. Denn es heißt zwar bis heute im
norwegischen Grundgesetz - übrigens nach jener der USA die
zweitälteste Verfassung der Welt -, dass alle Macht beim
König liegt, allerdings sind die Aufgaben der Monarchen seit
Einführung des Parlamentarismus im Jahr 1848 weitgehend auf
das Repräsentieren beschränkt. König Harald, der wie
seine Vorgänger Oberbefehlshaber der Streitkräfte,
General des Heeres und der Luftwaffe und Admiral der Marine ist,
hat entsprechend kaum Einfluss auf die Tagespolitik. Theoretisch
steht dem König per Gesetz auch die Befugnis zu, den
Staatsminister zu benennen. De facto empfiehlt jedoch bei einem
Regierungswechsel oder Rücktritt der abgehende Staatsminister
dem König, wer sein designierter Nachfolger sein soll - und
der Monarch hält sich an diese Vorgabe.
Immerhin: Gesetze und Beschlüsse der amtierenden Regierung
werden bis heute erst dann gültig, wenn sie vom König ab-
und vom Staatsrat gegengezeichnet wurden. Jeden Freitag
empfängt Harald dazu im Osloer Schloss den Staatsrat - seit
1905 hat jedoch kein norwegischer Monarch seine Unterschrift
verweigert.
Dieses Osloer Stadtschloss ist übrigens nicht Eigentum der
Königsfamilie - wie die meisten anderen von ihr genutzten
Immobilien befindet es sich im Staatsbesitz und wird nur leihweise
zur Verfügung gestellt.
Der Unterhalt dieser Anwesen, ebenso wie die jährliche
Apanage der "Kongefamilie" ist ein offizieller Posten im
Staatshaushalt und wird vom Steuerzahler finanziert. Der reagiert
jedoch zunehmend verstimmt, wenn es um die Ausgaben der Royals
geht. Als das Schloss Oslo in Drammensveien für mehrere
Millionen Euro renoviert wurde, regte sich erstmals Widerstand
gegen die staatliche Finanzierung der Luxussanierung.
Schließlich könne die millionenschwere Königsfamilie
die Kosten auch selber tragen, so die Kritiker. Der
öffentliche Streit endete mit einem Kompromiss und einem
königlichen Zuschuss zu den Kosten - die Zahl der
Monarchiekritiker ist nämlich zum ersten Mal seit 1945
gestiegen. Lag sie nach dem Krieg noch bei 20 Prozent, können
sich nun mehr als ein Drittel der Norweger vorstellen, in einer
Republik zu leben.
Große Anstrengungen, die Monarchie abzuschaffen, werden
jedoch nicht unternommen. "Bequemlichkeitsmonarchisten" nennt der
überzeugte Republikaner Tone Foss Aspevoll seine Landsleute
gern, bisher habe man immer Glück gehabt und "Könige
erwischt, die sich gut benehmen und nett anzusehen sind - aber was,
wenn die künftige Königin, die gerade geborene Ingrid
Alexandra, sich eines Tages als grundsätzlich dumm
entpuppt?"
Asbjörn Svarstad arbeitet als Korrespondet, unter anderem
für das "Dagbladet", in Berlin.
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