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Tomas Lundin
Nicht mehr ohne Minister ins Ausland
Anfang des Jahres sorgte der schwedische
König mit Äußerungen über sein Reiseland Brunei
für Aufregung
Anfang Februar 2004 trafen der schwedische
König Carl XVI. Gustaf und seine Frau Silvia in dem kleinen
fernöstlichen Staat Brunei ein. Ein Land, von dem die meisten
Schweden bis dahin noch nie etwas gehört hatten, bis es
urplötzlich die Schlagzeilen des Landes bestimmte. Es war die
zweite Station einer offiziellen Reise des Königs, die in Ho
Chi Minh-Stadt in Vietnam begonnen hatte und in Bangkok enden
sollte.
Damit hatte er nicht gerechnet: Bei einem
Treffen mit schwedischen Journalisten in Brunei musste sich
König Carl XVI. Gustaf die Frage stellen lassen, ob es ihm
nichts ausmache, sich mit einem Staatschef zu treffen, der sein
Land mit eisener Faust autokratisch regiert. Der König, ein
guter Freund des Sultans von Brunei, zeigte sich erstaunt. Der
Sultan Haji Hassanal Bolkiah sei bei den Menschen sehr beliebt,
erkärte er. Dieser habe immer ein offenes Ohr für die
Nöte und Sorgen der Bürger, und Brunei sei ein offenes
und stabiles Land.
Wenige Stunden später lief der O-Ton
schon in den Nachrichtensendungen des schwedischen Rundfunks. Der
König mache sich für eine Dikatur stark, lautete die
Kritik. Der Professor für Staatsrecht Olof Petersson sprach
von einer konstitutionellen Krise und forderte die Abdankung des
König. "Rückblickend werden die Zeithistoriker die
Brunei-Affäre als das Anfang vom Ende der schwedischen
Moncharchie bezeichnen", sagte der renommierte
Staatsrechtler.
In den sozialdemokratischen Medien, vor allem
in der größten Boulevardzeitung "Aftonbladet", wurde zum
Sturm geblasen. In Brunei gelte seit 1962 Ausnahmezustand, und das
Parlament sei suspendiert. Die Versammlungsfreiheit sei in der
Praxis aufgehoben, und es gebe grobe Verstöße gegen die
Menschenrechte.
Im Auswärtigen Ausschuss des
schwedischen Parlaments forderten Politiker aus allen Parteien
Maßnahmen um sicherzustellen, dass der König sich in
Zukunft ausschließlich auf seine repräsentativen Aufgaben
konzentriere. Ministerpräsident Göran Persson
versicherte, er werde Carl Gustaf bei seiner Rückkehr um eine
Stellungnahme bitten. Die politisch bedeutungslose Bewegung der
Republikaner, die für eine Abschaffung der Monarchie eintritt,
jubelte. Wenig später wählte sie den König zum
"Republikaner des Jahres", eine alljährliche Auszeichnung des
Vereins.
Ahnungsloser Monarch
Von all dem ahnte König Carl Gustaf
nichts, bis die Pressechefin des Hofes, Elisabeth Tarras-Wahlberg,
ihn telefonisch unterrichtete. "Der König war erstaunt. Er
konnte die Reaktionen gar nicht verstehen", sagte sie nach dem
Gespräch. Auch die Mehrheit der schwedischen Bevölkerung
konnte die Aufregung in den Medien und in der politischen Szene
nicht nachvollziehen. In den Meinungsumfragen blieb die
Unterstützung für das Königshaus
ungebrochen.
Nach seiner Rückkehr zog sich der
König auf sein Schloss zurück. Erst nach zwei Tagen ging
er in die Offensive und ließ das Dossier des Auswärigen
Amtes veröffentlichen, das ihm zur Vorbereitung der Reise
erstellt worden war. Neben einigen kritischen Bemerkungen konnte
man darin lesen, der Sultan habe zur Offenheit in der Gesellschaft
ermuntert, er mache Besuche in Schulen und Krankenhäusern und
versuche, Missstände zu beseitigen. Durch dieses Engagement
sei er sehr beliebt bei den Bürgern, versicherten die
Experten.
Teilweise waren es wortwörtlich die
selben Formulierungen, die der König gebraucht hatte. Hatte
dieser also nur ausgesprochen, was das Ministerium ihm vorgegeben
hatte? Wenn das der Fall war, wie konnte man dann von einem
Überschreiten der konstitutionellen Grenzen und einer Krise
der Monarchie reden? Die Aufgeregtheit der ersten Tage reduzierte
sich schnell auf die Frage des richtigen Fingerspitzengefühls.
Immerhin sei es ein Unterschied, wurde nun von Beobachtern
behauptet, ob man etwas in geheime Staatsdossiers schreibt, oder ob
es durch das Mikrophon eines Reporters an die Öffentlichkeit
gelangt.
