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Das Parlament
Nr. 43 / 18.10.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Tomas Lundin

Nicht mehr ohne Minister ins Ausland

Anfang des Jahres sorgte der schwedische König mit Äußerungen über sein Reiseland Brunei für Aufregung
Anfang Februar 2004 trafen der schwedische König Carl XVI. Gustaf und seine Frau Silvia in dem kleinen fernöstlichen Staat Brunei ein. Ein Land, von dem die meisten Schweden bis dahin noch nie etwas gehört hatten, bis es urplötzlich die Schlagzeilen des Landes bestimmte. Es war die zweite Station einer offiziellen Reise des Königs, die in Ho Chi Minh-Stadt in Vietnam begonnen hatte und in Bangkok enden sollte.

Damit hatte er nicht gerechnet: Bei einem Treffen mit schwedischen Journalisten in Brunei musste sich König Carl XVI. Gustaf die Frage stellen lassen, ob es ihm nichts ausmache, sich mit einem Staatschef zu treffen, der sein Land mit eisener Faust autokratisch regiert. Der König, ein guter Freund des Sultans von Brunei, zeigte sich erstaunt. Der Sultan Haji Hassanal Bolkiah sei bei den Menschen sehr beliebt, erkärte er. Dieser habe immer ein offenes Ohr für die Nöte und Sorgen der Bürger, und Brunei sei ein offenes und stabiles Land.

Wenige Stunden später lief der O-Ton schon in den Nachrichtensendungen des schwedischen Rundfunks. Der König mache sich für eine Dikatur stark, lautete die Kritik. Der Professor für Staatsrecht Olof Petersson sprach von einer konstitutionellen Krise und forderte die Abdankung des König. "Rückblickend werden die Zeithistoriker die Brunei-Affäre als das Anfang vom Ende der schwedischen Moncharchie bezeichnen", sagte der renommierte Staatsrechtler.

In den sozialdemokratischen Medien, vor allem in der größten Boulevardzeitung "Aftonbladet", wurde zum Sturm geblasen. In Brunei gelte seit 1962 Ausnahmezustand, und das Parlament sei suspendiert. Die Versammlungsfreiheit sei in der Praxis aufgehoben, und es gebe grobe Verstöße gegen die Menschenrechte.

Im Auswärtigen Ausschuss des schwedischen Parlaments forderten Politiker aus allen Parteien Maßnahmen um sicherzustellen, dass der König sich in Zukunft ausschließlich auf seine repräsentativen Aufgaben konzentriere. Ministerpräsident Göran Persson versicherte, er werde Carl Gustaf bei seiner Rückkehr um eine Stellungnahme bitten. Die politisch bedeutungslose Bewegung der Republikaner, die für eine Abschaffung der Monarchie eintritt, jubelte. Wenig später wählte sie den König zum "Republikaner des Jahres", eine alljährliche Auszeichnung des Vereins.

Ahnungsloser Monarch

Von all dem ahnte König Carl Gustaf nichts, bis die Pressechefin des Hofes, Elisabeth Tarras-Wahlberg, ihn telefonisch unterrichtete. "Der König war erstaunt. Er konnte die Reaktionen gar nicht verstehen", sagte sie nach dem Gespräch. Auch die Mehrheit der schwedischen Bevölkerung konnte die Aufregung in den Medien und in der politischen Szene nicht nachvollziehen. In den Meinungsumfragen blieb die Unterstützung für das Königshaus ungebrochen.

Nach seiner Rückkehr zog sich der König auf sein Schloss zurück. Erst nach zwei Tagen ging er in die Offensive und ließ das Dossier des Auswärigen Amtes veröffentlichen, das ihm zur Vorbereitung der Reise erstellt worden war. Neben einigen kritischen Bemerkungen konnte man darin lesen, der Sultan habe zur Offenheit in der Gesellschaft ermuntert, er mache Besuche in Schulen und Krankenhäusern und versuche, Missstände zu beseitigen. Durch dieses Engagement sei er sehr beliebt bei den Bürgern, versicherten die Experten.

Teilweise waren es wortwörtlich die selben Formulierungen, die der König gebraucht hatte. Hatte dieser also nur ausgesprochen, was das Ministerium ihm vorgegeben hatte? Wenn das der Fall war, wie konnte man dann von einem Überschreiten der konstitutionellen Grenzen und einer Krise der Monarchie reden? Die Aufgeregtheit der ersten Tage reduzierte sich schnell auf die Frage des richtigen Fingerspitzengefühls. Immerhin sei es ein Unterschied, wurde nun von Beobachtern behauptet, ob man etwas in geheime Staatsdossiers schreibt, oder ob es durch das Mikrophon eines Reporters an die Öffentlichkeit gelangt.

