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Das Parlament
Nr. 43 / 18.10.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Asbjörn Svarstad

"Nett anzusehende Könige mit gutem Benehmen"

Weil 1905 schnell eine richtige Staatsform gefunden werden musste, erklärte sich Norwegen zur Monarchie

Streng genommen hat es der norwegische König Harald einem Polarforscher zu verdanken, dass er heute zu den wenigen europäischen Kronenträgern gehört. Denn es war Fridtjof Nansen, der im Herbst 1905 seine immense Popularität dazu nutzte, landauf, landab in Vorträgen für die Errichtung einer norwegischen Monarchie zu plädieren - aus Sorge um den gerade erst unabhängig gewordenen Staat.

Das bis dato von den Schweden beherrschte Norwegen hatte am 7. Juni eben dieses Jahres einseitig die Auflösung der Zwangs-Union verkündet. In einer am 13. August durchgeführten Volksabstimmung entschied sich zudem die überwältigende Mehrheit der Wahlberechtigten für die Selbständigkeit. Dass es überhaupt zu diesem Plebiszit gekommen war, lag an der eklatanten Fehleinschätzung der politischen Situation durch den schwedischen Geheimdienst. Die Norweger würden sich klar gegen die Unabhängigkeit entscheiden, berichteten die Agenten, und so war die Abstimmung in Erwartung des sicheren Sieges vom schwedischen König Oscar II. eben nicht einfach verboten worden. Wie das militärisch hoch überlegene Schweden auf diese nicht gewollte Unions-Auflösung reagieren würde, war unklar. Norwegen musste daher so schnell und von so vielen Ländern wie möglich völkerrechtlich anerkannt werden - und entsprechend nach der für diesen Zweck optimalen Staatsform suchen. Die konnte eigentlich, so erkannten selbst die ausgewiesenen Republikaner unter den Führungspolitikern des Landes, nur eine Monarchie sein. Mit Frankreich und der Schweiz existierten in Europa damals schließlich gerade zwei Republiken, während die monarchistisch regierten Großmächte Deutschland, Russland und Großbritannien keinen weiteren republikanischen Staat in ihrem Einflussgebiet sehen wollten, da man neue Impulse für die heimischen Anti-Royalisten fürchtete.

Wen aber sollte man auf die Schnelle zum norwegischen König machen? Der dänische Prinz Carl aus dem Hause Glücksburg war in mehrfacher Hinsicht die Idealbesetzung: Er sprach norwegisch, hatte mit seinem zweijährigen Sohn bereits einen potenziellen Thronfolger vorzuweisen - und seine Frau Maud war die Tochter des britischen Königs Edward VII.; die Unterstürzung des britischen Imperiums wäre Norwegen sicher gewesen. Der Prinz stürzte sich jedoch nicht begeistert auf die unerwartete Chance, doch noch König zu werden. Der spätere Friedensnobelpreisträger Fridtjof Nansen musste mehrmals nach Kopenhagen reisen, bis Carl schließlich zustimmte. Allerdings unter einer Bedingung: Der künftige König wollte durch eine Volksabstimmung legitimiert werden.

Nachdem sich 79 Prozent der Wahlberechtigten im Plebiszit für die Monarchie ausgesprochen hatten, wurde Carl am 18. November 1905 unter dem Namen Håkon V. gekrönt. Knapp 35 Jahre später sollte sich zeigen, wie sehr er bereit war, sein gewähltes Motto "Alt for Norge" (alles für Norwegen) in die Tat umzusetzen. Als am 9. April 1940 deutsche Truppen das neutrale Land angriffen, waren sich Regierung und König sofort einig: Man würde sich den Nazis nicht kampflos unterwerfen. Nach 62 Tagen wurden die norwegischen Truppen und ihre britischen, französischen und polnischen Verbündeten jedoch von der militärischen Übermacht besiegt. Am 7. Juni 1940 mussten König Håkon und sein Kabinett auf einem britischen Kreuzer nach Großbritannien fliehen. Während der folgenden, fast fünf Jahre dauernden Exilzeit arbeiteten der Monarch und sein Sohn Olav eng mit der den Widerstand im Heimatland steuernden "Londonregierung" zusammen, regelmäßig hielt er über den Sender BBC Radioansprachen an seine unter dem Terror der Besatzer leidenden Untertanen.