Die Regierung hat inzwischen beschlossen, den
König in Zukunft nicht ohne Ministerbegleitung auf
Staatsbesuche ins Ausland zu schicken. Als eine Art "Aufpasser"
soll der jeweils verantwortliche Minister dafür sorgen, dass
der offiziellen Haltung der Regierung auf diesen Reisen nicht
widersprochen wird. Denn nach schwedischer Verfassung hat der
König allein die Auffassung der Regierung wiederzugeben.
Über die vom Land vertretenen politischen Positionen soll der
Regierungschef den König vor jedem Auslandbesuch informieren,
wenn nicht persönlich so doch durch einen Minister. Es obliegt
auch der Regierung zu entscheiden, welche Länder zu welchem
Zeitpunkt besucht werden sollen. Der Monarch selbst kann nur
über seine privaten Reisen bestimmen.
Den neuen Regeln zum Trotz ist weiterhin
unklar, wie sichergestellt werden soll, dass der König sich
von Reportern nicht aufs Glatteis führen lässt. Denn die
Erfahrung hat gezeigt, dass König Carl XVI. Gustaf nicht immer
vorsichtig genug ist, wenn er sich öffentlich
äußert. "Wäre ich dabei gewesen, hätte ich
wahrscheinlich das Schlimmste verhindern können", meint auch
Elisabeth Tarras-Wahlberg, die seit mehr als 25 Jahren nicht nur
Sprecherin des Hofes ist, sondern auch eine Vertraute der ganzen
Familie.
Tarras-Wahlberg besitzt die notwendige
politische Sensibilität und hat ein gut funktionierendes
Frühwarnsystem. "Bei dem Pressegespräch hätte ich
dem König gesagt, seine Antwort könne missverstanden
werden und dass es gut wäre, diese noch zu ergänzen. Dann
hätte er gewusst, dass er aufpassen muss."
Aber auch die beste Beratung ist keine
Garantie dafür, dass keine Fehler geschehen.
Ministerpräsident Göran Persson sorgte zum Beispiel
für einen Aufschrei in Schweden, als er vor einigen Jahren bei
einem offiziellen Besuch im kommunistischen Einparteienstaat China
von der Stabilität des Landes schwärmte, ohne ein Wort
über Menschenrechte zu verlieren. Daran erinnerte der
Regierungschef selbst nach dem Gespräch mit König Carl
Gustaf.
Bleibt die Frage, welche Funktion
Staatsbesuche erfüllen sollen. Die Wirtschaft betrachtet den
König in erster Linie als Türöffner, der helfen
soll, neue Märkte zu erschließen. So war auf der Reise
nach Vietnam und Brunei im Februar eine ganze Schaar von
Unternehmervertretern dabei, unter anderem von der Medien- und
Telekomgruppe Stenbeck, die mit dem Regime in Vietnam gerne ins
Geschäft kommen möchte.
Beratung ist nicht alles
In diese Rolle wächst nun auch zunehmend
die Kronprinzessin Victoria hinein. Sie hat unter anderem in
Saudi-Arabien für schwedische Interessen geworben. Auch
Victoria lässt sich von Elisabeth Tarras-Wahlberg, sowie vom
Auswärtigen Amt und anderen Ministerien informieren und
beraten. Im Vergleich zu ihrem Vater hat sie aber ein feineres
Gespür für die Tücken der Mediengesellschaft. Als
sie vor einiger Zeit Praktikantin in der schwedischen Botschaft in
Berlin war, hat sie es glänzend verstanden, die Paparazzi und
die Reporter der Boulevardpresse bei den Hörnern zu nehmen.
"Ich bin es leid, hinter jedem Busch einen Reporter zu sehen. Lasst
mir doch die Luft zum Atmen", bat sie und wurde zumindest teilweise
erhört.
Viele Schweden meinen, Victoria habe gezeigt,
dass Beratung durch Experten nicht alles ist. Ein moderner Monarch
muss auch in der Lage sein, souverän mit den Medien umzugehen,
denn mehr und mehr handelt es sich um einen "Job", der dem eines
Marketingdirektors ähnelt. Wobei das Königshaus immer
noch die Rolle hat, Stabilität zu garantieren und die
Traditionen und Identität der schwedischen Gesellschaft zu
verkörpern.
Im Vergleich zu den Aufgaben etwa eines
Bundespräsidenten in Deutschland fehlt allerdings eine
Dimension. Das schwedische Staatsoberhaupt äußert sich
nie zu aktuellen politischen oder gesellschaftlichen Themen. Eine
"Ruck-Rede", wie die von Roman Herzog oder die jüngsten
Anmerkungen Horst Köhlers zu den ungleichen
Lebensverhältnissen in den neuen und alten Bundesländern
wäre undenkbar.
Jene Stimmen in der schwedischen
Öffentlichkeit, die nach einer solchen überparteilichen
Instanz rufen, die sich politisch äußert und so etwas wie
das Gewissen der Nation sein könnte, werden jedoch
lauter.
Tomas Lundin arbeitet für das "Svenska
Dagbladet" als Korrespondent in Berlin.
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