Die Regierung hat inzwischen beschlossen, den König in Zukunft nicht ohne Ministerbegleitung auf Staatsbesuche ins Ausland zu schicken. Als eine Art "Aufpasser" soll der jeweils verantwortliche Minister dafür sorgen, dass der offiziellen Haltung der Regierung auf diesen Reisen nicht widersprochen wird. Denn nach schwedischer Verfassung hat der König allein die Auffassung der Regierung wiederzugeben. Über die vom Land vertretenen politischen Positionen soll der Regierungschef den König vor jedem Auslandbesuch informieren, wenn nicht persönlich so doch durch einen Minister. Es obliegt auch der Regierung zu entscheiden, welche Länder zu welchem Zeitpunkt besucht werden sollen. Der Monarch selbst kann nur über seine privaten Reisen bestimmen.

Den neuen Regeln zum Trotz ist weiterhin unklar, wie sichergestellt werden soll, dass der König sich von Reportern nicht aufs Glatteis führen lässt. Denn die Erfahrung hat gezeigt, dass König Carl XVI. Gustaf nicht immer vorsichtig genug ist, wenn er sich öffentlich äußert. "Wäre ich dabei gewesen, hätte ich wahrscheinlich das Schlimmste verhindern können", meint auch Elisabeth Tarras-Wahlberg, die seit mehr als 25 Jahren nicht nur Sprecherin des Hofes ist, sondern auch eine Vertraute der ganzen Familie.

Tarras-Wahlberg besitzt die notwendige politische Sensibilität und hat ein gut funktionierendes Frühwarnsystem. "Bei dem Pressegespräch hätte ich dem König gesagt, seine Antwort könne missverstanden werden und dass es gut wäre, diese noch zu ergänzen. Dann hätte er gewusst, dass er aufpassen muss."

Aber auch die beste Beratung ist keine Garantie dafür, dass keine Fehler geschehen. Ministerpräsident Göran Persson sorgte zum Beispiel für einen Aufschrei in Schweden, als er vor einigen Jahren bei einem offiziellen Besuch im kommunistischen Einparteienstaat China von der Stabilität des Landes schwärmte, ohne ein Wort über Menschenrechte zu verlieren. Daran erinnerte der Regierungschef selbst nach dem Gespräch mit König Carl Gustaf.

Bleibt die Frage, welche Funktion Staatsbesuche erfüllen sollen. Die Wirtschaft betrachtet den König in erster Linie als Türöffner, der helfen soll, neue Märkte zu erschließen. So war auf der Reise nach Vietnam und Brunei im Februar eine ganze Schaar von Unternehmervertretern dabei, unter anderem von der Medien- und Telekomgruppe Stenbeck, die mit dem Regime in Vietnam gerne ins Geschäft kommen möchte.

Beratung ist nicht alles

In diese Rolle wächst nun auch zunehmend die Kronprinzessin Victoria hinein. Sie hat unter anderem in Saudi-Arabien für schwedische Interessen geworben. Auch Victoria lässt sich von Elisabeth Tarras-Wahlberg, sowie vom Auswärtigen Amt und anderen Ministerien informieren und beraten. Im Vergleich zu ihrem Vater hat sie aber ein feineres Gespür für die Tücken der Mediengesellschaft. Als sie vor einiger Zeit Praktikantin in der schwedischen Botschaft in Berlin war, hat sie es glänzend verstanden, die Paparazzi und die Reporter der Boulevardpresse bei den Hörnern zu nehmen. "Ich bin es leid, hinter jedem Busch einen Reporter zu sehen. Lasst mir doch die Luft zum Atmen", bat sie und wurde zumindest teilweise erhört.

Viele Schweden meinen, Victoria habe gezeigt, dass Beratung durch Experten nicht alles ist. Ein moderner Monarch muss auch in der Lage sein, souverän mit den Medien umzugehen, denn mehr und mehr handelt es sich um einen "Job", der dem eines Marketingdirektors ähnelt. Wobei das Königshaus immer noch die Rolle hat, Stabilität zu garantieren und die Traditionen und Identität der schwedischen Gesellschaft zu verkörpern.

Im Vergleich zu den Aufgaben etwa eines Bundespräsidenten in Deutschland fehlt allerdings eine Dimension. Das schwedische Staatsoberhaupt äußert sich nie zu aktuellen politischen oder gesellschaftlichen Themen. Eine "Ruck-Rede", wie die von Roman Herzog oder die jüngsten Anmerkungen Horst Köhlers zu den ungleichen Lebensverhältnissen in den neuen und alten Bundesländern wäre undenkbar.

Jene Stimmen in der schwedischen Öffentlichkeit, die nach einer solchen überparteilichen Instanz rufen, die sich politisch äußert und so etwas wie das Gewissen der Nation sein könnte, werden jedoch lauter.

Tomas Lundin arbeitet für das "Svenska Dagbladet" als Korrespondent in Berlin.

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