Als Håkon nach Norwegen zurückkehrte, wurde er nicht nur als König, sondern auch als Volksheld bejubelt. Er wolle "König aller Norweger" sein, erklärte er umgehend; selbst ausgesprochene Monarchiegegner erkannten seine Leistungen an.

Der Nachfolger, König Olav, wurde aufgrund seiner Volksnähe ebenfalls sehr verehrt, obwohl er sehr strenge Vorstellungen von der Position eines Monarchen hatte. So setzte er durch, dass die gesetzliche Regelung, nach der das Siezen in Norwegen abgeschafft wurde, nicht für ihn und seine Familie gilt - bis heute sind sie die einzigen Menschen, die dort nicht geduzt werden.

Und als 1968 sein Sohn Harald erklärte, eine Bürgerliche zur Frau nehmen zu wollen, war der "Folkekongen", der Volkskönig, über die Maßen entsetzt. Erst als der Thronfolger erklärte, seine Sonja zur Not auch ohne die väterliche Zustimmung zu heiraten und dann fortan eben ein bürgerliches Leben führen zu wollen, knickte Olav ein und stimmte der Ehe zu.

Seit 1991 heißt der norwegische König nun Harald, und sein Amt unterscheidet sich nur unwesentlich von dem seines Vaters und Großvaters. Denn es heißt zwar bis heute im norwegischen Grundgesetz - übrigens nach jener der USA die zweitälteste Verfassung der Welt -, dass alle Macht beim König liegt, allerdings sind die Aufgaben der Monarchen seit Einführung des Parlamentarismus im Jahr 1848 weitgehend auf das Repräsentieren beschränkt. König Harald, der wie seine Vorgänger Oberbefehlshaber der Streitkräfte, General des Heeres und der Luftwaffe und Admiral der Marine ist, hat entsprechend kaum Einfluss auf die Tagespolitik. Theoretisch steht dem König per Gesetz auch die Befugnis zu, den Staatsminister zu benennen. De facto empfiehlt jedoch bei einem Regierungswechsel oder Rücktritt der abgehende Staatsminister dem König, wer sein designierter Nachfolger sein soll - und der Monarch hält sich an diese Vorgabe.

Immerhin: Gesetze und Beschlüsse der amtierenden Regierung werden bis heute erst dann gültig, wenn sie vom König ab- und vom Staatsrat gegengezeichnet wurden. Jeden Freitag empfängt Harald dazu im Osloer Schloss den Staatsrat - seit 1905 hat jedoch kein norwegischer Monarch seine Unterschrift verweigert.

Dieses Osloer Stadtschloss ist übrigens nicht Eigentum der Königsfamilie - wie die meisten anderen von ihr genutzten Immobilien befindet es sich im Staatsbesitz und wird nur leihweise zur Verfügung gestellt.

Der Unterhalt dieser Anwesen, ebenso wie die jährliche Apanage der "Kongefamilie" ist ein offizieller Posten im Staatshaushalt und wird vom Steuerzahler finanziert. Der reagiert jedoch zunehmend verstimmt, wenn es um die Ausgaben der Royals geht. Als das Schloss Oslo in Drammensveien für mehrere Millionen Euro renoviert wurde, regte sich erstmals Widerstand gegen die staatliche Finanzierung der Luxussanierung. Schließlich könne die millionenschwere Königsfamilie die Kosten auch selber tragen, so die Kritiker. Der öffentliche Streit endete mit einem Kompromiss und einem königlichen Zuschuss zu den Kosten - die Zahl der Monarchiekritiker ist nämlich zum ersten Mal seit 1945 gestiegen. Lag sie nach dem Krieg noch bei 20 Prozent, können sich nun mehr als ein Drittel der Norweger vorstellen, in einer Republik zu leben.

Große Anstrengungen, die Monarchie abzuschaffen, werden jedoch nicht unternommen. "Bequemlichkeitsmonarchisten" nennt der überzeugte Republikaner Tone Foss Aspevoll seine Landsleute gern, bisher habe man immer Glück gehabt und "Könige erwischt, die sich gut benehmen und nett anzusehen sind - aber was, wenn die künftige Königin, die gerade geborene Ingrid Alexandra, sich eines Tages als grundsätzlich dumm entpuppt?"

Asbjörn Svarstad arbeitet als Korrespondet, unter anderem für das "Dagbladet", in Berlin.

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